Seite:Die Gartenlaube (1876) 543.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


machen uns die Art des Transportes klar. Das Rohr des Geschützes wird auf den Packsattel des ersten Pferdes geladen, die Lafette auf den des zweiten, die Räder und Munitionskasten auf den des dritten. In der russischen Abtheilung hat Krupp einen Rivalen, allein die hellen Bronzegeschütze der russischen Fabrik halten mit den Gußstahlkanonen aus Essen in Bezug auf Güte des Materials und exacte Arbeit kaum einen Vergleich aus. Die russischen Berggeschütze bedürfen zu ihrem Transport vier Pferde. Das Krupp’sche Etablissement hat außer seinen weltberühmten Geschützen auch Dinge von friedlicherem Ansehen ausgestellt, wie reiche Erzstufen, gewaltige Gußstahlachsen, Walzmaschinen und Kuppelstangen.

Neben Krupp trat die Collectivausstellung des Siegerlandes besonders hervor, das aus seinem manganreichen Spiegeleisen einen schillernden Obelisken gebaut hatte. Dieses Erz wird von der ganzen Welt begehrt, um den Bessemerstahl daraus zu fabriciren. Unter den im Betrieb beachtlichen Maschinen der deutschen Abtheilung erregten die Deutzer Gasmotoren, welche bei einer Leistung von drei Pferdekräften die Dampfmaschinen an Billigkeit übertreffen, und die Berliner Maschinen zur Cement- und Ziegelfabrikation von Schlickeisen besondere Aufmerksamkeit.

Ehe wir in der Betrachtung einzelner Gruppen fortfahren, wollen wir erst erörtern, was den vielen Hunderten von Maschinen, welche zu beiden Seiten der Promenaden eine so große Geschäftigkeit entwickeln, Leben und Bewegung verleiht. Es ist das die Corliß’sche Doppelmaschine im Mittelpunkt der Halle, welche, einer Kraftentwickelung von vierzehnhundert Pferdekräften fähig, Triebwellen in Bewegung setzt von einer englischen Meile Länge. Nicht weniger als zwanzig Kessel speisen diese Riesenmaschine und führen außerdem jedem Aussteller so viel Dampf zu, wie dieser zu seinen Experimenten bedarf. Die Kosten des Dampfverbrauchs trägt die Ausstellungs-Commission. Die Kessel der Maschine sind unsichtbar, und diese ruht scheinbar auf einer erhöhten braunen Kreisfläche, wie auf einem Tische. Das Schwungrad hat einunddreißig Fuß Durchmesser und ein Gewicht von fünfundfünfzig Tonnen. Dieses colossale Rad läuft in einer braunen Holzumkleidung, und zwar so leicht, daß man kaum eine zitternde Bewegung verspürt. Die Maschinenfabrik von Corliß in Providence (Rhode Island) wurde schon auf der Wiener Weltausstellung für ihre Leistungen durch eine Medaille ausgezeichnet; die Centennial-Ausstellung begründet für immer ihren Weltruf. Neben jenem riesigen Dampfmotor, der an Schönheit der Construction seines Gleichen sucht, hat Corliß nämlich eine andere Maschine aufgestellt, welche eines der schwierigsten Probleme der Gegenwart löst; es ist das eine Maschine zum Ausschneiden von Zahnrädern mit kegelförmigem Radkranz. Lange Zeit hatte man in der Technik trotz ausgeschriebener Preise die Lösung dieser Aufgabe vergeblich gesucht; vor einem Jahre trat Corliß mit seiner Erfindung hervor, und heute sehen wir die neue Maschine in Betrieb, welche, von einem einzigen Arbeiter beaufsichtigt, die Zahnconstruction vollkommen correct ausarbeitet.

Welch ein großartiger Umschwung der Industrie im Laufe des letzten Jahrhunderts! In früheren Zeiten experimentirte man so zu sagen in’s Blaue hinein. Heute ergeben sich auf dem Felde der Industrie die Aufgaben von selber; sie wachsen aus dem Bedürfniß heraus, und der Industrielle sagt zu dem erfinderischen Kopf: ich brauche eine Maschine, die das oder jenes leistet – mach’ dich an die Arbeit!

So bedurften die Besitzer amerikanischer Kohlengruben, die stets wegen Arbeitskräften in Verlegenheit sind, einer Kohlenschneidemaschine, und heute sehen wir schon eine solche, die durch comprimirte Luft bewegt wird, im Betriebe. Das Ding bohrt sich wie ein breites Messer in die Kohlenschicht ein und schneidet Flötze von beliebiger Länge und Breite heraus. Nur ein Aber scheint mir dabei zu sein – die Maschine wird sich nur bei breitgelagerten Kohlenflötzen anwenden lassen, wie sie sich beispielsweise im Saarbecken finden, denn sie darf nicht auf hartes Gestein treffen. Dafür sind die vielen Bohrer da, welche den härtesten Fels knirschend bearbeiten. Von der Dampfkraft bewegt, schneiden Diamantbohrer in den Granit ein.

Da, wo die Corliß’sche Riesenmaschine sich aus der freien Rotunde erhebt, ist ein Annex an die Halle gebaut, welcher vorzugsweise die Bestimmung hat, hydraulische Maschinen aufzunehmen. Hydraulische Maschinen können bekanntlich ohne Wasser nicht gut in Bewegung gesetzt werden – es geht gegen ihre heiligsten Principien. Um ihnen daher die zu ihrer Bewegung unerläßlichen Quantitäten Wasser zuzuführen, hat man einen Teich in ihrer Mitte angelegt, welcher hundertsechszig Fuß lang, sechszig Fuß breit und zehn Fuß tief ist. Die ansehnliche Wasserfläche ist mit einem Geländer und einer Promenade umgeben, die in heißen Tagen sehr gern besucht wird. In das Bassin ergießt sich nämlich ein Wasserfall von vierzig Fuß Breite und fünfunddreißig Fuß Höhe. Die niederströmenden Wasser fallen in so großen Massen in das Bassin, daß hier die Wellen aufschäumen und die ganze Fläche in Bewegung geräth. Dabei fliegen die von den Dampfspritzen geschleuderten Wasserstrahlen hoch durch die Luft und senken sich dann wie wehende Silberschleier auf das Bassin nieder. Mit dem Rauschen der in den Teich stürzenden Wassermassen harmonirt vortrefflich das Brausen der mächtigen Gebläse, welche theils zum Hochofenbetrieb, theils zur Ventilation von Kohlenschachten dienen. Die Luft wird mit solcher Gewalt aus diesen Maschinen herausgetrieben, daß man das Brausen eines wirklichen Sturmes zu hören vermeint.

Am Ende der Gruppe hydraulischer Maschinen sind jene Elevatoren aufgestellt, welche sich auch jetzt bei uns in Deutschland Eingang verschafft haben. Bei der Schwere, die diese Aufzüge hatten, konnte man bisher befürchten, daß dieselben einmal durch das Reißen eines Seiles oder irgend eine Unvorsichtigkeit plötzlich niederstürzen könnten. Man hat nun vier über’s Kreuz laufende Klammern erfunden, welche sich sofort an die den Kasten umgebenden vier Balken anhängen, sobald der Aufzug nach unten sinkt. Der Fall wird somit durch die eigene Schwere des Aufzuges verhindert, denn diese drückt die Klammern an die Balken fest.

Fast nach demselben Princip wurde eine Maschine zum Einspannen großer Holzstücke, wie Thüren, Fenster und Bohlen construirt. Man legt den Gegenstand, der gehobelt oder ausgeschnitten werden soll, auf einen Rahmen drückt mit dem Fuße auf einen Hebel, und vier Eisenklammern umspannen gleichzeitig die Ecken des Holzes und halten sie fest. Derselbe Fabrikant, welcher diesen Rahmen erfunden hat, läßt auch eine Maschine arbeiten, welche mit der Kreissäge viereckige Löcher in der Weise in’s Holz schneidet, daß vier Sägen an den vier Seiten zu gleicher Zeit arbeiten. Dieselbe Maschine schneidet und stampft auch schwalbenschwanzförmige Einlässe aus.

Die Vervollkommnung derartiger Arbeitsmaschinen wird darum in Amerika rascher herausgefordert als bei uns, weil hier eine Massenfabrikation von Thüren und Fenstern stattfindet. In den Vereinigten Staaten denkt man in allen Dingen mehr an die Gegenwart als an die Zukunft; so baut man sich vorerst ein Haus, das billig ist, wobei man den Hintergedanken hat: Zu einem dauerhaften Gebäude wirst du es später auch noch bringen. Der Baulustige wendet sich nun betreffs seines Unternehmens nicht, wie das bei uns geschieht, an den Architekten, sondern an den Zimmermann, und dieser baut das Häuschen im Handumdrehen. Die Thüren und Fenster findet man bei einem Fabrikanten vorräthig, welcher sie nach Angabe der Größenverhältnisse, mit beliebiger Farbe bestrichen, einsendet.

Auch die Anfertigung von Kleidungsstücken geschieht hier selten auf besondere Bestellung. Hat man einen Anzug nöthig, so findet man in den großen Kleidermagazinen so ziemlich alles, was man wünschen mag. Es sind daher auch hier wieder die großen Fabriken, welche den Bedarf der Großstädter in Massenlieferungen decken. Selbstverständlich fordert eine Massenproduction die Anwendung vollkommener Arbeitsmaschinen, und man war auf die Erfindung einer Maschine zum Zuschneiden und Falten des Tuches bedacht. Diese Aufgabe hat ein Deutscher, Namens Albin Warth, den die Stürme des Jahres 1848 zwangen, das Brod der Verbannung zu essen, in überraschend vollkommener Weise gelöst. Er wendet nicht die Kreisscheibe zum Schneiden an, welche nur geradlinige Schnitte auszurichten vermag, sondern faßt die Tuche von oben und unten, legt sie wie mit einem Pfluge auseinander, sodaß nichts daran beschädigt werden kann, und schneidet jeden beliebigen Winkel mit seiner Maschine aus. Damit aber auch beim Zuschneiden der Strich des Tuches an die rechte Seite komme, hebt die Maschine die Tuchlagen um und legt sie, wie es sich gehört, aufeinander. Die Zuschneidemaschine Warth’s ist in den Militärschneiderwerkstätten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_543.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)