Seite:Die Gartenlaube (1876) 287.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

um die Tochter des Löwenwirthes werben. Schon nach fünf Monaten wurde das Paar „durch priesterliche Hand ehelich getraut“. Caspar Schiller hatte in Ludwigsburg ein Examen bestanden und war Bürger in Marbach geworden, um daselbst seine Heilkunst zu betreiben. Das Verzeichniß der beiderseitig in den Ehestand eingebrachten Sachen ist erhalten. Dreihundertdreißig Gulden sechsundfünfzig Kreuzer betrug die Habe des Mannes; den größten Theil davon bildeten seine Ersparnisse an baarem Gelde; von Werthsachen sind besonders angeführt „ein mit Silber beschlagener Stock, ein silbern Halßschloß, ein silbern Pettschaft“. Die Bibliothek bestand aus sechs medicinischen Büchern, einer Schrift mit dem Titel „Erkenntniß sein selbst“ und einem „württembergischen Gesangbüchle“.

Jungfer Kodweisin brachte „Liegenschaften“ ein und nöthigen Hausrath. Das Verzeichniß ihrer Garderobe ist nicht unbedeutend und zeigt, daß sie nach Kräften der Mode huldigte; sogar „ein Paar Beltz-Handschuh“ und „ein Beltzschluppfer“ (Muff) fehlten der jungen Marbacherin nicht. Der Bräutigam hatte auch in einigen Geschenken seiner Huldigung

Das Schiller-Haus in Marbach.

Ausdruck verliehen: „Ein goldener Ring vom Marito verehret“ findet sich verzeichnet, wie „ein Schwarz Daffeten Küttele“. Die erste Anschaffung im jungen Hausstande war für Frau Schillerin „ein schwarz und weiß Cottonener Schurtz, gemeinschaftlich erkauft“. Unter dem Schreinwerke sollte nach gut altdeutscher Sitte auch nicht „ein Hang-Wiegen samt dem Bank“ – fehlen. Dieselbe ist notirt, aber mit dem Zusatze: „so noch anzuschaffen“.

Vier Jahre lebte das Paar friedlich in Marbach, da trat ein Ereigniß ein, welches die Eheleute für längere Zeit trennen und den reiselustigen Wundarzt wieder in das Kriegsleben treiben sollte. Vater Kodweis hatte, wie sein Schwiegersohn in dem „Curriculum vitae meum“ selber berichtet, sich „durch unvorsichtige Handlungen einen solchen Rest in seinen Holzrechnungen zugezogen, daß sein ganzes Vermögen kaum hinreichend war, solchen zu tilgen“. Die Ersparnisse des Schwiegersohnes wurden mit verwendet und demselben dafür die Hälfte von der „Herberge zum Löwen“ zugeschrieben.

Dieser Vorfall machte den Regimentsfeldscheer unmuthig; er wünschte sich von Marbach fort und ließ sich 1753 als Fourier in ein schwäbisches Regiment einreihen. Seine Frau blieb bei den Eltern zurück. Die Trennung war vorläufig keine eigentliche, weil ja das Regiment im Lande blieb und Johann Caspar auf Urlaub kommen konnte; schmerzlicher wurde sie, als Herzog Karl seinen Feldzug gegen Friedrich den Großen begann und Schiller, der inzwischen Fähnrich und Adjutant geworden war, nach Schlesien abmarschiren mußte. Frau Elisabeth Dorothea hatte indessen einen Zeitvertreib erhalten; kurz vor des Gatten Abmarsch in’s Feld war die „Hang-Wiegen“ in ihr Recht gekommen. In derselben schaukelte sie ihr erstes Kind, Christophine. Freud’ und Leid dicht bei einander! – Jetzt aber, obgleich nach langjähriger Ehe zum ersten Male freundliche Kinderaugen Caspar Schiller entgegen lachten, hätte er doch wohl nicht länger wieder in Marbach weilen mögen. Selbst mit den von ihm gebrachten Opfern war die Habe des Schwiegervaters nicht zu erhalten gewesen. Der alte Löwenwirth hatte sein Haus verlassen und mit der Tochter eine Miethwohnung beziehen müssen. So sah sich Johann Caspar doppelt verpflichtet, seinen Erwerb draußen zu suchen. Während das kleine Töchterlein unter der Pflege der sinnigen, poetisch angelegten Mutter gedieh, umtobte den Vater das Kampfgewühl.

In der Schlacht bei Leuthen war er in großer Lebensgefahr. Sein Muth wurde durch die Ernennung zum Lieutenant belohnt, und im April 1758 war er wieder in der Heimath. Jetzt brachte er viele Zeit bei Gattin und Kind zu, theils länger in Marbach anwesend, theils in der Nähe im Quartier. Die Seinigen hatten inzwischen die erste Miethwohnung verlassen und das Häuschen bezogen, in welchem Friedrich Schiller das Licht der Welt erblicken sollte – das „Schölkopfische“. Dasselbe gehörte einem Sekler, welcher der Schillerin die untere Stube eingeräumt hatte. Während Lieutenant Schiller in Würzburg lag, wurde ihm der Sohn geboren, der deutschen Nation ihr herrlichster Dichter.

Wie eng das Gemach, zu welchem vom Hausflur aus zwei Stufen hinauf führen! – Hier hatte nur wenig Platz neben der „gut gehimmelten Bettlade“ der Schillerin und dem riesigen Kachelofen. Die Wände sind holzgetäfelt, die Fensterscheiben rund und bleigefaßt; nur gedämpftes Licht dringt bis zum Hintergrunde. Von der Wand hernieder blickt das Schiller’sche Ehepaar; jene bekannten, guten Bilder, der Vater in Uniform, die Mutter mit der Haube, zieren den geweihten Raum. Das kleine Spinnrad dort sollen die fleißigen Hände Elisabeth Dorotheens gedreht haben, und jener lehnenlose Polsterschemel wird als „Schiller’s, des Karlsschülers, Erkerle“ bezeichnet.

In diesem kleinen Zimmer sind die ersten Gehversuche des Knaben gemacht, der als Mann mit seinem riesigen Geiste Welten umschritt – dort im Hausflur wird er mit der Schwester die ersten kindlichen Spiele getrieben haben. Jetzt leuchtet dem Eintretenden daselbst mit stiller Hoheit die Dannecker’sche Kolossalbüste aus dem Halbdunkel entgegen. „Gedenke, wer Du bist!“

Das Haus hatte im Laufe der Jahre viel bauliche Veränderungen erfahren, je nach dem Gewerbe, das darin betrieben wurde; zuletzt besaß es ein Bäcker, welcher den Eingang auf die Seite verlegt hatte. Nach noch vorhandenen Plänen wurde Alles wieder in seiner ursprünglichen Gestalt hergestellt und zum hundertjährigen Geburtstage Schiller’s eingeweiht. Wie ehemals führt die große Thür, über welcher jetzt die Gedenktafel angebracht ist, von der vor dem Hause sich fast zu einem freien Platze erweiternden Straße, dem Brunnen mit „dem wilden Mann“ gegenüber, in das Schiller-Haus.

Bis zum Jahre 1764 hat Marbach die Schiller’sche Familie in ihren Mauern beherbergt, dann wurde Lorch am Fuße des Hohenstaufen, wohin der „Hauptmann Schiller“ inzwischen versetzt war, diese Ehre zu Theil. Im oberen Stock des Schiller-Hauses ist in zwei Zimmerchen angehäuft, was man bisher als Reliquien hat sammeln können, Geschenke der noch lebenden Familienmitglieder, Bilder, Bücher und Originalbriefe.

Lange hat man des Dichters Geburtshaus nicht beachtet. Erst 1812 wurden von dem Gürtlermeister Franke in Marbach die ersten Schritte gethan, um dasselbe zu constatiren; fünfzehn Zeitgenossen Schiller’s wurden vernommen. Ihre Aussagen bestätigten die Richtigkeit der Annahme, daß Schiller in dem Schölkopf’schen Hause geboren worden sei. Zugleich wurde auch der Gedanke rege, dem großen Dichter in seiner Vaterstadt ein Denkmal zu errichten. Aber viele, viele Kämpfe gab’s, ehe diese Idee sich völlig Bahn brach; Stuttgart, „Schiller’s geistige Wiege“, rivalisirte mit Marbach, welches das „natürliche Recht“ für sich in Anspruch nehmen wollte; die Hauptstadt Württembergs enthüllte am 8. Mai 1839 ihr Schiller-Denkmal – Marbach hatte bis dahin nichts erreicht, als die Anpflanzung der Schiller-Höhe.

Dieselbe liegt südlich vom Orte und war ehedem ein Kalkbruch, das „Schelmengrüble“ genannt. Die Marbacher arbeiteten unentgeltlich an der Herstellung der Anlagen; der König von Württemberg sandte von Hohenheim, wo der Karlsschüler Schiller oft geweilt, Bäume und Sträucher. Der Platz für

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_287.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)