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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Nur eine Meile noch!
Nach einer Photographie des Meyer’schen Oelgemäldes aus dem Verlage der photographischen Gesellschaft in Berlin.

Mein Mütterle, ach, wie bist Du so krank!
Nun bring’ ich Dir Hülfe, Gott sei Dank!

Ich bring’ aus der Stadt die Arzenei,
Die heilt Dich, und bald ist die Angst vorbei.

Wie bin ich so müd’ und verschmachte fast!
An der Bergcapelle halt’ ich Rast.

Der Weg war steil und heiß und lang,
Und so ganz allein wird mir oft bang’.

Doch rast’ ich gewiß nicht länger, als ich
Zum lieben Gott hier bete für Dich.

Nur wenige Stunden – dann bin ich bei Dir. –
So lang’ bleib’ Du, lieber Gott, bei ihr!

 Fr. Hofmann.




Aber blos dafür und deshalb zu leben? Nein, ich sehe daheim zuviel Glück, zuviel beseligendes Zusammensein und Zusammenwirken – was hilft mir der Ruhm, wenn er mich einsam läßt?“

„Aha, da haben wir ja die Bescheerung, die ganze hausbackene Quintessenz deiner Erziehung! Wie es dieses Fräulein Lukas selbst unablässig erstrebt und schließlich durchgesetzt hat, so wirst Du es auch machen – Du willst Dich verheirathen.“ Sie lachte in verletzendem Spott hell und schneidend auf.

Das köstliche Carminroth auf den Wangen des jungen Mädchens breitete sich plötzlich bis an die Haarwurzeln der Stirn; es lief selbst über den schneeweißen runden Hals hinab. „Du lachst und spottest, als sei es Dir nie eingefallen, dasselbe zu thun,“ sagte sie entrüstet, aber mit unwillkürlich gedämpfter Stimme, „und doch –“

Flora streckte so rasch die Hand aus, als wolle sie die schönen Mädchenlippen zupressen. „Bitte, kein Wort weiter!“ rief sie gebieterisch. Sie verschränkte die Arme wieder unter dem Busen und neigte langsam zustimmend den Kopf. „Ja, mein sehr weises Fräulein, ich war allerdings für einen Moment so schwach und verblendet, mir ein Netz überwerfen zu lassen, aber Gott sei Dank, der Kopf ist wieder draußen; er ist klar und stark genug, sich die Freiheit zurück zu erobern.“

„Und hast Du gar kein Gewissen, Flora?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_129.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2018)