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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Regierung. Bei dieser in einem umfangreichen, kreuzförmigen Pavillon veranstalteten Ausstellung gingen die Departements der Bundesregierung von der Absicht aus, dem Besucher ein Bild von den Hülfsquellen des Landes und den administrativen Fähigkeiten der Regierung zu geben; man wollte zeigen, welcher Art ihre Institutionen seien und welche Verbesserungen man im Interesse des Volkes vornehme.

Von dem eigentlichen Bodenreichthume der Union wie von seiner Jagd und Fischerei erhalten wir daher durch die vom Ackerbauministerium aufgebrachte Sammlung ein viel vollständigeres Bild, als uns dies die Ackerbauhalle zu geben vermag. Hier sehen wir eine vollständige Sammlung der in den verschiedenen Staaten erzeugten Getreidearten, Knollengewächse, Hanf, Baumwolle, Wolle- und Bastsorten, ferner Cocons, Rohseide, Obst, Gemüse, Mineralien, die verschiedensten Holzarten, ausgestopfte Vögel, in Spiritus gesetzte Fische und andere Süßwasserbewohner, dann die Fische und Säugethiere des Meeres, unter denen sich riesige Seelöwen und Robben hervorthun, endlich die vierfüßigen Bewohner der unermeßlichen Wälder, unter denen der stolze Elch Amerikas wie ein Riese unter Zwergen hervorragt.

Dieser umfangreichen Abtheilung hat der Ausstellungs-Commissär und Statistiker Dodge eine Reihe von Karten und Tabellen beigegeben, welche die schätzenswerthesten Aufschlüsse über die in den zweitausendzweihundert Grafschaften Amerikas herrschenden Agrarverhältnisse ertheilen. Der Werth der Ländereien ist für den Ansiedler am höchsten in New-York, Pennsylvanien, Ohio, Indiana, einem Theile von Michigan und Californien, im Süden, namentlich aber in den Territorien des Westens, dagegen am billigsten.

Ebenso hat der verdienstvolle Dodge in einem besondern Rahmen Abbildungen von den Ackerbauschulen der Vereinigten Staaten ausgestellt, deren gegenwärtig nicht weniger als neununddreißig in den verschiedenen Staaten eröffnet wurden. Einige davon sind selbstständig; andere schließen sich an größere Universitäten oder Gewerbe-Akademien an. Besucht sind diese Anstalten von 3703 Studenten mit 463 Lehrern. Der Congreß hat diesen Schulen 9,510,000 Acker Land geschenkt, von denen bereits 7,996,329 Acker verkauft sind.

Es ist erstaunlich, welche Masse von Alterthümern wir auf der Centennial-Ausstellung aufgehäuft finden. Fast hätte man glauben sollen, die Amerikaner, als das modernste Volk der Erde, fragten gar nichts nach der Hinterlassenschaft jener theils untergegangenen, theils in die Wildniß gescheuchten Stämme, allein das stricte Gegentheil ist der Fall. In der Abtheilung für Mineralien haben wohl mehr als zwanzig amerikanische Farmer oder Bürger kleiner Städte ganz stattliche Sammlungen von indianischen Steinäxten, Pfeilspitzen und Messern aus Feuersteinen, irdenen Geschirren, Schmucksachen, metallenem Zierrath, kupfernen Pfeifen, Schädeln und Götzenbildern zur Schau gestellt. Noch glänzender ist die Gruppe von Indianerarbeiten, welche das Ministerium des Innern theils durch die Einsendungen der geographischen und geologischen Expeditionen, theils durch die Beiträge der christlichen Missionen und vieler Alterthumsforscher zusammenbrachte.

Hier ist die Zahl der roh geschnitzten oder aus Thon geformten Götzenbilder Legion. An vielen irdenen Trinkgefäßen machen sich gleichfalls die ersten stammelnden Versuche zur bildlichen Darstellung geltend. Manche dieser Geschirre haben eine gefällige Form und sind mit geometrischen Figuren geschmückt. Die Henkel laufen in Schlangen oder Adlerköpfe aus. Auch auf die Herstellung der Schilde und Tomahawks ist augenscheinlich großer Fleiß verwendet. Die kreisrunden Lederschilde sind bunt bemalt und im Centrum mit Federn geschmückt; am Tomahawk sind Beil und Pfeife mit farbigen Schnüren und Leder umwickelt. Ganz befremdlich sind die Waffen und Rüstungen, welche man bei den Indianerstämmen Alaskas fand. Da ist beispielsweise ein starker eiserner Brustharnisch; ferner giebt es da eine Anzahl eisenbeschlagener Holzhelme, deren Spitze in einen Schwanen- oder Adlerkopf ausläuft und an deren Rückseite sich eine Art von Helmbusch befindet, dann mehrere gutbemalte hölzerne Tänzermasken und viele andere Dinge, welche eher von den Normannen des achten Jahrhunderts als noch lebenden Indianerstämmen herzustammen scheinen.

Hochinteressant sind ferner die photographischen und plastischen Nachbildungen der Klippen- und Wallbauten, wie sie „die geologische Vermessungs-Expedition der Territorien“ in Colorado und Arizona fand. Wie der Adler seinen Horst in die unnahbarsten Felsenrisse hineinbaut, so suchten sich auch die Klippen- und Wallbauer des alten Tuscahan ihre Zufluchtsstätten in den majestätischen Felsmassen des Colorado-Cañon. Hier gruben sie sich mitten in die Felswand hinein, höhlten die Steinwand in der Mitte aus und führten eine Reihe von Steinbauten auf, welche nach oben hin offen waren, da die überragende Felswand Schutz gegen die heißen Sonnenstrahlen gewährte. Von außen gleichen diese Bauten ganz unseren mittelalterlichen Ritterburgen, denn wie jene, haben auch sie starke Mauern und viereckige Thürme. Erreicht wurden diese Felsenburgen theils durch Leitern, theils durch sehr schmale Felspfade. Zum Theil sind solche Klippenbauten auch in große Felshöhlen hineingeflickt, und zwar scheinen dann die Felsblöcke roh und ohne Mörtel aufeinander geschichtet zu sein. Auch von den kasernenartigen Bauten, welche aus getrockneten Lehmziegeln aufgeführt wurden, sehen wir gute Abbildungen; so scheint die Straße von Wolpi aus solchen halbverfallenen Kasernen mit engen Zellen zu bestehen. Auch an Indianer-Denkmälern fehlt es nicht; so präsentiren sich in Aquarellbildern eine Anzahl riesiger Sandsteinmonumente, die in der Form von Kegeln emporstreben und oben an der Spitze in die Gestalt eines Pilzes auslaufen, der mit grellen und rothen Farben bemalt ist.

In den Burgen der Klippen- und Wallbauer nisten heute die Moki-Indianer, ausgemergelte Gestalten mit schlaffen und indolenten Gesichtszügen. Die Erbauer dieser Felsennester selber aber verkrochen sich doch nur in die öden Klippen und Höhlen, weil sie wußten, daß ihnen in der Ebene irgend ein Bruderstamm auflauere, um ihnen die Kehlen abzuschneiden oder die Kopfhaut zu scalpiren. Und sonderbar, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts sah Jean Jacques Rousseau, und mit ihm fast die Hälfte der gebildeten Welt, in dem Leben der Wilden das Ideal einer menschenwürdigen Existenz.

In dem Regierungsgebäude hat George Fairman, der Postmeister von Philadelphia, ein Postbureau errichtet, welches eine ganz respectable Thätigkeit entwickelt. Vor demselben fertigt eine Automatenmaschine Postcouverts an. Dieser Maschine braucht man nichts zuzuführen, als die Streifen Papier, und sie giebt uns die fertigen Couverts dafür zurück. Das Schatzamtsdepartement hat die Cassenscheine und Münzsorten verschiedener Prägung ausgestellt.

Im südlichen Theile des Gebäudes stehen Marine und Landarmee einander gegenüber. Beide zeigen die Entwickelung, welche sie im Laufe des Jahrhunderts genommen haben.

Beide Gruppen sind hochinteressant. Das Kriegsministerium hat die Geschütze ausgestellt, welche der General Lafayette den amerikanischen Freistaaten als Geschenk von Frankreich mitbrachte; dann sind die Waffen aller Jahrgänge aufgestellt bis auf den heutigen Tag, und um dem Publicum zu zeigen, wie man diese Waffen und Patronen anfertigt, ist durch die Gewehrfabrik zu Springfield, Massach., eine Werkstatt etablirt worden, in welcher, vermittelst rasch arbeitender Maschinen Gewehrläufe gebohrt, Schafte abgedreht und Patronen angefertigt werden.

Weit verdienstvoller als diese Arbeiten sind die des Signal-Corps, welches dem Kriegs-Departement unterstellt ist. Dasselbe empfängt täglich das Resultat der Wetterbeobachtung von mehr als achtzig Beobachtungsstationen, welche über die ganze Union und Canada hin ausgebreitet liegen, und giebt dann sofort einen Wetterbericht aus, in welchem die Wahrscheinlichkeit der Wetterveränderung für den kommenden Tag mitgetheilt wird. Es sind dann auch die Apparate aufgestellt, deren sich die Signalstationen bedienen, um die Stärke des Windes und die ungefähre Masse des fallenden Wassers zu messen. Im schwedischen Schulhause wird jedoch ein Instrument gezeigt, das alle bisher dagewesenen Meteorographen noch an Vollkommenheit übertrifft; es ist dies Theorell’s druckender Meteorograph, der schon seit einigen Jahren auf der Sternwarte zu Wien mit Erfolg angewendet wird. Mit Hülfe einer elektrischen Strömung verzeichnet derselbe, ohne jedes menschliche Zuthun, die Zeit der Beobachtung, die Geschwindigkeit und Stärke des Windes, den Feuchtigkeitsgrad und die Schwere der Luft.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_511.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)