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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Bis Ceylon.
Von F. Deichmüller.
Mit Abbildung.


Im August des Jahres 1874 verließen wir den englischen Hafenplatz auf einem nach Bombay gehenden Postdampfer, fuhren der spanischen Westküste entlang, dem märchenhaften Süden entgegen. Bot uns schon die vom besten Wetter begünstigte Fahrt längs der Küste eines von der Natur so reich gesegneten Landes fast ununterbrochen neue malerische Anblicke und unerwartete imposante Naturscenen, so sollten wir bald noch mehr entzückt werden. Zunächst war es der imposante Anblick, den uns das am Abende des dritten Reisetages erreichte Gibraltar mit seiner majestätischen Felsenfestung, seinem prächtigen Hafen und der terrassenförmig an die steil in’s Meer abfallende Bergeswand hingestreuten Häusermenge – die ganze Landschaft matt erleuchtet vom Silberlichte des Mondes und umflossen von dem eigenthümlichen Zauber der südlichen Nacht – darbot. Einige Tage später das von herrlichen, üppigen Wäldern mit feenhaften Moscheen reizend umsäumte Algier, und dann in fast noch höherem Maße die den ausgeprägt südlichen Charakter tragende Insel Malta mit dem herrlich gelegenen festen La Valette. Wurden so schon durch die ersten Plätze südlicher Länder auch unsere kühnsten Erwartungen übertroffen, so malten wir uns die vielgepriesenen tropischen Gegenden, die paradiesische Natur der indischen Wälder in um so lebhafteren Farben aus. Unsere Erwartungen sollten zwar um nichts getäuscht werden, doch mußten wir erst die unangenehme Kehrseite des tropischen Lebens kennen lernen: das Ungewohnte des Klimas, die überaus hohe Temperatur. Eben waren wir in den Canal von Suez eingelaufen, als auch bald eine so drückende Schwüle eintrat, daß mehr oder weniger bei allen Mitreisenden eine geistige Abspannung die baldige Folge war. Und doch bot die eigenthümliche Umgebung an interessanten und charakteristische Bildern so vieles dar, daß die Aufmerksamkeit doch hin und wieder hier oder dort gefesselt wurde. Hatte schon vorher Port-Said, als die erste ägyptische Stadt, die wir sahen, mit seinem bunten Gewühle von Aegyptern und Arabern in den dem Hafen zunächst gelegenen Theilen unser Interesse in Anspruch genommen, so boten sich jetzt, an den Ufern des Canals, charakteristische Scenen des Wüstenlebens dar.

Eben kam auf der afrikanischen Küste von Westen her, vielleicht aus den gesegneteren Gefilden des Nils, eine Karawane, deren lasttragende Kameele sich dicht am Ufer des Canals zu kurzer Rast lagerten. Doch auch an der allzu großen Magerkeit dieser uns in Deutschland oft in der schönsten Körperfülle gezeigten Thiere spricht sich die spärliche Production des öden Wüstenlandes nur zu deutlich aus. Weiter im Westen aber, intensiv beleuchtet von dem Lichtreflex, der endlosen Sandebene, erschien jetzt Ismaila mit dem prächtigen Schlosse des Khedive, dessen Contouren sich scharf von der tiefen Bläue des Himmelsgewölbes abhoben. Und jetzt, bevor noch die brennende Sonne in parabolischer Form am Horizonte gesunken, zeigte sich gegenüber auf der arabischen Küste das wunderbare Schauspiel einer Fata Morgana.

Erst nach einem kurzen Aufenthalte in Suez, der durch die Gastfreundschaft des dortigen deutschen Consuls für uns zu einem um so angenehmeren wurde, setzten wir die Reise fort und gelangten bald durch den Meerbusen von Suez in’s Rothe Meer.

Bei der andauernden tropischen Hitze und der dadurch gesteigerten geistigen Abspannung sind es nur zwei bemerkenswerthe Punkte, die mir aus dieser Gegend in der Erinnerung verblieben sind, nämlich der nicht weit vom Strande auf der arabische Küste liegende vielbesprochene Berg Serbal (von den neueren Forschern als der eigentliche biblische Sinai bezeichnet), von dem uns sofort die höchste einer größeren Gruppe kegelförmiger Bergspitzen aus leisem Nebel sichtbar war, und das ganz im Süden der arabischen Halbinsel gelegene vielgenannte Mocha mit seinem blendend weißen Häusermeer und den es umgebenden herrlichen Plantagen.

Das Thor der Thränen sollte glücklicherweise für uns eine freudigere Bedeutung haben, denn obgleich wir täglich in südlichere Breiten kamen, sollte doch die bisherige ununterbrochene Schwüle mit Bab el Mandeb ihren Abschluß finden und einer erträglicheren, oft durch kühlende Seeluft besänftigten Temperatur weichen. Noch einmal wurde uns, bevor wir den gesegneteren tropischen Ländern entgegeneilten, durch einen zwar nur kurzen, aber um so interessanteren Aufenthalt in dem südarabischen Aden ein charakteristisches Bild von Natur vernachlässigter, von der sengenden Sonne recht ausgedorrter südlicher Landstrecken vor Augen geführt.

Die arabische Stadt in ihrer eigenthümlichen, dem excentrischen Klima angepaßten Einrichtung mit den stolzen britischen Festungswerken scheint aber auch durchaus dazu angethan, das Unerquickliche des ganzen Landschaftsbildes zu vollenden; nur im Hafen entwickelte sich bei unserer Ankunft ein regeres Leben. Drüben am Strande bemerkte man jetzt größere Abtheilungen lasttragender Kameele, hin und wieder wohl auch einige Straußen, von deren prächtigem Gefieder die Eingeborenen uns ein Andenken verschafften. Inzwischen producircten sich die jugendlichen Sprößlinge der Eingeborenen als vorzügliche Taucher. Sie umlagerten in kleinen schmalen Booten die im Hafen liegenden Dampfer und holten mit großer Gewandtheit kleine von den Passagieren zu diesem Zwecke in’s Meer geworfene Geldstücke heraus.

Doch schon nach einem Aufenthalt von nur wenigen Stunden wurden die Anker gelichtet, und fort ging’s mit gutem Winde und Volldampf unserem nächsten Reiseziele, Bombay, entgegen. Während der mehrtägigen Reise wurde durch die ungemeine Veränderlichkeit der Witterung die oft gewünschte, oft befürchtete Abwechselung geboten. Bald gelangte die tropische Sonne zur unumschränkten Herrschaft und verlieh dem Klima seinen eigentlichen, uns unangenehmen Charakter, wobei sich aber die Bewohner des Meeres recht behaglich fühlen mußten, da ganze Schaaren fliegender Fische unser Schiff fast beständig umschwirrten, hin und wieder sich auch einige auf’s Deck und in die Cabinen verirrten – und dann bezog sich plötzlich das ganze Himmelsgewölbe mit dunkeln Wolkenmassen, und ein heulender Sturmwind peitschte die ungeheuren Wasserwogen wild durcheinander und schaukelte spielend den Koloß unseres Dampfers nach allen Richtungen hin. In dem bald glücklich erreichten Bombay war uns ein achttägiger Aufenthalt verstattet und damit Gelegenheit geboten, die (neuerdings aus anderweitigem Anlasse besprochenen) Sitten und Gebräuche der Eingeborenen etwas näher kennen zu lernen.

Begnügen wir uns, hier mit wenigen Worten eines Ausfluges nach Elephanta zu gedenken. Durch die Freundlichkeit unseres Capitains wurde es uns ermöglicht, mit einem Dampfboote die circa zehn Kilometer vom Festlande entfernt liegende kleine, aber mit herrlicher tropischer Palmenwaldung und wahrhaft üppiger Vegetation gesegnete Insel zu erreichen, und bald befanden wir uns auf der Spitze des Berges, dem Olympe der Indier. Da thronte, kunstvoll in eine kolossale Felsenwand eingehauen, die indische Dreieinigkeit (Brahma, Wishnu, Shiwa), umgeben von den ebenso kunstvoll ausgeführten Statuen der übrigen Götter – ehemals eines der herrlichsten Baudenkmäler eines früheren Jahrtausends, jetzt nur noch eine großartige Ruine; denn bei der Einnahme dieser Insel durch die Holländer wurde auch dieser Wallfahrtsort orientalischer Völker von der Zerstörung nicht verschont.

Bald waren die wenigen Rasttage auf indischem Boden verstrichen, und mit nunmehr fast direct südlichem Course eilte unser Dampfer dem schöneren Ceylon entgegen. Am Morgen des 25. September, bald nachdem die Sonne dem Meere entstiegen, zeigten sich im Südosten die ersten Spitzen des zu erreichenden Landes. Kurze Zeit später wurden immer größere Landstrecken sichtbar. Wir fuhren nun nahe der Küste entlang, und gegen Mittag erreichten wir den Hafenplatz, das auf der Südspitze der Insel westlich gelegene Point de Galle. Ein herrlicher weiter Hafen war es, der uns jetzt aufnahm, die Küste der Insel, von Massen eigenthümlich geformter Felsen gebildet, dehnt sich im Halbkreise um ihn aus. Doch wie bisher noch in keinem der passirten Häfen, herrschte hier eine ungemein hohe See, sodaß alle auch größeren Schiffe, die hier vor Anker lagen, nach allen Richtungen stark schwankten, das unsere aber nach

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_382.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)