Seite:Die Gartenlaube (1876) 384.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Waldes ein Ende; nur mühsam konnte man sich durch das dichter werdende Gebüsch hindurcharbeiten.

Nach längerem derartigen Vordringen gelangte man auf ein herrliches Plateau, von wo aus eine erquickende Rundsicht über einen nicht geringen Theil der im herrlichsten Grün prangenden Insel gestattet war. Rings umgeben von einem schönen Palmenwald, der gesegnete Boden von üppigem Pflanzenwuchs bedeckt, bot dieser Punkt den vollendeten Genuß tropischer Naturschönheit. Lange erquickte sich das Auge an der nie in solcher Vollkommenheit erblickten paradiesischen Gegend, und eine feierliche Ruhe lag über der Natur. Kein Laut eines heimischen Vogels, noch das Rascheln einer Schlange wurde hörbar; kein Lüftchen störte die feierliche Stille des Urwaldes.

Wir können uns nicht versagen, hier eine der vollendetsten Palmengruppen, die uns nie aus der Erinnerung schwinden wird, im Bilde beizufügen, wenn wir auch das Ausmalen der imposanten tropischen Farbenpracht der Phantasie der Leser überlassen müssen.

Die Sonne verschwand eben in tiefem Purpur am klaren Horizont und mahnte zur Rückkehr. Unser Rosselenker hatte sich in einem cingalesischen Wirthshaus am Flusse inzwischen häuslich niedergelassen; auch wir ließen uns von den Eingeborenen ein Schälchen Kaffee bereiten und fuhren dann, noch entzückt von der herrlichen Natur, zurück nach Point de Galle. Die drückende Schwüle des Tages war einer angenehmen Kühle gewichen, und jetzt ließen sich auch hie und da einige buntgefiederte Zweigbewohner, Papageien, sehen, die sich wohl vor der brennenden Sonne verborgen hatten und erst Abends zum Vorschein kamen. Wer diese ideale tropische Natur kennen gelernt hat, der wird gewiß geneigt sein dem Forscher beizustimmen, der das biblische Paradies nach Ceylon verlegt.




Vogelsteller an allen Enden.
Von F. A. Bacciocco.


Jeder kleine Schulbube hat etwas von einem jungen Jagdhunde. Er muß immer auf der Suche sein. Je besser der Knabe physisch bedacht und je gewandter er ist, um so schärfer tritt diese Eigenschaft hervor. Er fängt, selbst kaum flügge, mit dem Sport auf die Zimmerfliege an, wirft sich alsbald auf andere Insecten und kleines Gewürm und feiert seinen ersten großen Nimrodtag, wenn er eine Schachtel voll Maikäfer heimbringt. Der Hang zur Jagd scheint zu den Ureigenthümlichkeiten des Geschlechtes zu gehören, welches es ohne dieselben auch schwerlich so hübsch weit gebracht hätte. In ein neues, höheres Stadium der Jägerei tritt der Knabe, wenn er, ablassend von Maikäfern und Schmetterlingen, sich auf die Vogelstellerei verlegt. Es ist ein gefährliches Stadium für ihn; für seine „wissenschaftlichen Bestrebungen“ nicht minder, wie für Garten und Feld und Wald. Er fängt an, auf eigene Faust in den Wiesen und im Buschwerke herum zu vagabondiren, um fröhliches, oft werthvolles Leben zu zerstören. In nicht seltenen Fällen ist es die Vorstufe und Vorschule für eine Richtung in seinem späteren Leben. Ist der enragirte Nestsucher und Vogelsteller ein Cavalierssohn, so wird er gewiß mit der Zeit ein großer Jäger und Sportsman vor den Herren und Damen; ist er ein Bauernjunge, so geht die Passion nicht selten in einen unauslöschlichen Hang zur Wilddieberei über, und ist er ein Stadtkind, so bringt er die Passion mit heim in die Stube, und er wird ein Vogelliebhaber in gutem oder schlimmem Sinne. In einigen Fällen wird auch aus dem frühreifen Vogelsteller und Jäger ein solider Naturforscher.

Wer ein wenig herumgekommen ist in der Welt, wird gefunden haben, daß die Passion für die Vogelstellerei bei allen Nationen und Volksstämmen und bei Jung und Alt vorhanden ist; nur erscheint sie bei den verschiedenen Racen in verschiedenen Formen. Die Leidenschaft geht nämlich mit dem Verständnisse und mit dem Talente nicht harmonisch Hand in Hand. Ganz verschieden z. B. von der Neigung des Italieners und des Franzosen für die Vogelwelt und Vogelstellerei ist diese Neigung bei dem Deutschen. In Deutschland selbst erscheint sie wieder in Abstufungen und Variationen je nach den Eigenthümlichkeiten der Stämme. Aber von der Lüneburger Haide bis zu den einsamsten Dörfern Tirols wird die Jagd mit der gleichen Hingebung betrieben. Und schier in jedem Gaue und in jedem Reviere (allein auf germanischem Grund und Boden) nimmt das Gewerbe oder die „Kunst“ andere Formen an. Und geht man von diesem auf die benachbarten romanischen Gebiete über, auf Frankreich und Italien, dann steigert sich die Mannigfaltigkeit in geradezu verwirrender Weise, und man kann zuweilen kaum begreifen, wie das arme Sängervolk überhaupt noch zurückkehren mag zu dem alten gefährlichen Boden Europas, wo ihm, von der Küste Dänemarks bis hinab nach der Campagna di Roma und bis zur blühenden Küste von Sorrent, nur immer und immer Fallen, Stricke, Netze und Hinterhalte in hundert und aber hundert Gestalten gelegt werden! Aber es scheint beinahe, daß die bestrickende menschliche Cultur es auch dem Vogel angethan hat, sodaß er sich nicht mehr von ihren Spuren losreißen kann. Man darf jedenfalls annehmen, daß in den unermeßlichen Gebieten Afrikas und Asiens, an den Ufern des Nils und an der ungemüthlichen Küste von Marokko und Tunis, daß in den Hochsteppen des asiatischen Binnenlandes und in den russischen Tiefebenen die Vogelwelt bei weitem nicht die Nachstellungen von menschlicher Seite erfährt, wie in dem „humanen“ Europa. Trotzdem kehrt sie mit unverwüstlicher Hartnäckigkeit zu den „freundlichen Thälern“, zu den Waldungen, Gärten und Parkanlagen zurück, wie man sagt, aus Instinct, oder weil es so Herkommen ist, gewiß eine sehr gute und bestimmte, vielleicht nur keine sehr gründliche Erklärung.

In Deutschland dürften die bekanntesten Vogelstellergebiete wohl in Thüringen, im Harze, im Schwarzwalde und in Tirol zu suchen sein. Im Harze und im sächsischen Erzgebirge aber züchtet man nicht einheimische Vögel allein. Gewisse Theile Hannovers werden ebenfalls als hervorragend in dieser Passion bezeichnet. Auch in Böhmen und in Deutsch-Oesterreich erfreuen sich verschiedene Städte und Gegenden eines Rufes auf diesem Gebiete. Sehr wenig Beachtung hat man bislang aber jenem deutschen Landstriche geschenkt, der am Niederrheine von der belgischen und holländischen Grenze eingeschlossen und theilweise von einem wallonischen Volksstamme bewohnt wird. Wenn meine Erfahrung mich nicht täuscht, dürften hier die passionirtesten Vogelsteller und die geschicktesten Züchter zu suchen sein. Uebertroffen werden diese nur noch von den belgischen und holländischen Liebhabern. In jener Gegend hat jede Stadt am Sonntage ihren ständigen Vogelmarkt; jede Stadt hat ihre berühmten Liebhaber und berühmten Exemplare, die für kein Geld feil sind. Wer Gelegenheit hatte, den schönen alten Rathhausplatz in Brüssel an einem Sonntage zu besuchen, weiß, was ein echter niederländischer Vogelmarkt zu bedeuten hat. In gleicher Weise haben die Städte Aachen, Eupen, Mastricht, Lüttich, Antwerpen etc. ihre Vogelmärkte und an besonderen Tagen des Jahres ihre Vogelmessen. Uebrigens brachten die letzten Jahre auch zu Tage, daß die besten Taubenzüchter in Belgien zu suchen sind; das hängt mit der Passion im Allgemeinen zusammen. Der eigentliche Holländer unterscheidet sich aber auch hier vom Flamänder und Brabanter. Er hat sich mehr der exotischen Vogelzucht ergeben, während diese bei den heimischen Finkenarten, bei den Lerchen und Sprossern bleiben. Die Buchfinkenzucht nimmt dabei eine hervorragende Stelle ein, und leider ist auch die grausame Gewohnheit des Blendens im Spiele, die dort zu Lande nicht ausgerottet werden kann.

In Frankreich nimmt natürlich Paris als Sitz der besten Vogelfänger und Vogelsteller einen dominirenden Rang ein, und das ist um so merkwürdiger, weil Paris von allen Hauptstädten der alten Welt (mit Ausnahme vielleicht von Neapel) jene Stadt ist, in deren Umgebung man am wenigsten Vogelgesang vernimmt. Die langjährige, altüberlieferte Ausrottung und Verfolgung hat wohl die Vögel von Paris zu vertreiben vermocht, aber nicht die Vogelfänger und Liebhaber. Paris hat einige permanente Vogelmärkte in den Arbeitervorstädten, und jeden Sonntag sammeln sich in der Gegend von Notre-Dame die Liebhaber zum Kaufe und Tausche. Die Vogelfänger sind hier nur noch Geschäftsleute, die im Frühjahre weite Fahrten machen, selbst bis

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_384.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)