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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Die Kanonen donnerten zum ersten Male vom Molo von Miramar; die erzherzogliche Flagge ward aufgehißt, und der Prinz sammelte alle Arbeiter um sich und dankte ihnen in freundlichen Worten, die von seiner freudigen Erregtheit zeugten.

Ein volles Jahr nahm dann noch die innere Instandsetzung der Schloßräume in Anspruch. Der Triester Decorateur Hoffmann und sein mit Stylgefühl in außerordentlicher Weise ausgerüsteter Sohn besorgten dieselbe. Wenn es einmal galt, sich prachtliebend zu zeigen, so stellte Maximilian nicht weniger seinen Mann, als wenn es ihm gefiel, einfach bis zum Aeußersten zu sein. War er einmal dabei, Pomp zu entwickeln, so that er dies aus dem Vollen. In Mailand beispielsweise, wo es 1857 bis 1859 galt, Volksunzufriedenheit zu vergolden, trat er im Geschmacke Louis’ des Vierzehnten auf, gab Feste mit Aufgebot kostbarster Licht- und Farbeneffecte, fuhr in goldstrotzenden Carossen, hielt gepuderte Dienerschaft und machte das nahe Monza zu einem Königsschlosse echtesten alten Bourbonenstils. Unnöthiger Flitter aber ward nicht viel in Miramar verschwendet; die Säle entwickeln einen gediegenen Luxus; Reichthum, mit gutem Geschmacke gepaart, findet sich überall, oben und unten, an den Wänden, Decken und Böden der Gemächer. Die vielen Besucher von heute finden sie noch alle im Zustande von 1864, und gewiß giebt es Niemanden unter ihnen, der nicht von der in Miramar entwickelten Schönheit angemuthet würde. Prinz Maximilian hielt es bezüglich des Glanzes ganz mit der Natur; er hielt mit Gaben des Reichthums nicht zurück. Sagt er doch selbst einmal in seinen „Aphorismen“: „Geiz ist bei Prinzen ein Verbrechen. Prinzen sollen Goldcirculationsmaschinen sein – man weiß ihnen Dank dafür,“ und er handelte auch nach dieser Maxime.

Für seine Sammlungen von Antiquitäten, die einen großen Saal der oberen Etage des Schlosses füllten (und die sammt der Bildergalerie nach den Tagen von Queretaro verkauft worden, um mannigfache Deficite zu decken), trug er noch in Mexico Sorge und schickte von dort aus fortwährend neue Kostbarkeiten nach Miramar. Pflanzengattungen seltenster Art wurden von entferntesten Orten für den erzherzoglichen Park von Miramar herbeigeschafft, und man wandelte in ihm in der That wie in einem der Gärten Andalusiens oder Siciliens; er entfaltet tropische Schönheiten in prachtvollen Gewächshäusern, ist voll von Pinien, Lorbeer- und Myrthenbäumen, von Aloe und Magnolien; hier spenden Citronenwäldchen ihren Duft; dort erheben Cactus und Palme ihre riesigen Häupter, und überall umplätschern Fontainen diese liebliche Gartenidylle in lauschigen, stillen Winkeln.

Eine vorzügliche Bewässerung – Herr Junker zweigte seine Aurisina-Wasserleitung nach Miramar ab – macht es den vielerlei exotischen Pflanzen da sehr wohl. Die Sonne und das wonnige Klima – Miramar ist vollständig gegen die Bora geschützt – thun das Uebrige.

Ein schattiger Laubengang – er war das Lieblingsplätzchen Maximilian’s, wenn er seinen Gedanken nachhängen wollte, oder wenn sich ihm die Muse nahte – führt uns direct vom herrlichen Parke in’s Schloß hinauf. Im Hochparterre liegen die Gemächer, in denen das glückliche Paar (glücklich, so lange ihnen nicht der bonapartistische Versucher die Krone der Azteken brachte) am liebsten weilte. Da ist vor Allem das Arbeitszimmer des Prinzen, das in seinem ganzen Arrangement die seemännische Passion Maximilian’s am meisten zum Ausdruck bringt. In diesem Arbeitsraume wollte er, da er am Bord der „Elisabeth“, 15. November 1859, die Verse schrieb:

„Hinaus, hinaus in’s blaue Meer,
Hinaus, wo Himmel nur und Welle,
Wo nie das Herz mir bang und schwer –
Zu Schiff, zu Schiff ist meine Stelle!“ –

am kleinen Mahagonitischchen arbeitend, sich auf dem Schiffe dünken können. Und einer wirklichen Cajüte, elegant und doch einfach, gleicht dieses Arbeitszimmer Maximilian’s, einer Schiffscajüte mit Hängematte und kleinen zerlegbaren Stühlen, kleinen Fenstern, die hinaus auf’s Meer führen. Der Tisch ist mit Karten, Bussolen, Compassen bedeckt; in den Wandschränken befinden sich allerhand Reisewerke, geographische Handbücher, Atlasse und Marineinstrumente.

Seitwärts von diesem Cajütenzimmer liegt das prächtige Bibliothekzimmer, in welchem jetzt die reiche Sammlung von Werken ethnographischen, geschichtlichen und schön-wissenschaftlichen Inhaltes umsonst ihres gewohnten fleißigen Lesers harrt. Maximilian liebte nach dem Meere und seinem Weibe nichts so sehr als – Bücher. Geschichte war sein Hauptstudium, und die Schränke aus Luxushölzern zeigten auch fast Alles, was deutscher, französischer, englischer Forschergeist bis in die neueste Zeit hinein gezeitigt hat. Daß auch die Poeten, die ersten und die zweiten Ranges, in dieser Bibliothek nicht fehlen, versteht sich von selbst. Grillparzer, Lenau und der Wüstenmaler Freiligrath, seine Lieblinge aus der Epigonenzeit, haben da ihre Ehrenplätze. Als Bücher, die Maximilian in den letzten Tagen seines Aufenthaltes in Miramar, Sommer 1864, gelesen, werden die „Geschichte der Stadt Rom“ von Gregorovius und eine Lebensgeschichte des Hohenstaufen „Manfred“ bezeichnet.

Die Bücherleidenschaft unterstützte Maximilian, nebenbei bemerkt, auch bei Anderen gern. So erkundigte er sich nicht selten in den Buchhandlungen Triests nach den Contos der Marineofficiere und – zahlte sie. Es waren dies die einzigen Officiersschulden, mit denen er Nachsicht hatte. –

Aus der Bibliothek heraus führt eine Thür direct auf die breite Terrasse, die das Belvedere von Miramar genannt werden darf. Herrlicher als auf dieser Terrasse, die, wie das ganze Schloß, aus marmorartigen Steinen gemauert worden, ist es wohl nirgends auf dem mit so vielen schönen Punkten gesegneten Miramar. Sie ist der Stolz ihres Errichters und war der Stolz ihres fürstlichen Besitzers, Hier glauben wir den gebieterischen Ruf des Meeres: „Mira!“ (Bewundere!) laut und vernehmlich zu hören; gern und willig sind wir auf dieser Terrasse bereit, dem Meere den Tribut zu zahlen, den schon der Name des Schlosses uns abverlangt.

Halten wir uns jetzt rechts von der Bibliothek, so gelangen wir zu den Salons der Erzherzogin Charlotte, den luxuriösesten des Schlosses. Charlotte von Belgien war, was den mannigfaltigen Tand des Lebens anbelangt, nicht stärker als manches andere hochgestellte Erdenkind weiblichen Geschlechts. Die Prinzessin liebte es vorzüglich, Reichthum der Toiletten entfalten zu können; sie schmückte ihre imponirende, königliche Gestalt gar zu gern, wenn sie auch sonst in Gespräch und Umgang sich einfach und liebenswürdig, rein menschlich möchte man sagen, zu geben wußte. Wer das Zusammenleben Maximilian’s und Charlotte’s Jahre hindurch mit anschaute, weiß nichts davon zu erzählen, daß Charlotte „stolz“ und „herrschsüchtig“, wie man sie vielfach seit den Tagen von Queretaro darzustellen beliebte, gewesen, nichts namentlich davon, daß sie ihre „Herrschsucht“ auch über ihren Mann ausgedehnt. Es soll im Gegentheile etwas Kindlich-Liebliches über dem Wesen der Schloßfrau von Miramar ausgebreitet gewesen, der „gemüthliche“ Ton des „Wiener Kindes Maximilian“ bald auf Charlotte übergegangen sein. Eine Freude ist es gewesen, ihren innigen, schmucklosen Verkehr mit dem fürstlichen Manne und mit Allen, mit denen sie im Laufe der sechs Jahre des Stilllebens auf Miramar zu thun hatte, mit anzusehen. Haben Mexico und die Aztekenkrone die Seeleneinfalt und den bescheidenen, natürlichen Sinn der Königstochter verwirrt? Vielleicht.

Auf Miramar und in Triest ist das Andenken der hohen unglücklichen Frau ein ungetrübt schönes, herzliches. Aus den Brüsseler Kindestagen freilich sagt man der Prinzessin manchen eigenthümlichen Zug von Herrschsucht nach. Konnte sie ja vor der Schloßwache in Laeken nicht oft genug des Tages vorübergehen, um vor sich „in’s Gewehr“ rufen zu hören, und erst recht oft immer zu der Zeit, wenn gerade ihr Bruder, der damalige Herzog von Brabant und heute König von Belgien, die Wache commandirte. Und als es dem jungen Bruder eines Tages zu viel ward, vor dem Fräulein Schwester die Mannschaft immer wieder „in’s Gewehr“ rufen zu lassen, da lief Charlotte zum König, machte eine Scene und ruhte nicht, bis Bruder Brabant zwei Tage Arrest bekam. Diese kleinen Eitelkeiten aber zeigten sich während der Miramär-Periode der Prinzessin durchaus nicht fortgebildet, und es ist vielleicht nur als ein Rückfall in die Launen der Kindheit zu betrachten, wenn es wahr ist, daß die Charlotte, die heute sinnverwirrt im Schlosse von Tervueren umherwandelt, dergleichen Charakterzüge entwickelt.

Im Erdgeschosse des Schlosses von Miramar befinden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_867.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)