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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

drehen und winden, während seine Frau verzweiflungsvolle Schreie ausstieß und die Adepten wie versteinert um den Tisch herum saßen. Die beiden Betrüger verschwanden nun wirklich, und alle Anwesenden wurden von Herrn und Frau Huguet veranlaßt, das Protokoll über diesen Vorgang zu unterzeichnen, aus welchem wir Obiges wiedergegeben.

Was half aber diese drastische Belehrung? Obgleich man nach Entfernung des Firman eine Musikdose, eine kleine Trompete, ein Tambourin, ein kleines pianoartiges Tastinstrument vorfand, ließ man sich später von Neuem von jenem Charlatane an der Nase führen, den jetzt noch alle Spiritisten trotz seiner mannigfachen Spitzbübereien für ein brauchbares Medium halten.

Von den drei durch die siebente Kammer des Zuchtpolizeigerichts zu Paris entlarvten Medien scheint Leymarie allein ein Betrogener gewesen zu sein. Während den beiden Anderen positive Schwindeleien nachgewiesen werden konnten, sprach gegen Leymarie nur der Indicienbeweis und der durch ihn bewerkstelligte Verkauf Buguet’scher Geisterphotographieen.

Kehren wir nun zu unserm Spiritistencongreß nach Brüssel zurück! Nachdem der wieder zu Ehren gekommene Leymarie seinen Reinigungsvortrag beendet hatte, theilte der Präsident der Versammlung mit, es sei ein Mitglied des internationalen medicinischen Congresses anwesend, welches durch ein Experiment constatirt habe, daß man die Geister allerdings photographiren könne und der Betreffende auch Geister photographirt habe, daher die Thatsache der Geisterphotographie von wissenschaftlicher Seite festgestellt sei. Dieser angebliche Experimentator war der Schreiber dieser Zeilen. Ich nahm natürlich sogleich das Wort und belehrte den Herrn Präsidenten seines Irrthums, indem gerade im Gegentheil ich in einem photographischen Atelier einigen höchst ehrenwerthen mir persönlich befreundeten Anhängern der Spiritistenlehren den Beweis durch das Experiment gegeben hatte, wie Buguet und Consorten jene Täuschungen hervorbringen. Ich zeigte den Herren im Dunkelzimmer eine vorher mit Salpetersäure vor den Augen der Herren geputzte photographisch präparirte Platte, welche noch keinerlei Bild zeigte. Die Platte wurde angesichts aller Anwesenden in die Cassette gelegt und aus dem Dunkelzimmer in das Atelier und zur Camera obscura gebracht, vor welcher ein Spiritist saß, der mit einem Geiste zusammen photographirt werden wollte. Der anwesende Geisterseher, ein alter englischer Seemann, hatte vorher bei dem Einstellen des Bildes mitgetheilt, daß er neben dem zu photographirenden Menschen den Geist eines jungen Mädchens mit wallendem Haare stehen sehe. Wir Anderen sahen natürlich Nichts. Die Platte wurde exponirt, das Bild auf die gewöhnliche Methode hervorgerufen und fixirt, und siehe da, neben dem Herrn, der zum Photographiren gesessen hatte, erschien in halbverschwommenen Zügen ein hübsches junges Mädchen mit wallendem Haar. Die Herren Spiritisten waren entzückt und geriethen zum Theil durch diesen Effect in eine solche Aufregung, daß sie thatsächlich erbebten. „Ah, ah, da ist ein Beweis für unsere Behauptung, ein Beweis von einem glaubwürdigen Manne,“ riefen sie voll Begeisterung.

Wie war jenes Photographiren zugegangen? Bekanntlich ist das photographische Bild, selbst wenn das Licht schon auf die Platte gewirkt hat, unsichtbar oder latent, wie man dies in der Sprache der Wissenschaft ausdrückt, und wird erst durch Aufgießen gewisser chemischer Lösungen sichtbar, indem durch derartige Einwirkungen die molecularen Silbertheilchen, aus denen die Lichtbilder bestehen, sich je nach dem Grade der Einwirkungen des Lichts zusammengruppiren. Ich hatte nun im Beisein eines der Herren, ohne die anderen davon in Kenntniß zu setzen, gleich nach der eigentlichen Aufnahme des Bildes jene Geistererscheinung in die Platte, im Dunkelzimmer, mittelst künstlichen Lichts als ein latentes Bild sehr rasch eincopirt, um später die Herren von den Täuschungen, denen sie fortwährend ausgesetzt sind, zu überzeugen und dadurch eine Heilung zu erzielen. Das Original des eincopirten Bildes hatte ich unter einigen Hundert Platten, die in einem Schranke des Dunkelzimmers standen, passend zur Aussage des Geistersehers, rasch ausgesucht. Nachdem ich den Herren den Vorgang ganz genau erklärt und aus meiner Rocktasche das Originalnegativ des weiblichen Geistes hervorgezogen, waren sie zwar für den Augenblick frappirt, hielten sich aber trotzdem nicht für überzeugt, indem sie behaupteten, daß sich außer dem von mir eincopirten Geiste noch ein Geist auf der Platte befinde, den sie sehen könnten, den ich aber wegen meiner Ungläubigkeit nicht erkennen wolle.

Von diesem angeblichen Geiste, von dem in der That auf der Platte nichts zu sehen war – es sei denn, daß einige gelbe Flecken von unfixirtem Jodsilber gemeint waren –, sprach der Präsident, und es ist als günstiger Zufall zu betrachten, daß mir Gelegenheit geboten war, der Mystification sofort Schranken zu setzen. Obgleich ich am andern Morgen den versammelten Spiritisten nochmals einen mathematischen Beweis gegen diesen photographischen Unfug durch ein neues total negatives Experiment zu geben mich bemühte, indem die Geister absolut nicht auf die Platten kommen wollten, konnte ich meinen Zweck der Aufklärung und Belehrung nicht erreichen. Man half sich mit dem Troste, daß eben die Geister nicht gelaunt seien, zu erscheinen.

Geisterphotographien können auf verschiedene Weise dargestellt werden, theils durch Eincopiren eines vorhandenen Bildes in die Platte, theils durch directe Aufnahme einer zweiten Figur zur Originalaufnahme, theils durch das Auftauchen einer Puppe, oder einer verkleideten Person hinter dem zu Photographirenden im Momente der Aufnahme, wie dies unsere Abbildung andeutet. Der junge Mann, welcher sich hier getreulich bei einem befreundeten Photographen aufnehmen ließ, hatte keine Ahnung davon, daß hinter ihm während der zweiten üblichen Aufnahme ein Geist auftauchte, der mit ihm auf die Platte zu stehen kam.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Das Bremerhavener Unglück bewegt die ganze Welt, und die Gartenlaube kann dasselbe nicht mit Schweigen übergehen. Eine aus Zeitungsartikeln zusammengesetzte Schilderung der beklagenswerthen Katastrophe mochten wir nicht veröffentlichen und haben deshalb einen Augenzeugen der Explosion beauftragt, auf Grund seiner eigenen Erlebnisse einen selbstständigen Artikel für unser Blatt zu verfassen, welcher in der nächsten Nummer zum Abdrucke kommen wird. Heute veröffentlichen wir als Einleitung zu demselben im Folgenden einige interessante Mittheilungen eines ebenfalls Betheiligten, insofern Betheiligten, als durch seine Vermittelung die Bestellung des vielbesprochenen Uhrwerkes des Verbrechers vermittelt wurde. Es wird dadurch bestätigt, daß Thomas sich schon seit Jahren planmäßig mit seinem grauenhaften Vorhaben beschäftigt hat. Unser Berichterstatter erzählt:

„Im März 1873 führte der amerikanische Consul in Leipzig den Mr. William K. Thomas – so lautete seine Karte – mir zu, einen Mann von mittelgroßer untersetzter Statur mit geröthetem Gesicht. Er trug eine goldene Brille und machte den Eindruck eines angenehmen, ich möchte sagen gemüthlichen Menschen, der die Höflichkeit des Amerikaners keinen Augenblick verleugnete. Sein Englisch – deutsch sprach er damals so gut wie gar nicht – hatte die entschiedene Färbung des Yankeedialects. Der Zweck seines Kommens war, durch mich den Nachweis eines Uhrmachers zu erlangen, der ihm ein Werk baue, welches herzustellen schon verschiedene Mechaniker vergeblich versucht hatten; auf meine Frage, welcher Art das gewünschte Werk sein solle, erwiderte Thomas, es solle ein längere Zeit laufendes sein, auch müsse irgend ein Mechanismus daran angebracht werden, der, mit einer Maschine in Verbindung gesetzt, auf diese einen damals nicht näher bezeichneten Einfluß ausübe, sobald das Werk die vorgeschriebene Zeit gelaufen habe. Es solle nicht durch Gewicht, sondern durch Federkraft in Bewegung gesetzt werden. Ich bemerkte Herrn Thomas, daß es doch nöthig sei, zu wissen, welcher Art der zu bewirkende Einfluß sein solle und wie die Maschine beschaffen sei, mit der das Werk in Verbindung gesetzt werden würde. Seine darauf gegebene Erklärung ließ mich den Zweck des Werkes nicht klar erkennen. Auch sollte es, wie er ausdrücklich bemerkte, kein Uhrwerk sein, welches die Zeit angiebt, und doch eine gegebene Zeit laufen. Darauf erwiderte ich ihm, daß er sich die Lösung seiner Aufgabe nicht gar so leicht vorstellen solle; ein Werk zu bauen, das Stunden, Tage, Monate, ja, ein Jahr lang oder länger liefe, dazu würden zwar viele Uhrmacher oder Mechaniker im Stande sein, um jedoch seine Aufgabe vollkommen zu lösen, bedürfe er eines tüchtigen Denkers, der sich ganz und gar in seine Idee hineinleben könne. Als einen solchen überaus praktischen und denkenden Mann, von dem ich behaupten könne, daß er die Aufgabe, wenn irgend möglich, zur Zufriedenheit lösen werde, empfahl ich ihm den mir damals geschäftlich befreundeten, weit und breit berühmten Thurmuhrmacher und Mechaniker J. I. Fuchs in Bernburg.

Da ich befürchtete, daß Thomas in Folge seines gebrochenen Deutsch nicht im Stande sein würde, meinem Freunde seine Ideen verständlich genug vorzutragen, und schriftlich erst recht nichts erreicht werden würde, schlug ich vor, noch einige Wochen bis zur Ostermesse zu warten, und versprach, dann beide Herren zusammenzuführen und, wenn nöthig, ihnen als Dolmetscher zu dienen. Thomas besuchte mich dann noch mehrere Male und war ziemlich gespannt auf die Ankunft meines Freundes, da er bald nach Dresden zu ziehen beabsichtige.

Gegen das Ende der Ostermesse 1873 kam Herr Fuchs nach Leipzig,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_019.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)