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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

schiffbar zu sein, münden zwei der wichtigsten Canäle der Vereinigten Staaten, ja der Erde, ein. Der Erie-Canal, auf dessen ebener Wasserstraße der Reichthum, die Ueberfülle des fernen Westens an Getreide und Bauholz, sowie landwirthschaftliche und andere Maschinen den östlichen Staaten und die Cerealien sogar der ganzen Welt zugeführt werden, während auf demselben nassen Wege dem ackerbautreibenden Westen, vom Süden, von New-York her, die Colonialwaaren, Baumwolle etc. zugeleitet werden. Der Champlain-Canal, welcher die Verbindung (zu Wasser) des Hudson, also New-Yorks, mit dem St. Lorenz, mit Quebec und Montreal herstellt.

Außer den Producten, die durch die Canäle der Schifffahrt des Hudson zugeführt werden, ist aber auch der Localschiffsverkehr ein ungemein reger. An den Ufern des Stromes sieht man gewaltige Ziegeleidistricte, die täglich mehr als vier Millionen Steine liefern, dann, von Rondout aufwärts bis Malden, große Thonschieferbrüche, welche die meisten Städte des Ostens der Vereinigten Staaten mit Trottoirplatten versehen; dieser Handelsartikel allein beschäftigt eine eigene kleine Flotte von Schaluppen und Schoonern, deren Hauptauslaufehäfen Rondout und Saugerties sind. Rondout ist außerdem noch ein Fabrikationsort von Cement und Kalk in ganz erheblichem Maße. Eine Fabrik allein fabricirt täglich über fünfzehnhundert Fässer dieses Artikels, und zusammen werden von Rondout aus zwischen zweitausendzweihundert bis zweitausenddreihundert Fässer Cement und Kalk täglich auf den Markt gebracht.

Auch die rein industriellen Producte des Menschengeistes haben an dem großen Strome manche Erzeugnißquelle gefunden; Friedens- und Kriegsmaschinen werden in vielen und großartigen Fabriken hergestellt. An große Maschinenfabriken sind Peekskill, Poughkeepsie, Newburgh, Albany und vor Allen Troy zu nennen; Cold Spring liefert die Parrot-Kanonen, welche im letzten Rebellionskriege eine so gewichtige Stimme führten. Jede Biegung des Flusses, jede Ortschaft, die seine malerischen Ufer belebt, zeigt neue Niederlassungen des menschlichen Fleißes, und sie alle tragen dazu bei, die Schifffahrt des Stromes zu nähren.

Um nun in kurzer statistischer Uebersicht den Lesern der Gartenlaube noch in Zahlen zeigen zu können, wie bedeutend der Handel auf dem Hudson ist, folge ich dem Berichte des Finanzministers S. P. Chase an den Congreß vom 24. Juni 1864. Ich wähle gerade diese Zeit, weil der Handel des Binnenlandes damals wegen des noch herrschenden Bürgerkrieges im Süden gegen den Importhandel, den transatlantischen Handel zurückstand gegen andere Jahre, andererseits aber seitdem der Importhandel durch Geschäftskrisen und Zollerhöhung bekanntlich so im Verhältnisse abgenommen hat, daß das Jahr 1862 bis 1863 für die Vergleichung des Handels auf dem Hudson mit dem überseeischen Handel recht eigentlich als Normaljahr gelten kann. Nach Chase war die gesammte Einfuhr von Handelsgütern in die Vereinigten Staaten im Jahre 1862 bis 1863 7,255,076 Tonnen (1 Tonne gleich 20 Centner), der Betrag der transatlantischen Einfuhr aber 3,931,072 Tonnen.

Der Handel auf dem Hudson River für dieses Jahr läßt sich ebenfalls theilweise aus Chase’s Bericht zusammenstellen. Chase berücksichtigt bei der Zusammenstellung der Zahlen, welche er angiebt, nur die Güter, die dreihundert Meilen oder mehr Weg zurücklegen müssen, um New-York zu erreichen. Somit hat er den Localverkehr von Albany, Troy und all den Ortschaften am Hudson selbst mit der großen Stadt an der Mündung mit keiner Zahl erwähnt. Ich werde also den Angaben von Chase noch den Betrag dieses Localverkehrs hinzufügen.

Im Jahre 1862 bis 1863 bewegten sich auf dem Hudson von und nach den Canälen an Tonnen  3,400,057
Der Localflußverkehr und der Schiffshandel, der die Güter umfaßt, welche innerhalb einer Entfernung von 300 englischen Meilen von der Stadt New-York aus diesem Hafenplatz zuflossen, betrugen nach dem Bericht des New-Yorker Staatssecretärs für dasselbe Jahr an Tonnen 4,130,433
Wir erhalten demnach als das Gesammtergebniß des Tonnengehalts der Schifffahrt des Hudson 7,530,490

Das heißt mit anderen Worten: der Gesammtflußhandel des „amerikanischen Rheins“ ist bedeutender als der Importhandel aller Länder der Welt mit den Vereinigten Staaten.

Ja der Localverkehr, ohne den Handel des Westens, der auf den Canälen sich in den Hudson ergießt, überstieg die Tonnenzahl des transatlantischen Einfuhrhandels noch um ein Beträchtliches.

Von den Eisenbahnen, welche den Flußufern entlang führen, und welche vom Lande aus an dieselben herankommen, will ich heute nicht sprechen, denn sie gehören mehr zur Betrachtung des Handels des ganzen Flußthales, als des Stromes selber.

Sieht man die große, mächtige Fläche des Hudson in der tropischen Gluth des amerikanischen Sommers daliegen, bedeckt mit Hunderten von Schiffen und Dampfern, so kann man sich kaum denken, daß, nur wenige Monate später, dieses Bild ein so ganz anderes sein soll. Statt der glitzernden, belebten Wasserfläche breitet sich dann auch eine glitzernde oder weiße, auch belebte, aber starre, feste Eisdecke vor dem Blicke aus. Denn der Hudson friert jeden Winter so weit zu, wie derselbe frisches Wasser enthält – der salzige Theil desselben, unterhalb Croton, kommt nur selten dazu. Das Eis des Flusses, von Peekskill bis Albany, wird desto dicker, je weiter nördlich man dasselbe untersucht. Bei Peekskill wird es etwa zwölf Zoll, bei Poughkeepsie fünfzehn bis achtzehn Zoll, bei Hudson schon zwei Fuß dick. Diese Eisdecke bildet dann für den Verkehr eine sichere, feste Brücke, über welche die schwersten Lastwagen oder Schlitten ungefährdet von Ufer zu Ufer fahren können. Schreiber dieses hat in einem Schlitten von Rondout nach der gegenüberliegenden Eisenbahnstation Rhinebeck schon acht Tonnen oder hundertsechszig Centner fahren sehen.

Das Eis, sollte man denken, legt dann aber doch im Wesentlichen allen Handel brach, bis die Frühlingssonne das Flußbett wieder öffnet? Aber im Gegentheil! Mit dem Festwerden des Eises belebt sich ein ganz neuer, großer Industriezweig, den man, wenigstens in so großem Maße, hier in Europa gar nicht kennt. Es ist das Eisschneiden und ‑einhausen – der Eishandel. Er fängt am Hudson etwa am 1. Januar an, da das Eis ungefähr am 15. December fest wird, das heißt aufhört zu schieben und zu rollen. Dabei finden von Peekskill bis Troy etwa sechs Wochen lang über 5000 Menschen und 150 Pferde lohnende Beschäftigung. Am Hudson werden jede Winter zwischen zweiundeinhalb bis drei Millionen Tonnen Eis gewonnen.

Welchen Umfang der Eishandel Amerikas angenommen hat, beweist der Umstand, daß im Jahre 1870 eine Firma Bostons, welche mit tropischen Ländern Eishandel treibt, allein für Stroh, welches zur Verpackung diente, 60,000 Dollars ausgegeben hat.




Blätter und Blüthen.


Entgegnung. In Nr. 5 der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1876) ist der Lebensversicherungsbank für Deutschland zu Gotha in einer Nachschrift zu der von Herrn Dr. Gallus, Director der Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft, verfaßten Mittheilung eines Beispieles von betrügerischem Mißbrauche der Lebensversicherung der Vorwurf gemacht, daß sie ihrerseits gegen solchen Mißbrauch zu ängstlich sei und in nicht angemessener Weise sich zu schützen suche. Das Schutzmittel, welches der Verfasser dieser Rüge mißbilligt, besteht darin, daß die Verwaltung dann, wenn weder der Agent, noch der untersuchende Arzt diejenige Person kennt, welche sich zur Versicherung meldet, über die Aufnahmefähigkeit derselben solche Mitglieder der Bank befragt, von denen angenommen werden kann, daß sie aus eigener Wissenschaft, oder nach gewissenhafter Erkundigung zuverlässig über gewisse, dem Laien überhaupt zugängliche, für die Aufnahme in Betracht kommende Momente werden sich äußern können und wollen. Das Recht, ja in gewissem Sinne die Pflicht, die Genossen bei der Erweiterung der Mitgliederzahl in irgend einer Weise mitwirken zu lassen, wird einer Genossenschaft im technischen Sinne des Wortes Niemand bestreiten. Ja man hält es für selbstverständlich, daß z. B. die Verwaltung eines Vorschußvereines, wenn eines seiner Mitglieder Credit verlangt, sich vor der Gewährung bei anderen Mitgliedern über die Creditwürdigkeit des betreffenden Genossen erkundigt. Warum in aller Welt soll es verwerflich sein, daß eine auf Gegenseitigkeit begründete Lebensversicherungsanstalt, welche doch, wenn nicht der Form, so dem Wesen nach einer modernen Genossenschaft durchaus ähnlich ist, sich bei Aufnahme neuer Mitglieder ebenfalls der Mitwirkung ihrer alten Mitglieder bedient? Der von Herrn Dr. Gallus erzählte Fall macht den erheblichen Werth, welchen eine derartige Mitwirkung geben kann, am besten deutlich. Sollte eine auf Gegenseitigkeit begründete Anstalt, welcher diese Mitwirkung ihrer Verfassung nach zur Verfügung steht, darauf verzichten dürfen? Wenn sie darauf verzichtete, würde man sie mit Recht des Leichtsinns zeihen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_187.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)