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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

voll murmelnder Quellen und Wasseradern. Die durchschnittliche Höhe des obersten Laubdaches beträgt fünfundzwanzig bis dreißig Meter und scheint nirgends unter zwanzig Meter herabzusinken. Mächtige Gewächsformen, welche unsere ältesten Baumriesen an Gewaltigkeit des Stammes weit übertreffen, erheben sich über alle anderen; großblättrige Baumgestalten treten dazwischen; sperrig verzweigte Sträucher, deren zum Theil riesiges Laub die Düsterheit des Kronendunkels vermehrt, verdecken dem Auge fast die höheren Wipfel, und undurchdringliche Staudenmassen füllen die übriggebliebenen Lücken in diesem großartigen Laubgewölbe. Endlos gefiederte Wedel wunderbarer und riesig entwickelter Farne scheinen gleich leichten Schleiern über die unendlichen Schätze in diesem großen Füllhorn der Natur geworfen zu sein und verleihen dem Ganzen einen bezaubernden Wechsel greller Gegensätze. Unzählige Schlingpflanzen verketten und verschlingen Bäume und Zweige dieser über alle Beschreibung prachtvollen, paradiesischen Wälder. Die Luft, welche man einathmet, ist die eines Treibhauses; denn bei einer Wärme von zwanzig bis fünfundzwanzig Grad herrscht hier eine beständig dumpfe Feuchtigkeit, von dem Hauche des Lebens selbst erzeugt, welcher zu entweichen man nicht vermag. Diese Waldungen sind es, welche eine bevorzugte Heimstätte des Schimpanse bilden, und in ihnen kommt er ebenso wenig wie der Orang-Utan zum Boden herab: sie bevorzugt er vor allen übrigen des uns bis jetzt bekannten Nilgebietes, unzweifelhaft einzig und allein aus dem Grunde, weil sie ihm ein fast ausschließliches Baum- und Kletterleben ermöglichen.

Auf dem Boden sind die Menschenaffen zwar nicht fremd, bewegen sich hier auch keineswegs plump, täppisch und langsam, aber doch nicht entfernt so geschickt und bei weitem weniger ausdrucksvoll und selbstbewußt als im Gezweige. Allerdings können sie sich zu ihrer vollen Höhe erheben und aufgerichtet auf beiden Füßen allein eine Strecke gehen, thun dies jedoch immer nur ausnahmsweise. Falls die uns bis jetzt gewordenen Berichte wahr sind – und unsere durch sorgfältige Zergliederung gewonnene Kenntniß des Leibesbaues dieses Riesenaffen scheint jene Berichte zu bestätigen – geht der Gorilla am leichtesten aufrecht. Unter den drei übrigen, welche ich sämmtlich wenigstens als gefangene Thiere habe beobachten können, ist der Tschego der beste, der Orang-Utan, wie seine langen Arme vermuthen lassen, der schwerfälligste Fußgänger. Dem Tschego genügt es, zur Erhaltung des Gleichgewichts beim aufrechten Gehen die Arme zu kreuzen; der Schimpanse muß schon die im Armgelenke abgebogenen Hände seitlich vom Kopfe ab und nach oben wenden, um das Gleichgewicht herzustellen; der Orang-Utan geht, ungereizt, blos dann aufrecht, wenn er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhalten kann, gebraucht dann aber niemals einen Stock, wie viele Abbildungen uns glauben machen wollen. Beim Durchmessen weiterer Strecken gehen alle Menschenaffen auf Händen und Füßen, dann aber, so holperig ihr Gang auch aussieht, immerhin schneller als der Mensch. Dieses Gehen geschieht mit schiefer Richtung des Leibes, indem sich der Affe mit den Händen auf die eingeschlagenen Knöchel, mit den Füßen mehr auf die äußere Kante als auf die Sohle stützt und entweder ein Hinterbein zwischen die Vorderarme und eins außerhalb derselben setzt, oder beide Hinterbeine zwischen den Vorderarmen durchschiebt. Je länger seine Arme sind, um so mehr richtet sich der Vorderleib auf, um so wackeliger und schwankender aber wird auch der Gang. Ungeschickt bleibt er immer.


(Schluß folgt.)




Blumenzucht im Zimmer.


Im vorigen Jahrgange dieser Blätter gab ich in Nr. 17 allgemeine Vorschriften, wie und unter welchen Vorbedingungen Pflanzen in bewohnten Räumen gezogen werden können. Anknüpfend an dieselben, will ich heute einige der wichtigsten Verrichtungen besprechen, auf welche es bei der Blumenzucht vorzüglich ankommt und wobei am meisten gefehlt wird. „Ich habe keine glückliche Hand,“ heißt es, wenn die Blumen nicht gedeihen. Es sollte aber lieber heißen: „Ich gebe mir keine Mühe, verlange, daß die Blumen sich fügen, wie ich will, statt die natürlichen Gesetze zu befolgen, welchen sie unterworfen sind.“

Das Wichtigste bei der Blumenpflege ist das Begießen. Begießen heißt hier soviel wie die tägliche Nahrung reichen und die in der Erde enthaltenen, theils schon in den Zellen der Pflanze abgelagerten Nahrungsstoffe löslich machen. Aber das Wasser macht nicht nur Nahrung löslich, sondern ist zum Theile selbst Nahrung und bildet einen wesentlichen Bestandtheil der Pflanze. Was wir bei den Blumen Saft nennen, ist nichts Anderes, als Wasser, zuweilen ziemlich rein, häufiger mit Salzen und Kohlensäure etc., im Rücklaufe (absteigendem Safte) mit Kohlenstoff (Holzstoff) vermischt. Der aufsteigende Saft bildet aus dem abgelagerten Reservestoffe in den Knospen Blätter, Blüthen etc., nimmt durch die Blätter, im Austausche gegen den bei Sonnenlicht an die Luft abgegebenen Sauerstoff, Kohlensäure auf und wird so zum Bildungsstoff (Cambium), welcher, abwärts steigend, das Wachsthum in die Stärke bewirkt, wie wir an den alljährlich sich bildenden Holzringen am deutlichsten sehen. Hieraus geht hervor, wie wichtig im Pflanzenleben das Wasser, bei unseren Zimmerblumen das Begießen ist.

Die erste Bedingung bei dem Begießen ist, daß das Wasser von guter Beschaffenheit sei. Dies bezieht sich sowohl auf die Temperatur, wie auf die chemische Zusammensetzung desselben. Man verwende nie Wasser, welches eine niedrigere Temperatur, als die Luft hat, nie kaltes, sogenanntes frisches Wasser. Es ist ein unseliger Irrthum, daß Wasser, welches Menschen und Thiere durch seine Frische erquickt (wenn es ihnen auch recht oft schadet), auch die Pflanzen erfrischen müsse. Im Gegentheile: je abgestandener, je lauer das Wasser, desto zuträglicher ist es für die Pflanzen. Wasser von über fünfzehn Grad, ja über fünfundzwanzig bis zu dreißig Grad ist zum Begießen besser geeignet, als kälteres. Durch kaltes Wasser kann man Pflanzen sofort krank machen, um so eher, je wärmer die Luft, je durchwärmter die Erde in den Töpfen ist. Man begieße daher auch im Sommer mit Wasser, welches eine Zeit lang gestanden hat, und wenn solches nicht vorhanden ist, mit durch Zugießen von heißem Wasser erwärmtem. Eine Temperatur, welche den eingetauchten Finger angenehm lauwarm berührt, bekommt den Pflanzen am besten. Für Gewächse aus heißen Gegenden ist selbst eine Wärme von über dreißig Grad besser, als von unter zwanzig. Allerdings können manche Pflanzen auch kaltes Wasser vertragen, wenn sie in kühlen Räumen stehen. Aber der im Freien den Winter aushaltende Epheu wird durch Gewöhnung an die Temperatur des Wohnzimmers ebenso wärmebedürftig, wie die Palme. Manche tropische Pflanzen gedeihen nur dann üppig, wenn sie immer mit Wasser über dreißig Grad begossen werden. Dadurch erklären sich die außerordentlichen Erfolge, welche Manche mit Zimmerpflanzen haben. Soll eine Pflanze zu einem gewissen Tage blühen, früher, als sonst zu erwarten ist, so kann dies (freilich nicht sicher) durch regelmäßiges Begießen mit wärmerem Wasser erreicht werden. Möchte man z. B. eine Camellie, welche schon Farbe an den Knospen zeigt, etwa zu einem Geburtstage in vier bis fünf Tagen zur Blüthe bringen, so würde eine Unterbringung der Pflanze in einen viel wärmeren Raum das Abfallen der Knospen bewirken, ein Begießen mit warmem Wasser dagegen meistens zum Ziele führen. Es sei jedoch ausdrücklich bemerkt, daß das Gießwasser für Pflanzen in nur frostfreien Räumen gestanden zu haben, aber nicht warm zu sein braucht.

Die chemische Beschaffenheit des Wassers kommt nur insofern in Betracht, als stark kalk- und gypshaltiges, sogenanntes hartes Wasser zum Begießen für zahlreiche Pflanzen, z. B. Azaleen, Camellien, Haiden, untauglich ist, gewöhnlichen Blumen aber, als Fuchsien, Geranien, selbst Palmen, nur dann schadet, wenn Kalk im Uebermaße darin ist. Wer kein anderes Wasser haben kann, begieße die genannten und ähnlichen Pflanzen nur mit abgekochtem oder einige Tage der Luft ausgesetzt gewesenem, besser mit fließendem (Bach-, Fluß-) Wasser. Rührt man unter einen Eimer harten Brunnenwassers einen Eßlöffel voll Potasche,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_163.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)