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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

In der That kann nichts leichter sein, als an die Betrachtung der Verdauungsorgane Vorschriften über Essen und Trinken anzuschließen, an die Vorführung der Lungen die Forderung zu knüpfen, auf reine, sauerstoffreiche Luft zu halten, oder bei der Lehre von den Sinnesorganen auf die Pflege der Augen hinzuweisen und Anderes.

Unter den plastisch-anthropologischen Lehrmitteln für Schulen nun ragt vor allen der „Torso“ hervor. Das ist ein Kindeskörper ohne Kopf, Arme und Beine, welcher einer Venusstatue nachgegossen und in Gyps höchst künstlich ausgeführt ist. Er kann so auseinander genommen werden, daß man die zwei Körpertheile mit den Bauch- und Brusteingeweiden sieht; ferner kann man an ihm Leber und Magen so abheben, daß diese Organe weiter nach hinten verfolgt und Nieren und Bauchspeicheldrüsen wahrgenommen werden können; auch der Durchschnitt der Leber mit den verschieden gefärbten Adern (rothen, bläulichen und violetten) ist dann erkennbar. Durch einen dritten senkrechten Durchschnitt am Torso werden uns die Lungen in ihren Verzweigungen sichtbar.

Von manchen Theilen des menschlichen Körpers ließ Professor Bock sowohl umfangreiche Einzelpräparate, welche zum Gebrauch vor großen Classen sehr geeignet sind, wie auch kleinere, leicht in die Hand zu nehmende anfertigen, so: Herz und Lungen, Herz und Adern, die Luftröhre mit den Lungen, den Kehlkopf in mancherlei Gestalt, ferner Quer- und senkrechte Durchschnitte des Gehirns. Nicht minder künstlich, sauber, naturgetreu und für praktische Unterweisung höchst zweckdienlich sind die Präparate Bock’s, welche Hand und Fuß des menschlichen Körpers, seine Nerven, das Auge, das Ohr, die Haut darstellen.

Wir sehen, Professor Bock hat dafür gesorgt, daß der Mensch sich selbst kennen lerne, inwendig und auswendig – zum Heile seiner Gesundheit. Die Schule erkannte die Bock’schen Veranschaulichungsmittel längst als vorzüglich an. Vielleicht verwirklicht sich auch der Gedanke des Professor Bock, daß „jede Familie so einen Torso besitze“. Denn die plastischen Darstellungen, auf die hinzuweisen heute eine Pflicht ist, bilden zugleich die Krone des Werkes, welches in tausenden von Familienbibliotheken aufgestellt ward: des Buches vom gesunden und kranken Menschen. Die plastisch-anthropologischen Lehrmittel sind für die Schule beim Unterricht unentbehrlich, beim Studium des Bock’schen Buches in der Familie aber wünschenswerth, weil ergänzend zu den Abbildungen.

Julius Kirchhoff.




Giftige Kleidungsstoffe der Neuzeit. Die Mode ist eine unumschränkte Herrscherin, die eine fast unbedingte Unterwerfung verlangt; sie besitzt keinen Sinn für Aesthetik, und ihr strenges Regiment äußert sich nur in einem launenhaften Wechsel der Farben, Muster, Formen und Stoffe. Hat es die Mode befohlen, so sieht man bei den Damen die unglaublichsten Façons, ja, sie zaubert selbst neue Körpertheile hervor, wo früher eine natürliche Leere war. Die Männer ertragen das ihnen hierdurch auferlegte Fatum mit stummer Resignation, und zwar aus einem leicht zu erklärenden Grunde: sie sind in diesem Punkte machtlos. Soweit nun die Mode sich mit unschuldigen Stoffen befaßt, wollen wir fügsam sein und uns gegen die strenge Gebieterin nicht auflehnen, aber ein anderer Fall tritt ein, wenn sie den Sinn der Damen mit Gift zu bethören sucht – dann können wir nicht schweigen.

Wie entrüstet war die Männerwelt und insbesondere die sachverständige, als die Mode sich nicht genirte, in die Ballkleider junger Mädchen Schweinfurtergrün zu streuen und sie in diesem giftdurchgrünten Tarlatane tanzen zu lassen. Es entstand hiergegen eine gewaltige Opposition, und das Schweinfurtergrün wurde bis in die Tapeten und Lampenschirme verfolgt.

Dank der von allen Seiten entwickelten Energie ist der Gebrauch dieser arsenikhaltigen Farbe mehr und mehr beschränkt worden, und die vielen Publicationen in der Tagespresse und den Fachblättern haben den Nutzen gestiftet, daß sich heute noch Jedermann bei Anschaffung grüngefärbter Gegenstände in Acht nimmt. Doch die erfindungsreiche Mode hat es verstanden, dem verhaßten und verfolgten Gifte, dem Arsenik, eine neue Farbe als Begleiterin zu geben, die den giftigen Gefährten unter einem sehr ansprechenden Violett verbirgt.

In den letzten Jahren haben nämlich elsässer und englische Firmen eine Mischung von essigsaurer Thonerde und Glycerinarsenik beim Färben der Baumwollenstoffe als Fixirungsmittel angewandt, um dadurch das weit kostspieligere Eiweiß zu sparen und der Concurrenz gegenüber eine möglichst billige Waare herzustellen. Die bei der oben angeführten Mischung entstehende arseniksaure Thonerde bleibt an der Zeugfaser haften, und sollen manche Baumwollenzeuge nach den Analysen von Professor Gintl auf die Elle fünfzehn bis fünfundzwanzig Gran Arsenik in Verbindung mit Thonerde enthalten. Vorzugsweise sind es Baumwollenzeuge und Battiste von prächtiger, neuvioletter Farbe, mit weißen Punkten, Ringen, Sternchen oder Blümchen bemustert, aber auch solche, die mit braungelben und rothbraunen Mustern bedruckt sind. Die Proben, die Professor Gintl in Händen hatte, gaben schon durch einfaches Einlegen in Wasser an dieses eine deutlich nachweisbare Menge Arsenik ab. Offenbar war das Zeug nach dem Bedrucken nicht gewaschen und gespült, sondern sofort appretirt worden. Um die so billige Waare nicht zu vertheuern, unterlassen die Fabrikanten das Waschen derselben, auch würde bei dieser Operation ein theilweises Ausgehen der Farben stattfinden, was ebenfalls gegen ihr Interesse ist.

Der obengenannte Chemiker warnt vor dem Tragen derartiger Kleidungsstoffe, da sie, wo nicht zu acuten, doch leicht zu chronischen Arsenikvergiftungen Veranlassung geben können. Im vorigen Sommer ereignete sich im Holsteinischen ein Fall, der auf eine Vergiftung solcher Art schließen ließ und den ich hier mittheilen will:

Eine Dame in einer kleinen holsteinischen Stadt litt in früheren Jahren an einem chronischen Magenleiden; ihr Zustand besserte sich jedoch in den letzten Jahren sehr; sie erhielt eine bessere Gesichtsfarbe und nahm auffallend an Corpulenz zu. Im Laufe des vergangenen Sommers verlor sie allmählich den Appetit, bekam ein erdfahles Aussehen und klagte über kolikartige Schmerzen, sodaß der sie behandelnde Arzt zunächst der Ansicht war, das alte Magenübel habe sich wieder eingestellt. Gegen diese Ansicht protestirte aber die Patientin auf das Lebhafteste, indem sie behauptete, die Schmerzen säßen tiefer im Leibe, und sie seien ganz anderer Natur als die früher gehabten Magenkrämpfe. Zufällig fällt dem Arzte eine Zeitungsnotiz in die Hände, worin vor dem Ankaufe gewisser neuvioletter Baumwollenzeuge gewarnt wird, da sie arsenikhaltig seien. Und richtig! er findet in einem violetten Kleide, das die Dame im Sommer getragen, eine erhebliche Menge Arsenik. Natürlich mußte der Arzt, nach den angegebenen Krankheitssymptomen, eine Arsenikvergiftung annehmen. Es ist dieser Fall jedenfalls beachtenswerth genug, um zur Warnung des Publicums zu dienen. Das Kleid war von einer bekannten und bedeutenden Firma in Hamburg gekauft worden, und der Verkäufer hatte keine Ahnung von dem Giftgehalte desselben.

Ich ließ aus dem nämlichen Geschäfte fünf Proben entnehmen, um mich von dem Arsenikgehalte der fraglichen neuvioletten Stoffe selbst zu überzeugen, und fand in dreien Arsenik, und zwar in den billigsten von diesen. Mit reinem Wasser konnte ich aus dem Zeuge kein Gift ausziehen, wohl aber durch alkalisches Wasser und ebenso durch verdünnte Säuren. Es scheint demnach bei der Fabrication dieser Stoffe etwas mehr Sorgfalt verwendet worden zu sein, als bei denjenigen, die Professor Gintl untersucht hat. Sie sollen übrigens, wie mir mitgetheilt wurde, aus einer Fabrik im Großherzogthum Baden stammen, und wäre demzufolge diesem nicht zu billigende Fabricationsmethode von dem Elsaß auch schon auf altdeutschen Boden übergetreten.

Das Verfahren der Fabrikanten, die sich verleiten lassen, zur Fixirung der Farben ein gefährliches Gift in Anwendung zu bringen, während ein ungefährlicher Stoff dieselben Dienste leisten würde, verdient eine öffentliche Rüge; denn es liegt kein anderer Grund zu dieser Handlungsweise vor, als durch Verwendung einer billigeren Substanz eine äußerst wohlfeile Waare herzustellen, die jede Concurrenz besiegt und die Taschen der Fabrikanten mit Geld füllt.

Wir kennen aber noch ein anderes Interesse, das wir heilig halten und höher stellen als das des Gelderwerbes – es ist das Interesse für die Gesundheit unserer Mitmenschen.

Dr. Julius Erdmann.




„Herrn Graf’s Reisebriefe und Tagebücher von Albert Brendel“. Wer die drei gelben Hefte vor sich hat, ersieht sogleich an den Vignettenbildchen, welch’ ein Schalk dahinter steckt. Denjenigen unserer Leser, welche schon seit den ersten fünfziger Jahren sich an den „Fliegenden Blättern“ erfreuen, geht mit Herrn Graf’s Wiedererscheinen eine alte liebe Erinnerung auf; zwei Gestalten stehen wieder vor ihrem geistigen Auge, denen sie einst mit ungeheurer Heiterkeit nachgegangen; kurz, die Reisen, über welche Albert Brendel jetzt gesammelte Briefe und Tagebücher (München, bei Braun und Schneider) veröffentlicht, sind in den „Fliegenden Blattern“ gemacht worden, und zwar nach London, zur Weltindustrie-Ausstellung, 1851, nach Berlin 1855, nach Hamburg und Helgoland 1857, an den Rhein 1860 und nach Wien 1868.

Herr Graf und sein Freund, der Maler Kohle, Beide aus Pirna („Bärne“), gehörten, wie Eisele und Beisele, damals zu den Lieblingsfiguren der komischen Bilderwelt, und Brendel versteht es, wie Wenige, im trockensten Elbphilistertone die wunderlichsten Abenteuer seiner ewig unbehülflichen und gepudelten Helden mit einem Humor zu erzählen, der uns nicht aus der behaglichsten Stimmung kommen läßt. – In London wird das Paar der Königin vorgestellt. Herr Graf erzählt: „‚Eure Magehsteht.‘ sagte ich, ‚werden recht sehr entschuldigen, aber –‘ wie ich aber weiter reden wollte, fing Prinz Albert fürchterlich an zu lachen und Madam Vikthorijan sagte: ‚Ah so, Sie sind Deutsche?‘ – ‚Nein, entschuldigen Sie,‘ sagte ich, ‚wir sind aus Pirna bei Dresden.‘ sagte ich. Da lachten sie, ich weiß aber nicht, warum etc.“ – Auf der Rheinreise erzählt er so rührend die Geschichte von dem „Lorchen Lei“ und recitirt sein Leiblied:

„Es hat weiter nichts zu bedeiten,
Daß ich so traurigt bin,
Ein Mädchen aus alten Zeiten,
Die will mir nicht in den Sinn.“

Mit welcher geschichtlichen Treue schildert er, wie schon die braunschweigischen Kreuzritter nicht ohne eine lange Schlackwurst und ein Fäßchen Mumme in den Krieg zogen; wie, bildlich prächtig dargestellt, in der Gegend von Hamburg sich, wegen der vielen Fische, die Angelsachsen ansiedelten, bis sie Karl der Große vertrieb, um selber hier zu angeln, – und wie jubelt Herr Graf – nicht in der Kaiserstadt Wien, sondern in dem „Wien, wo die schönen Damen blih’n.“ – Inhalt, Illustrationen und Ausstattung halfen hier zusammen, daß dem Buchhandel durch A. Brendel eine gesunde und wohlbekommende Gemüthskost in die Hand gegeben werden konnte. Möge sie so harmlos, wie sie ist, begrüßt und genossen werden!



Kleiner Briefkasten.


Kl. in Wbg. Die im Januarhefte 1876 unseres Blattes gebrachte Notiz „Schutz den Krähen“ bezieht sich nicht, wie angegeben wurde, auf den Borkenkäfer (Bostrichus typographus), sondern vollinhaltlich auf den ebenso schädlichen Fichten-Rüsselkäfer (Curculio pini).

C. W. in Königsberg. Das Manuscript „Die Verlobung des Prinzen Friedrich“ eignet sich nicht zur Aufnahme. Wir bitten darüber zu verfügen.

Forsthaus M. bei H. Bitte um deutliche Angabe Ihres Namens. Wann und wo wollen Sie dem Redacteur dieser Blätter als Führer gedient haben?


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_140.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)