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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Produkte vertreten war. Die französischen Teller und Tassen zeichnen sich alle durch eine besondere Leichtigkeit und Feinheit in der Form aus, Vorzüge, welche nur im Materiale, jener berühmten Kaolinerde, und nicht in einer verfeinerten Technik ihren Ursprung haben. Die meiste Bewunderung unter allen Porcellanausstellern fand der Engländer Daniell mit einigen Pâte sur pâte-Vasen. Es sind das Stücke mit schwarzer, rother oder grüner Grundfarbe, auf deren glänzender Fläche weiße Figuren sich nach Art der Cameen abheben. Die weiße Porcellanschicht des Ornaments ist so dünn, daß der farbige Untergrund leicht durchschimmert. So erscheinen die Frauen mit den classischen Formen und der flatternden Gewandung, die reizenden Bübchen und Engelsköpfe, welche als Ornament der Vase dienen, wie von zartem Farbenglanze durchleuchtet. Diese Arbeiten sind unstreitig das Schönste, das bisjetzt auf dem Gebiete der Kunsttöpferei geleistet wurde. Die Franzosen dürfen sich rühmen, auch diese Technik in’s Leben gerufen zu haben.

Die Fayence, welche künstlerischem Schaffen weniger Schwierigkeiten bereitet, als das Porcellan, hat sich ein weites Gebiet erobert, und wir sehen bei den Franzosen und Engländern Vasen von großer Schönheit in diesem schlechteren Material ausgeführt. Die Franzosen mit ihrem glücklichen Farbensinn leisten in der harmonischen Zusammenstellung der Farben wahrhaft Ueberraschendes, und einige Vasen der Fabrik zu Limoges sind von berauschender Farbenpracht, auch unter den Palissywaaren finden sich reizende Stücke. Die Italiener fertigen noch immer Majolikas nach alten Vorbildern an; so dürftig hier die Bemalung in der Nähe erscheint, so vortrefflich wirken Farbe und Zeichnung aus einiger Ferne. Schweden hat schöne Statuetten und Vasen in Biscuitmasse und Fayence ausgestellt, und in dieser Gruppe sehen wir auch farbige Kachelöfen, welche der Nachahmung würdig erscheinen. Dänemark, die Heimath des idealen Thorwaldsen, hat Urnen und Vasen aus Terrakotta mit antiken Formen und Zeichnungen in großer Menge über’s Meer geführt, an denen Reinheit der Linien und eine vortreffliche Farbenzusammenstellung zu rühmen sind. Aus dem Kannebäckerländchen bei Coblenz und einer Fabrik in Znaim sind schöne Steingutwaaren, mittelalterliche Krüge und Humpen eingesandt worden, und ein Schotte hat eine hübsche braune Gebrauchswaare zur Schau gestellt, welche an die Bunzlauer Geschirre erinnert, von denen leider jede Probe auf der Ausstellung fehlte.

Die Engländer, deren schöne Doultonwaaren hier wie in Wien großes Gefallen erregten, zeigten, welcher praktischen Verwerthung die Terrakotta fähig sei. Zuerst hatten sie aus diesem Materiale eine gothische Kanzel von großer Schönheit ausgestellt und dann die Umrahmung eines großen Kamins, welcher in decorativer Beziehung zu den prächtigsten Arbeiten der Haupthalle gehört. Eine sehr gefällige Wirkung bringen ferner die Terrakotten eines englischen Fabrikanten hervor, welcher an Statuetten verschiedene Farbennuancen durch die Anwendung verschiedener Thonarten erzielt. So erscheint beispielsweise das Gesicht und der Körper eines Knaben hellgelb, fast weiß und seine Gewandung dunkelroth.

Unter allen Glasausstellungen haben sich die der böhmischen Fabrikanten den ersten Platz erobert, und man sieht vorzugsweise bei Lobmeyer in Wien Tafelgeschirre von bewundernswerther Schönheit. Die Erben Phöniciens, die Venetianer, thun sich durch ihre farbigen Glasperlen, Glasmosaikarbeiten und jene kleinen Toilettenspiegel hervor, die von Spitzen und Blumen umrahmt zu sein scheinen und vorzugsweise aus Salviati’s Werkstätten in vollendeter Form hervorgehen.

In Bezug auf reiche Zimmerausstattung bleibt die Centennialausstellung weit hinter Wien zurück, denn die großen Pariser und Londoner Decorateure waren nicht auf der Ausstellung erschienen und eine englische Firma hatte außer einem üppigen Schlafzimmer von gutem Farbenarrangement wenig Beachtenswerthes aufzuweisen. Man mußte also die einzelnen Theile der Einrichtung, wie Möbel, Teppiche, Tapeten, Kaminen etc., besonders in Betracht ziehen.

In Bezug auf Kunsttischlerei haben die Amerikaner so gewaltige Anstrengungen gemacht, daß sie alle anderen Nationen vollkommen erdrückten, selbst die Italiener, welche Imitationen von Florentiner Prachtmöbeln aus dem fünfzehnten Jahrhundert ausstellten, an denen die Holzschnitzerei von außerordentlicher Feinheit und Schönheit ist. Die New-Yorker Möbelfabrikanten aber wiesen Prachtstücke auf, bei denen Aufbau und Ornamentation in gleicher Weise vollendet erschienen. Auch an geschmackvollen und soliden Arbeiten für die Mittelclassen hatten die amerikanischen Möbelfabrikanten den größten Reichthum. Die praktische Erfindungsgabe des Amerikaners verleugnet sich auch bei diesem Industriezweige nicht. So sehen wir ein ganzes Cabinet mit Bett, Schrank und Toilette, das sich im Umfange eines mäßig breiten Schrankes zusammenschieben läßt, sodaß von dem ganzen Schlafzimmer nichts mehr übrig ist als ein Decorationsstück, das die Wand bedeckt. Die Engländer glänzen im wahren Sinne des Wortes durch ihre schönen Messingbettstellen und Wiegen, die Oesterreicher durch ihre gebogenen Möbel mit den naturgemäßen schwungvollen Formen, die Franzosen durch eine Reihe zierlicher Ebenholzmöbel, denen schönbemalte Fayenceplatten als Ornament dienen.

In der Kunst, prächtige Marmorkamine aufzubauen, haben die Amerikaner die Franzosen und Belgier erreicht, auch imitiren dieselben Marmorkamine mit Mosaikeinlage durch bemalte Schieferplatten in überaus täuschender Weise. Im Aufbauen stolzer Holzkamine mit Fayenceeinlagen sind die Engländer Meister.

Was die Teppichwirkerei angeht, so haben sie, da sie seit Jahrzehnten die besten Arbeiten Indiens, Persiens und der Türkei nachahmten, jetzt eine Sammlung von solchen Teppichen zusammengebracht, die zum Theil in Durham, theils in Indien selbst gearbeitet sind, deren Farbenpracht unser Auge füllt, wie rauschende Akkorde unser Ohr. Es ist wunderbar, wie diese stilisirten Blumen, Sterne, Ranken und Vögel zu einem einzigen farbensatten Bilde zusammenschmelzen, das die gewaltige Fläche füllt, ohne sie zu zerstören. Die holländischen Fabriken zu Delft und Deventer imitiren auch orientalische Muster, allein noch fehlt diesen Arbeiten der zarte Farbenschmelz. Die Amerikaner fangen jetzt erst an, die aufquellenden grellfarbenen Blumensträuße in der Musterung aufzugeben und sich die stilvollen Arbeiten des Orients zum Vorbilde zu nehmen.

Wenden wir uns zu der Weberei, so haben wir vor Allem der niederländischen und französischen Gobelins zu gedenken. In diesem Zweige der Kunstindustrie wird heute so Großartiges geleistet, daß die Malerei kaum noch ein Werk besitzt, das die Gobelinweber nicht nachzuahmen vermöchten. Einige Arbeiten der französischen Staatsgobelinmanufactur sind von so hoher künstlerischer Vollendung, daß die Ausstellungscommission sie in die Kunstgalerie verwies. Spanien hat aus seinen königlichen Palästen Gobelins ausgestellt, die jedoch in Bezug auf Colorit wie scharfe Contourirung weit hinter den Arbeiten der Neuzeit zurückbleiben. Am besten lassen sich Gobelinbilder im Watteau’schen Stile verwenden, und die weitaus größte Zahl der ausgestellten Arbeiten besteht aus Nachahmungen jener anmuthigen Gemälde aus der liederlichen Zeit der französischen Regentschaft.

Das ganze Gebiet der Textil-Industrie ist sehr reich vertreten. Frankreich steht allen anderen Völkern in der Anfertigung herrlicher Seiden- und Sammtstoffe sowie köstlicher Brokate voran. Deutschland hat auf diesem Gebiete auch sehr schöne Waaren aufzuweisen; namentlich sind Elberfelder und Crefelder Seidenstoffe und sehr hübsch gefärbte Baumwollsammte einer Fabrik zu Linden (Hannover) bemerkenswerth. An reichen Spitzendessins ist so große Auswahl vorhanden, daß die Jury ihre liebe Noth haben wird, zu entscheiden, wem der große Preis gebührt, den Brüsseler, den sächsischen oder den Wiener Fabrikanten. England bildete aus seinen vortrefflichen Tuchen, feinen Leinenwaaren, reichen Tisch- und Bettdecken mit farbiger Bordure und Reisedecken eine so reiche Gruppe, daß es dem Beschauer sauer wird, sich durchzufinden. Die englischen Fabrikanten haben jetzt als Reisedecken eine seidenartige Pelzimitation eingeführt. Die Spanier zeichnen sich durch farbenprächtige Wollportièren und geschmackvoll gemusterte farbige Hemden aus. Californien gebührt der Ruhm, die weichsten Wolldecken und Flanellstoffe zu besitzen.

Ein weiteres Gebiet des Kunstgewerbes beherrschen die Franzosen fast unumschränkt, das der Bronzetechnik, und obgleich die hervorragendsten Pariser Firmen in dieser Gruppe fehlen, sieht man doch einen wahren Wald von Lampenträgern, Statuetten, Gruppen und Lüstren, bei welchen man die geniale Zeichnung und den Reiz der Farbe in gleichem Maße bewundern

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_608.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)