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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Grunde, weil ihm die in Paris gewaschene Wäsche noch theurer kam, als ganz neue.

Auch soll Fürst Anton der Zweite in seine Sammlung damals modischer französischer Brustkrausen ein Vermögen gesteckt haben; daß er bei den verschiedenen Fêten, die er alljährlich gab, die geladenen Freunde förmlich zwang, ihre Pfeifen und Cigarren mit – Hundertguldennoten, die in albernen Gefäßen, zu Fidibus gedreht, umherstanden, anzuzünden, soll auch nicht selten vorgekommen sein. Hätte Fürst Anton ein höheres Alter erreicht – er starb in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts – sein Werk der Verschwendung wäre ihm doch noch gelungen. Seinen fernen Verwandten, die sich in das Uebriggebliebene getheilt, soll aber noch Manches in der Richtung gelungen sein. Gödöllö kam bald in die Hände jener neuen Aristokratie, die sich an dem „Arrangement“ der alten emporarbeitete, sich zuerst die Güter der Grassalkowitsch und dann dazu ein Prädicat erwarb. Gödöllö fiel um eine Million Kaufschilling dem Banquier Sina zu. Von dem kaufte es dann die „Belgische Bank“ oder vielmehr Langrand-Dumonceau, der es dann gelegentlich der Krönung mit dem hübschen Gewinn von zwei Millionen an die magyarische Nation weiter verkaufte.

Ein Bett, das noch heute zum Andenken in einem der Gemächer von Schloß Gödöllö steht, bezeichnet so recht seine reiche Vergangenheit, seine kriegerische und friedliche Geschichte. In dem Bette schlief oftmals Maria Theresia, die den ersten Grassalkowitsch groß gemacht und die in sorgenschwerer Zeit den Aufenthalt in Gödöllö sehr liebte; Kossuth und Fürst Windischgrätz haben kurz nacheinander in demselben übernachtet, beide nach einer gewonnenen Schlacht am Rakoschfelde, und auch Langrand hatte einmal seinen schwindelerfüllten Kopf dort gebettet. Heute schläft Franz Joseph darin den Schlaf der beliebten Fürsten.




Pritschenschläge deutschen Volkshumors.


Von Moritz Busch.


Nr. 1: Ein „Nichtsfürungut!“ zur Einleitung. – Die uralte deutsche Necksucht. – „Stadtfiguren.“ – Der Schabernack als Gevatter bei Familiennamen. – Die Gewerbe unter der Pritsche des Volkshumors: der Schuster, der Schneider, der Maurer und Andere. – Die Wirthshausschilder. – Ganze Stämme als Zielscheibe der Necksucht. – Deutsche Narrenstädte: Schilda, Lalenburg etc. – Lustige Stückchen aus allerlei Städtchen. – Der Humor in den Spitznamen der Städte.


Das Folgende möge der Beitrag der „Gartenlaube“ zur diesjährigen Carnevalsfeier – der Narrenkirmeß – sein. Sein Motto aber heiße: „Mit Gunst, und nichts für ungut!“ Denn es soll hier geschildert werden, wie die Deutschen einander schrauben, necken, foppen und hänseln, oder – um einen volksthümlichen Ausdruck zu brauchen – „sich zum Narren haben“, und da giebt es zuweilen Dinge, die wehthun oder doch verstimmen könnten, wenn in diesen lustigen Wochen das Uebelmeinen und Uebelnehmen überhaupt gestattet wäre, und wenn sich’s nicht ganz andere Leute als wir, Doctor Luther, der alte Fritz, andere große Helden und Heilige, der Herr Christus, ja der liebe Gott selber, hätten gefallen lassen, daß die Ausgelassenheit unserer Witzbolde ihrem Wesen eine ganz artige Dosis Komik beimischte.

Von alten Zeiten her liebten es die Deutschen wie andere Völker, und mehr als diese, närrische Seiten aneinander herauszufinden oder sich lächerliche Züge und Streiche anzudichten. Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte scheint diese Necksucht ganz besonders geblüht und reichlich Blüthen und Früchte getragen zu haben, aber noch jetzt ist sie namentlich in kleinen Städten und auf dem Lande, bald Altes nacherzählend, bald Neues erfindend, fleißig und mit Erfolg am Werke. Fast jedes Dorf hat seinen Narren. Kaum ein größerer Ort, der nicht, wie Dresden früher in Helmert, Rehan und Peter Groll, wie Leipzig in seinem „Spittelgottlob“ und seiner „Gänsehalsen“, ein paar „Stadtfiguren“ besäße. Keine ausgedehntere Genossenschaft, die sich nicht eines Hasenfußes oder Bramarbas, eines Urgrobians, eines Lügenschmieds, eines Pechvogels, eines Confusionsrathes, oder sonst eines wunderlichen Kauzes erfreute. Aber nie bleiben diese Persönlichkeiten auf die Dauer reines Naturproduct, sondern immer wird das Burleske, das Komische, das Närrische an ihnen vom dichtenden Humor der Nachbarn durch Uebertreibung oder Erfindung gesteigert und noch burlesker gemacht. Manche von diesen Scherzen, namentlich die ältesten, sind recht grob und unfläthig. Von Verblümtheit ist in der Regel nicht die Rede. Aber sie gefielen dem Geschmacke der Zeit, die sie erdachte, und sie gefallen wohl auch heute noch den Gästen im Rathskeller der Kleinstadt und in der Schenke des Dorfes. Das scheint sich mit der Gemüthlichkeit der Deutschen nicht recht zu vertragen. Aber es scheint auch nur so. Die Fopperei war in der Regel nicht böse gemeint, und am Ende galt das Sprüchwort: „Was sich liebt, das neckt sich“ auch von dieser Neckerei, selbst wenn sie sehr unzart war. Sehr wahr sagt Auerbach in seinem „Volksbüchlein“: „Gott verhüte, daß das Necken unter den deutschen Landsleuten abkomme! Es wäre das ein übles Anzeichen, daß auch das Lieben bei ihnen abgekommen sei.“

Eine ganze Anzahl seltsamer Familiennamen dankt diesem Hange zu Neckereien ihre Entstehung. Man denke an Rindsmaul, Ziegenbalg, Duvenkropp (Taubenkropf) und Ossenkopp (Ochsenkopf), an Käsebier und Schluckebier, an Sauerhering und Brathering, an Luderhaas und Grasewurm, an Hauto oder Hotho (Hau zu), an Griepenkerl (Greif den Kerl), Störtebecher (Stürze den Becher, gleich: Zecher, Saufaus) und Hebenstreit (Heb’ an den Streit, gleich: Zänker, Störenfried)!

Wie aber das Gefallen am Carrikiren und humoristischen Fabuliren den Einzelnen oft recht derb vorgenommen hat, wie der Volkshumor in seinen Uebermuthe und seiner Harmlosigkeit sich selbst an das Höchste und Heiligste gemacht, dem Weltheilande allerlei Schwänke in den Mund gelegt, Gott Vater in manchen Geschichtchen aus dem Himmel ungefähr wie König Nobel im Reinecke Fuchs aufgefaßt, und selbst des Teufels nicht geschont, sondern ihn in hundert lustigen Anekdoten als Bethörten und Geprellten dargestellt hat, so sind im Laufe der Zeit auch ganze Berufsclassen, ganze Orte, ganze Stämme und Landschaften in das Bereich dieser schnurrpfeiferischen Behandlung von Menschen und Dingen gezogen und mit neckischen Anhängseln bedacht worden.

Zunächst ist hier daran zu erinnern, daß eine Anzahl von Gewerben vom Volkswitze Spitznamen bekommen haben. Der Schuhmacher ist ihm ein Pechhengst, der Seemann ein Jan Maat oder eine Theerjacke, der Seiler ein Galgenposamentirer, der Maurer ein Lehmklitsch, der Leineweber ein Knirrficker, der Materialist ein Tütchenkrämer, der Apotheker ein Pillendreher.

Uebel beleumundet – natürlich nur in Narragonien – sind die Barbiere als Schwätzer und Herumträger, die Jäger als vollkommene Lügner, die Müller als Schelme, weil die Metze, die sie bezahlt, nach der Meinung der bösen Zungen, die bei ihnen mahlen lassen, meist reichlicher als billig ausfällt. Ein alter Spruch in der Schweiz sagt von ihnen: „Die Schelme sind nicht alle Müller, aber die Müller alle Schelme.“ Der Beamte ist auf diesem Gebiete ein Federfuchser; die Advocaten sind Rabulisten, böse Christen und Beutelräumer, die Wundärzte Pflasterkasten, und bei der höheren Classe der Mediciner wurde früher, wo Marktschreierei und Pferdecuren an der Tagesordnung waren, vielfach an Doctor Eisenbart gedacht.

Zahllos sind die Dönchen und Schwänke, mit denen der Bauer einst an Pastoren und Schulmeistern sein Müthchen kühlte und seinem humoristischen Bedürfnisse, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen, Genüge that. Der Unterofficier flucht und wettert im Volksmunde ohne Unterlaß und viel geläufiger und phantasiereicher als in der Wirklichkeit; ein Amtmann kann nur sackgrob sein; der Matrose ist allezeit und immerdar ein gutmüthiger Tölpel. Die Leineweber gelten für Hungerleider – „mit Fasten halten sie Zusammenkunft,“ heißt es von ihnen im Liede. Der Maurer ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_084.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)