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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Proceß vollzieht sich, wenn man von dem Kriege mit dem nationalen Feinde absieht, mit streng logischer Folgerichtigkeit.

Die Raschheit und Verzagtheit, die Unentschiedenheit und das Ungeschick der englischen Regierung wirkten anfangs nachhaltiger zu Gunsten der Colonien als ihre eigene Initiative. Die Stempelacte vereinigte zuerst den Norden und den Süden, welche bis dahin getrennt waren, die handeltreibenden und ackerbauenden Classen und näherte die von ihr doppelt hart betroffene nicht englisch redende der englisch redenden Bevölkerung. So gelangten denn in allmählichen Uebergängen die Colonisten zur Einsicht, daß nur die feste Vereinigung Aller dem Einzelnen und dem Ganzen Sicherheit zu bieten vermöge und daß ein Eingriff in die Rechte einer Colonie zugleich eine Verletzung der Freiheit Aller sei. Diese Erkenntniß machte es den Führern leicht, auf die neuen Steuern mit Beschlüssen der Nichteinfuhr, der Begünstigung des heimischen Gewerbfleißes oder der Einschränkung des Gebrauches fremder Waaren zu antworten und allen späteren Steuerauflagen die leicht verständliche und dabei höchst profitable Formel gegenüber zu stellen, daß Besteuerung ohne Vertretung im Parlamente Tyrannei sei.

Die beiden ersten Continentalcongresse waren schon revolutionäre Körperschaften und wurden bald, ohne es zu wollen, durch die Ereignisse zur Ausübung von weitgehenden Regierungsbefugnissen gedrängt. Der zweite Congreß trat im Mai 1775 unter dem Eindrucke der Gefechte von Lexington und Concord zusammen. Die Ereignisse des Sommers und des darauf folgenden Winters machten den Krieg unvermeidlich. Auf Lexington und Concord folgten Bunkershill und die Belagerung von Boston, Ticonderoga und der Angriff auf Quebec. Jetzt standen sich die Gegner mit den Waffen in der Hand gegenüber, aber noch wagten die Amerikaner nicht unter ihrem eigenen nationalen Banner zu kämpfen. Obgleich sie der Regierung gewaltsamen Widerstand leisteten, wollten sie immer noch loyale englische Unterthanen sein und ihren Standpunkt theoretisch rechtfertigen. Das war eben nicht möglich; sie waren einfach Rebellen, und nur der Erfolg konnte für sie entscheiden. Dazu kam noch die Furcht der Unentschiedenen und die Gemüthlichkeit der Vertrauenden. Unabhängigkeit, hieß es fast allgemein, würde für immer den Verlust der Freiheit nach sich ziehen; die Liebe und Anhänglichkeit des Volkes für die englische Regierung sei trotz der Mißgriffe des zeitigen Ministeriums nicht erschüttert. Wie tief dieses Gefühl selbst in den bedeutendsten Leitern der Bewegung wurzelte, beweist ein Brief Jefferson’s an seinen Verwandten John Randolph, worin er diesem noch am 29. November 1775 schrieb, daß es im ganzen britischen Reiche keinen Mann gäbe, welcher herzlicher als er die Verbindung mit England liebe. Selbst als die Anwerbung deutscher Söldlinge im englischen Parlamente entschieden war, als endlich die Verständigeren einsahen, daß jede Hoffnung auf Versöhnung aufgegeben werden müsse, wollte die Mehrheit von der ihnen angenehmen Täuschung nicht lassen und sprach noch von Abstellung der Beschwerden, sowie von einer constitutionellen Vereinigung mit dem Mutterlande. Wie ein Bann lag diese Unklarheit auf den Gemüthern, den Niemand zu brechen wagte, bis endlich Thomas Paine das lösende Wort sprach.

Dieser bedeutende Pamphletist war, als er 1774 in Amerika landete, siebenunddreißig Jahre alt, und bis dahin ein Mann gewesen, der seinen Beruf verfehlt hatte. Ein sehr bewegtes Leben lag hinter ihm; nirgends hatte ihm in seinen verschiedenen Geschäften und Stellungen als Corsetmacher, Matrose, Zollbeamter, Lehrer, Tabakskrämer und Schriftsteller selbst der bescheidenste Erfolg gelächelt. Kaum in Amerika angelangt, sah er klarer als alle Anderen, daß Versöhnung mit England unmöglich, daß bewaffneter Aufstand unter loyalem Aushängeschilde eine Thorheit sei und daß Amerika, als neue Nation, auf Tod und Leben kämpfen müsse, um seine Unabhängigkeit zur Wahrheit zu machen. In diesem Geiste schrieb er seinen „Gesunden Menschenverstand“ („Common Sense“), welche eine wunderbare Wirkung und einen mächtigen Umschwung im Volke hervorbrachte. Einige hielten Franklin, Andere John Adams, noch Andere Samuel Adams für den Verfasser. Seit der Erfindung der Buchdruckerkunst, meinte Paine selbst, habe keine Schrift einen solchen Erfolg gehabt, wie die seinige. In nicht weniger als 100,000 Abdrücken drang sie in das Heer und in die Massen und machte die Gegner der Unabhängigkeit verstummen. Der kräftige und schneidige Stil, die populäre Beweisführung, die dem Volke geläufigen Bilder, ja selbst die oft gemeinen Schimpfworte, welche den gebildeteren Geschmack beleidigen, entsprachen ganz den Anschauungen der großen Menge und verstärkten den Eindruck der Paine’schen Flugschrift, welcher durch die sich drängenden Ereignisse größer wurde.

Die hochmüthig abweisende Antwort des Königs auf die letzte Ergebenheitsadresse der Colonien traf am Tage der Ausgabe des „Common Sense“ in Philadelphia ein. In Virginien bot Gouverneur Dunmore den Sclaven die Freiheit an und trug durch die bloße Ankündigung dieses Schrittes den Schrecken vor Sclavenaufständen und empfindlichen Vermögensverlusten in jedes Haus des Südens. Wie Norfolk in Virginien in Grund und Boden geschossen wurde, so ward Falmouth an der Küste von Maine frevelhaft von den Engländern verbrannt. Jetzt waren die beiden tonangebenden Staaten Massachusetts und Virginien, die Kaufleute und die Pflanzer einig. Um die erbitterten Gemüther zu beschwichtigen, beschloß die virginische Gesetzgebung im Frühjahre 1776 die Unabhängigkeitserklärung im Congreß zu beantragen. Am 7. Juni stellte R. H. Lee den betreffenden Antrag, dessen Verhandlung am 10. Juni für zwanzig Tage verschoben wurde, weil man während dieses Aufschubs die Einstimmigkeit sämmtlicher Colonien zu erzielen hoffte. Inzwischen sollte ein aus fünf Mitgliedern, Thomas Jefferson, Benjamin Franklin, John Adams, Roger Sherman und R. R. Levingstone, bestehender Ausschuß eine Unabhängigkeitserklärung vorbereiteten. Jefferson, der spätere berühmte Präsident der Vereinigten Staaten, wurde von seinen Collegen mit dieser Arbeit beauftragt. Er war damals eines der jüngsten Mitglieder des Congresses und erst zweiunddreißig Jahre alt, allein wegen seines bescheidenen und doch bestimmten Auftretens, seiner scharfen Logik und ungewöhnlichen Stilgewandtheit hochgeschätzt und allgemein beliebt.

(Schluß folgt.)




Wann kommst du wieder?

Nun ist die Welt ein einzig Lied,
Ein Lied voll sel’gen Klängen;
Durch all’ die tausend Herzen zieht,
In allen Seelen flammt und glüht
Ein neues Schaffen und Drängen.
Nun muß im blüthenreichen Thal
Des Winters Duft, des Winters Qual
Zum Frühlingsglück sich wenden,
Und du, mein stilles Herzeleid,
Du trüber Freund aus trüber Zeit,
      Willst noch nicht enden?

Ich schau’ zurück, und wie im Traum
Grüß’ ich entschwund’nes Leben;
Ich seh’ im duftverklärten Raum,
Entstiegen neu dem leichten Schaum,
Die alten Geister schweben.
Und doch, sänn’ ich auf neuen Sang,
Auf frischen Lebens frischen Klang,
Ich fände nicht die Lieder.
Du holdes Sinnen, heller Blick,
Mein ganzes fernes Frühlingsglück,
      Wann kommst du wieder?

Mainz, den 6. April 1876.

Hermann Hort.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_447.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)