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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Mal auf dreihundert Ducaten (circa tausend Thaler) festsetzen zu dürfen. „Ich begebe mich aber dadurch zugleich jedes Anspruches an einen weiteren Gewinn, der Absatz mag so groß sein, als er will, und der Auflagen so viele, als während drei Jahren davon erfolgen können; und reservire mir nichts als meine Rechte auf die künftige Sammlung meiner Theaterschriften. Ich führe Ihnen nicht an, daß andere Schriftsteller, denen ich nicht glaube, weichen zu müssen, ebenso vortheilhafte Contracte geschlossen; oder daß andere Verleger mir dergleichen Erbietungen gethan. Dies sind keine Argumente, die zwischen Ihnen und mir gelten. Auch weiß ich aus Erfahrung, wie bereitwillig Sie sind, mich an dem Gewinne bei meinen Schriften Antheil nehmen zu lassen, aber hier kommt es darauf an, daß ich mir von meinem schriftstellerischen Fleiße einen bestimmten Etat gründe, daß ich weiß, woran ich bin, und mich aller mercantilischen Rücksichten, die mir bei meinen Arbeiten störend sind, einmal für allemal entschlage.“

„Mit dem größten Vergnügen,“ antwortete Cotta, „willige ich in Ihren Vorschlag vom 13. h., dreihundert Ducaten für jedes neue, große Original, wie ‚Maria‘ oder die ‚Jungfrau von Orleans‘ zu bezahlen, und es würde mich betrüben, wenn Sie von mir nicht überzeugt wären, daß durch den Erfolg des Absatzes ein gleiches Resultat herausgekommen wäre. – Ich schmeichle mir, Sie kennen mich so weit und die Zukunft wird für’s Vergangene die Wahrheit hiervon belegen; inzwischen sehe ich wohl ein, daß eine fest ausgemachte Summe etwas Angenehmeres ist. Wir wären also ganz im Reinen; was ich noch sonst thun kann, wird dem unerachtet nach Möglichkeit geschehe. Hätten wir nur zwei Feinde vom Leibe! – die schlechten Buchhändler und die Nachdrucker.“ Das nächste Werk, welches dieser neuen Abmachung zu unterwerfen war, ist 1803 „Die Braut von Messina“. „Ich habe mir mit diesem Werke eine verteufelte Mühe gegeben,“ schreibt Schiller. „Da es um einige Bogen kleiner ist, als die ‚Maria Stuart‘ und also um etwas wohlfeiler verkauft werden muß, so lasse ich fünfzig Ducaten von unserem neuen Contracte nach.“ Und Cotta: „Mit innigem Danke erkenne ich Ihre Generosität in Hinsicht des angebotenen Nachlasses von fünfzig[WS 1] Ducaten, allein ich würde unedel handeln, wenn ich davon Gebrauch machen wollte.“ Und dabei blieb es.

Die Verbindung mit Schiller hatte für den Cotta’schen Verlag noch eine andere segensreiche Folge: Schiller zog Goethe nach sich. Schon während seiner Mitarbeit an den „Horen“ mußte Cotta auf Schiller’s Rath Goethen, „diesen Mann, wie er in Jahrhunderten kaum einmal lebt“, durch besondere Munificenz an dieses Journalunternehmen fesseln. Im Jahre 1797 logirte Goethe auf seiner Reise in die Schweiz bei Cotta und schrieb nach diesem kurzen Zusammenleben an Schiller: „Je mehr ich Cotta kennen lerne, desto besser gefällt er mir. Für einen Mann von strebender Denkart und unternehmender Handelsweise hat er so viel Mäßiges, Sanftes und Gefaßtes, so viel Klarheit und Beharrlichkeit, daß er mir eine seltene Erscheinung ist.“ Unter Schiller’s vermittelnder Thätigkeit kam denn auch bald ein Verlagsverhältniß zwischen Beiden zu Stande. Eine Zeitschrift, welche in populärer Weise über Kunstgegenstände handeln sollte, die „Propyläen“, erschien bei Cotta, aber nicht mit Glück; kaum vierhundertfünfzig Abonnenten fanden sich, und im Juni 1799 mußte Cotta dem Freunde melden, er habe bereits zweitausendfünfhundert Gulden Schaden gemacht – „es ist mir eine äußerst unangenehme Geschichte, wegen der ich aber keinen Entschluß fassen, sondern diesen ganz Goethen überlassen will.“ Dabei hatte Cotta vor Goethe stets einen gewissen heiligen Respect; er fühlte, daß Goethe besonders vorsichtig und rücksichtsvoll behandelt sein wollte, und fand an Schiller einen stets bereiten Mittelsmann. Es ist interessant zu sehen, wie Schiller an Cotta, wo es ihm nöthig scheint, das Gewagte einer Speculation mit Goethe’schen Werken (so mit der Ausgabe von „Cellini“, mit „Winckelmann und sein Jahrhundert“ etc.) unumwunden ausspricht, aber doch stets zu dem Resultate kommt, Cotta dürfe um keinen Preis den Verlag Goethe’scher Werke aus den Händen lassen, und ihn immer wieder und wieder auf ein Werk vertröstet, als auf eine Goldgrube – den „Faust“, von welchem damals erst der erste Theil in fragmentarischer Gestalt veröffentlicht worden war. „Ich fürchte, Goethe läßt seinen ‚Faust‘, an dem schon so viel gemacht ist, ganz liegen, wenn er nicht von außen und durch anlockende Offerten veranlaßt wird, sich noch einmal an diese große Arbeit zu machen und sie zu vollenden. Der ‚Faust‘ wird, wie er mir sagte, wenn er vollendet ist, zwei beträchtliche Bände, über zwei Alphabete[1] betragen. Er rechnet freilich auf einen großen Profit, weil er weiß, daß man in Deutschland auf dieses Werk sehr gespannt ist. Sie können ihn, das bin ich überzeugt, durch glänzende Anerbietungen dahin bringen, dieses Werk in diesem Sommer auszuarbeiten. Berechnen Sie sich nun mit sich selbst, wie viel Sie glauben an so eine Unternehmung wagen zu können, und schreiben alsdann an ihn. Er fordert nicht gern und läßt sich lieber Vorschläge thun, auch accordirt er lieber in’s Ganze, als bogenweis.“

Cotta offerirte, wie er bald darauf Schiller mittheilte, viertausend Gulden (circa zweitausendvierhundert Thaler) als Grundhonorar, mit dem Zusatze, daß er über die Größe des Ganzen nicht urtheilen könne und daß er sich schmeichele, Goethe kenne ihn von der Seite, daß, wenn der Erfolg der Erwartung entspräche, er jene Summe blos als erstes Anerbieten ansehen und sich für verbunden halten werde, nach der günstigen Aufnahme seine weitere Schuld abzutragen.

Zum „Faust“ kam es indessen damals noch nicht; erst nach Schiller’s Tode erschien im achten Bande der sämmtlichen Werke, für welche Cotta 1807 zehntausend Thaler gezahlt hatte, der „Faust“ in erneuter und erweiterter, wenn auch noch nicht in vollendeter Gestalt, aber der definitive Anschluß Goethe’s an Cotta’s Verlag war doch der Erfolg von Schiller’s Bemühungen, und dieses Verhältniß ward auch durch Schiller’s erfolgten Tod nicht unterbrochen, sondern dauerte bis zu Goethe’s Ende. Freilich, schwer war wohl unter Umständen mit dem alten Herrn auszukommen, seit Schiller’s milde Vermittelung fehlte. Aber mit Cotta’s wachsender socialer und politischer Bedeutung wuchs auch sein Selbstbewußtsein selbst einem Manne wie Goethe gegenüber.

Geduld und Nachsicht bedarf der Verleger im Verkehr mit den Autoren, und nicht am wenigsten mit ihren Versprechungen. Auch gegen Schiller hatte Cotta reichlich Gelegenheit gehabt, die Nachsicht zu üben, um die Goethe ihn später einmal bat mit der Versicherung, daß die Versprechen der Autoren, sowie die Schwüre der Liebhaber von den Göttern selbst mit einiger Leichtigkeit behandelt würden. Was Cotta aber nicht vertragen konnte, war Mißtrauen, und solches zeigte ihm Goethe im Jahre 1828, als er in seinem Namen und demjenigen der Schiller’schen Familie seinen Briefwechsel mit Schiller zur Herausgabe für den Verlag Cotta’s bearbeitet hatte und sich weigerte, das Manuscript auszuliefern, bevor die für ihn und die Schiller’schen Erben ausbedungenen je viertausend Thaler angewiesen wären. Da schrieb ihm Cotta in edlem Zorn: „Wenn ein solches Mißtrauen nicht einem fremden unbekannten Verleger gezeigt wird, sondern einem Manne, der mehr als dreißig Jahre in Verbindung steht und der nie nur einen Tag seine Geld-Obliegenheiten unerfüllt ließ, wie unerwartet muß diesem ein solches Mißtrauen erscheinen! – Ob der Mann, der bei bisherigen mehr als 160,000 Fl. betragenden Zahlungen (an Goethe) nie im geringsten Rückstand blieb, der stets einen offenen Credit verfügte und erhielt, so ängstlich zu behandeln war, will ich nur berühren, weil der Mensch, wenn er sich durch ein Ereigniß tief ergriffen und unglücklich fühlt, sich an seinen innere Richter wendet, sich fragend und prüfend: womit hast Du dies verdient?“ Goethe’s Antwort ist nicht erhalten, sicher aber ist, daß der fragliche Briefwechsel bei Cotta erschien und seitdem die dritte[WS 2] Auflage erlebt hat.

Cotta starb am 29. December 1832 als Freiherr Cotta von Cottendorf, nachdem er den alten Adel seiner Familie wieder angenommen hatte. Die vorstehende Skizze beansprucht nicht im Entferntesten, der Bedeutung des Mannes, noch dem Inhalte des vorliegenden Buches gerecht geworden zu sein. Dazu hätte eingegangen werden müssen – und zu dem allen bringt unser Buch höchst werthvolles Material – auf sein Verhältniß zu Schiller’s Erben und ihren Zeitgenossen, auf seine weitverzweigten literarischen Verbindungen, auf die Tendenzen und Schicksale seiner politischen Journale, auf seine eigenen politischen Schicksale und sein thätiges Auftreten im alten Württemberg, im revolutionären Paris, auf dem Wiener Congreß, in der neuen württembergischen Kammer; wahrlich, eine Weite des Wirkungskreises, die Heine das Recht gab, auf Cotta das Wort aus dem Egmont anzuwenden: „Das war ein Mann; der hatte seine Hand über die ganze Welt.“

F–tz.



  1. Die Bogen wurden, statt mit Zahlen, mit Buchstaben numerirt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: fünzig
  2. Berichtigungen, Vorlage: einunddreißigste
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_454.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)