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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Ein ungarisches Königsschloß.


Von Michael Klapp.


Cavaliere haben bekanntlich ihre noblen Passionen, die sie sich theils bezahlen, theils Anderen schuldig bleiben. Besteht erst ein ganzes Volk aus Cavalieren, wie man von dem magyarischen behaupten könnte, aus geldstolzen, zum Theil verarmten, aber stets ahnenstolzen Cavalieren, so macht es seine Passionssachen nicht besser. Und Ungarn hat seine alten Passionen, hat deren, namentlich seit dem Jahre des Heils, in dem König Franz Joseph der Erste seinen Frieden mit ihm gemacht und seine politische Selbstständigkeit anerkannt hatte, wahrlich nicht wenige. Eine Schuld von über zweihundert Millionen ist lebendige

Schloß Gödöllö in Ungarn.

Zeugin hierfür. Bei der großen Ehrfurcht, welche die Kinder des Ungarlandes vor den Gewohnheiten und Gepflogenheiten ihrer Altvordern und Altvordersten, bei der Vorliebe, welche sie für alles haben, was einst in altersgrauer Zeit ihre Väter gethan, und wären das auch Dinge, die das milde Aufklärungslicht unserer Zeit nicht mehr vertragen, bei dem heillosen Respect vor allem „Avitischen“, wozu bis vor ganz kurzem auch noch die Todtschlägereien bei den Landtagswahlen und der Prügel des Herrn Stuhlrichters gehörten, kann es nicht Wunder nehmen, daß sie auch die noblen Passionen und Bräuche der Väter nicht vergessen. Ein solcher nobler, alter Brauch des Magyarenvolkes brachte es mit sich, daß der ehrsamen Landesfrau, wenn sie zur Krönung schritt, ein „Krönungsgut“ dargebracht wurde. Da kamen dann die Magnaten und offerirten der neuen Königin ein großes Stück Landes, ein Schloß im Walde oder ein fettes Gut in wein- und maisreicher Ebene, je nachdem die großen Herren eben in der Gebelaune waren und je nachdem sie gerade mit dem Landesherrn in herrlichem Frieden oder auf schlechtem Unterthansfuße lebten.

Die ersten neunzehn Jahre der Regierungszeit Franz Joseph des Ersten waren bekanntlich nicht darnach angethan, in den Magyaren große Sehnsucht nach seiner Krönung wach zu rufen. Im Gegentheil. Der Groll wucherte an der Donau und der Theiß von Jahr zu Jahr mehr auf; die Nation wollte das Brod, das constitutionelle Brod seiner Väter und bekam doch nur die Steine des Herrn von Bach. Der Kaiser und seine Räthe gingen, so oft sie auch kamen, unbeliebt wieder von dannen, und keine Ungarseele frug nach der schönen Königin. Im Sommer 1867 endlich gab es Versöhnung zwischen Land und Reich, zwischen Volk und König von Ungarn.

Die Sonne von Königgrätz hatte das Eis, das sich in starker Kruste zwischen Deutsche und Ungarn in Oesterreich angelegt, zum Schmelzen gebracht; man einigte sich hüben und drüben und der durch achtzehn Jahre anerkennungslos regierende König der Magyaren ging nach Budapest, um sich seine Anerkennung zu holen und sich zum König krönen zu lassen.

Und da kamen denn die Magnaten wieder, von denen einige, wie z. B. Graf Andrassy, Anno 1848 dem kaiserlich-königlichen Galgen rechtzeitig entgangen waren, um neunzehn Jahre später dem Throne am nächsten stehen zu können, und brachten der schönen Königin ihre ritterliche Huldigung dar. Wußten sie ja doch seit Längerem, daß Elisabeth ihrer Nation sehr gewogen, daß sie ihre Sprache, die der Tochter Baierns nicht leicht geworden sein mag, mit Eifer erlernt und gern und vortrefflich spreche, daß sie ihre Dichter liebe, ihre erste Gesellschafterin

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_081.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2019)