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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


das Mikroskop gezeichneten Bilder können hier durchaus nicht maßgebend sein. Selbst der trefflichste Zeichner wird subjective Anschauungen in die Objectivität des zu schaffenden Bildes hineintragen; die Darstellung einer angeblich absolut richtigen Erkenntniß von den Gegenständen, welche die reale Beobachtung der Natur ihm vorführt, kann angezweifelt werden.


Fig. 1. Das photographische Mikroskop.


Als Ersatz der Zeichenkunst bietet die Photographie insbesondere dem Forscher auf dem Gebiete der Mikroskopie ein großes Feld der Thätigkeit, indem die empfindliche Platte nicht nur die Einzelheiten der durch den Tubus des Mikroskopes betrachteten Bilder in bedeutender Vergrößerung wiedergiebt, sondern sogar empfindlicher als unser Auge ist, die kleinsten Formverschiedenheiten auf einmal in sich aufnimmt, welche wir mit den besten Instrumenten bei directer Beobachtung nicht in gleicher Zeit zu erkennen vermögen. Besonders zur Beseitigung falscher Auffassungen in Betreff gewonnener Bilder bietet die Photographie dem Forscher eine sichere Handhabe, und gerade in dieser Hinsicht stand der Arzt, wenn er selbst des Stiftes nicht mächtig war, stets in Abhängigkeit von einer helfenden Hand, so daß zwei Anschauungen sich geltend machen konnten, die rein mechanisch schaffende des Zeichners und die denkend erklärende des Forschers. Von dem mikroskopischen Nachweis, ob ein Blutfleck von Menschen- oder Thierblut herrühre, kann einerseits die Klarlegung der Nichtschuld, andererseits die Enthüllung des Verbrechens einzig und allein abhängen. Die gerichtliche Praxis hat wegen der möglichen subjectiven Täuschungen bis jetzt die Hülfe des Mikroskopes bei Criminalfällen nicht positiv anerkannt. Was man aber mit dem Mikroskop sehen kann, das ist auch, direct nach der Natur vergrößert, photographisch darzustellen. Man hat zu diesem Zwecke nur nöthig, an Stelle des besichtigenden Auges, welches eine natürliche Camera obscura ist, eine photographische Miniaturcamera zu setzen.


Fig. 2. Menschenblut. 350 Mal vergrößert.
Nach einer Mikrophotographie.
Die runden Körperchen sind auf der Fläche, die länglichen Körperchen auf der Seite liegende Blutscheiben.


Die Netzhaut des Auges wird alsdann durch die chemisch präparirte lichtempfindliche Platte, welche das vergrößerte Bild festhält, ersetzt. Die durch Lichteindrücke gewonnenen Untersuchungsresultate können nunmehr festgehalten und die erhaltenen Bilder zur differentiellen Beurtheilung verschiedenartigen Blutes dauernd bewahrt werden. Derartige Mikrophotographien kann man auf eine höchst einfache Methode mit jedem Mikroskope darstellen.

In Fig. 1 haben wir ein derartiges mikrophotographisches Instrument abgebildet. a b k l ist das Mikroskop, h die demselben aufgesetzte Camera obscura und g f d e die Vorrichtung zum Photographiren. Legen wir nun auf den Tisch k b des Mikroskops ein flaches Gläschen, auf welchem sich eine Spur Blut befindet, und lassen wir durch Vermittelung des leicht beweglichen Spiegels a einen Sonnenstrahl von unten her auf dieses Gläschen fallen, so wird das Blut genügend beleuchtet sein, um ein vergrößertes Bild seiner Bestandtheile durch die dreihundertfünfzigmal vergrößernde optische Vorrichtung auf einer mattgeschliffenen Glasscheibe erkennen zu lassen, mit welcher man das kugelförmige Rohr h abschließt. Nun wird an der feinen Schraube, der sogenannten Mikrometerschraube l hin und her gedreht, bis das Bild der mikroskopischen Blutbestandtheile recht scharf begrenzt und markirt auf der in dem Rahmen e d befindlichen Scheibe erscheint. Die Schraube ist so eingerichtet, daß sie das Rohr des Mikroskops um ein Minimum nach Bedarf hebt oder senkt. Nachdem nun das Bild der Blutelemente genau eingestellt ist, verschiebt man die mattgeschliffene Scheibe und ersetzt dieselbe durch eine in einem mit ihr verbundenen flachen Kästchen, der sogenannten Cassette g f, ruhenden, chemisch präparirten, lichtempfindlichen Glasplatte.

Die photographische Aufnahme geschieht, indem man den Schieber j, welcher das photographische Kästchen nach unten verschließt, aufzieht und die Lichtwirkung beginnen läßt. Nach einigen Secunden schon ist ein vergrößertes Bild in den feinsten Einzelheiten entstanden, welches nun nach den gewöhnlichen Regeln der Photographie vollendet wird. Kein Zeichner ist im Stande, in so exacter Naturtreue vergrößerte Bilder mikroskopischer Objecte darzustellen, wie wir solche, als zu unserem Thema gehörig, in Fig. 2 und 3 nach mikrophotographischen Copien wiedergegeben haben. Fig. 2 zeigt die Bestandtheile des menschlichen Blutes bei dreihundertfünfzigfacher linearer Vergrößerung, Fig. 3 die Blutkörperchen einer Taube, mit derselben Linse photographisch aufgenommen und durch den Holzschnitt wiedergegeben.


Fig. 3. Taubenblut.
350 Mal vergrößert.
Nach einer Mikrophotographie.


Wird man nun in einer zweifelhaften Criminalsache, bei welcher durch abweichende Anschauung zweier Sachverständigen die Frage „ob Thier- oder Menschenblut“ unerledigt bliebe, zwei derartige Naturbilder des Blutes dem Richter zur Vergleichung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_697.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)