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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Verlobung wurde im Alterthume und noch zu Luther’s Zeit die Ehe geschlossen – ist älter als das Christenthum. Nach Kalidasa’s „Sakuntala“ war er schon den alten Indern bekannt. Der Ring, den man austauschte oder den nur der Bräutigam der Braut gab, scheint in heidnischer Zeit ein Amulet gegen bösen Zauber gewesen zu sein. Andere wollen wissen, daß er ein Unterthanenverhältniß bedeutet habe, sodaß der Bräutigam (nur dieser gab ursprünglich einen Ring) seiner Braut damit bemerklich gemacht hätte, sie stehe fortan unter ihm, habe ihm zu gehorchen und zu dienen. Wieder Andere sagen, er sei das Zeichen des Abschlusses eines Vertrages gewesen und habe den dauernden Charakter desselben symbolisch dargestellt.

Sicher ist von alledem nichts. Doch spricht für die zuletzt erwähnte Ansicht die Sitte der Römer, Verträge durch Uebergabe eines Ringes für bindend zu erklären und sich bei Verlobungen einen gewöhnlich eisernen Ring „Pronubum“ genannt, zu überreichen. Später war derselbe, nach dem Zeugnisse Tertullian’s, von Gold, und bisweilen hatte er eine Inschrift, z. B.: „Mögest Du lange leben“, oder: „Ich bringe Dir Glück“. Bisweilen war ein Stein eingelassen, auf dem eine Hand an einem Ohrläppchen zupfte. Darüber standen die Worte: „Gedenke mein!“. Nicht unwahrscheinlich ist, daß gewisse antike Ringe von Erz, die einen kleinen Schlüssel an sich haben, Eheringe sind. Mit dem Eheringe übergab der Mann der Frau die Schlüssel des Hauses, und bei Photius sagt Theosebius zu seiner jungen Gattin: „Früher gab ich Dir den Ring der Verbindung; jetzt gebe ich Dir den der Wachsamkeit, damit er Dir bei geziemender Bewahrung des Hauses helfe“ – eine Rede, die wieder an ein Zaubermittel anklingt.

Unter den alten Skandinaviern bildete der Ringwechsel nach den uns überlieferten Sagen und Gesetzen weder in der heidnischen noch in der christlichen Zeit ein wesentliches Zubehör zu den Verlobungs- oder Hochzeitsfeierlichkeiten. Zwar ist bisweilen von einem solchen Austausche die Rede, der Ring hat dann aber gewöhnlich keine höhere Bedeutung als die eines Andenkens. In der Hervarar-Saga allein knüpft sich mehr daran; denn hier sagt die Fürstin Ingborg, die Verlobte Hialmar’s, zu diesem, als er in die Schlacht geht: „Ich schwöre bei Varra“ – damit überreicht sie ihm einen Ring –, „daß, wem auch Uller den Sieg verleihen mag, ich nur eines Mannes Braut sein will.“ In Island wurden alle Abkommen und Verpflichtungen mit Hülfe eines großen Ringes ratificirt, der bald von Knochen, bald von Stein, bisweilen auch von Silber oder Gold war. Mitunter war er so groß, daß man die ganze Hand hindurchstecken konnte. Beim Abschlusse einer Verlobung fuhr der Bräutigam mit vier Fingern und dem Handteller durch den Ring und empfing auf diese Weise die Hand seiner Braut. Manchmal wurden diese Geräthe zur Bestätigung gegenseitiger Verträge auch auf den Altar gelegt und dort gebraucht. Vielleicht läßt sich auf diese Gewohnheit die einstige Form der Trauung auf den Orkneys zurückführen, wo die Brautleute sich durch ein rundes Loch oder einen Ring an einem Steinpfeiler die Hände geben.

Bei den Angelsachsen wurde die Verlobung dadurch vollzogen, daß man sich die Hände reichte, worauf Braut und Bräutigam einander beschenkten. Unter den Gaben des Letzteren befand sich ein Ring, welcher, nachdem ihn der Priester gesegnet, der Braut an einen Finger der rechten Hand gesteckt wurde, wo er bis zur Heirath verbleiben mußte. Bei dieser zog ihn der Bräutigam ab, ließ ihn noch einmal vom Priester segnen und steckte ihn darauf der Braut an den Zeigefinger der linken Hand. Vor Einführung des „Commonprayerbooks“, welches einfach bestimmt, daß der Trauring an den vierten Finger der linken Hand der Braut gehört, steckte der Bräutigam ihn derselben zunächst mit den Worten: „Im Namen des Vaters“ auf die Spitze des Daumens, dann, indem er „und des Sohnes“ fortfuhr, an den Zeigefinger, darauf weitersprechend „und des heiligen Geistes“ auf den Mittelfinger, endlich mit dem Schlußworte „Amen“ auf den vierten, wo er verblieb.

Nach dem Ritual der morgenländischen orthodoxen Kirche hat der Trauring seinen Platz an der rechten Hand. Die Ringe werden hier dreimal gewechselt. Der Bräutigam steckt der Braut zuerst ihren Ring an, dann versetzt der Priester den des Bräutigams an die Hand der Braut; zuletzt bringen Priester und Bräutigam gemeinschaftlich den Ring an die Stelle, wo er bleiben soll. Möglich ist, daß damit ebenfalls an die Dreieinigkeit erinnert werden soll. Vielleicht ist das aber nur eine Umdeutung der Eigenthümlichkeit aller russischen Sagen und Mythen, daß in ihnen die Dreizahl fast allenthalben eine Rolle spielt. Die Väter haben hier nie mehr und nie weniger als drei Söhne. Die Helden reiten auf ihren Fahrten durch dreimal neun Länder, und die Tapfersten unter ihnen sind dreiunddreißig Jahre alt. Sie erreichen endlich ihren Zweck gewöhnlich erst beim dritten Versuche.

Bei den Neugriechen werden bei der Verlobung zwei Ringe, einer von Gold und einer von Silber, ausgetauscht, und die Ceremonie wird auf folgende Weise vollzogen. Der Pope, der sich im Allerheiligsten hinter der mit Heiligenbildern geschmückten Wand befindet, welche jenes vom Schiff der Kirche scheidet, übergiebt den zu Verlobenden angezündete Kerzen und kehrt dann zu ihnen in das Schiff zurück. Hier bringt man ihm die Ringe, die inzwischen auf dem Altar geweiht und gesegnet worden sind, und nachdem er noch ein Gebet über ihnen gesprochen, überreicht er dem Manne den goldenen und der Frau den silbernen, und wiederholt dreimal die Formel: „Der Knecht Gottes N. N. heirathet die Magd Gottes X. im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes für jetzt und fernerhin und alle Zeiten. Amen.“

Bei den Armeniern werden sehr häufig Kinder von drei Jahren, ja noch jüngere mit einander verlobt. Wenn zwei Mütter übereingekommen sind, daß ihre Kinder sich heirathen sollen, so theilen sie die Sache ihren Männern mit, welche die Wahl ihrer Frauen stets gutheißen. Die Mutter des Knaben geht dann mit zwei alten Weibern und einem Priester zu den Eltern des Mädchens und schenkt dem Kinde einen Ring im Namen seines zukünftigen Gatten. Dann wird der Knabe hereingebracht, und der Priester liest eine Stelle aus der Bibel vor und segnet die Verlobten, von denen der kleine Bräutigam der kleinen Braut hierauf bis zu ihrer Verheirathung jedes Jahr ein neues Kleid zu übersenden hat.

Im Abendlande kam früher Aehnliches vor, besonders unter fürstlichen Personen. Vielleicht der kleinste aller Ringe war derjenige, welcher bei den „fiançailles“ der Prinzeß Mary, der Tochter Heinrich’s des Achten, mit dem Dauphin von Frankreich, dem Sohne König Franz’ des Ersten, eine Rolle spielte. Der Bräutigam wurde dabei von dem Admiral Bonnivet, dem französischen Gesandten in London, vertreten. Die Ceremonie fand mit großem Pomp in Greenwich statt, und zwar am 5. October 1518, wo der Dauphin etwa acht Monate und die kleine Prinzeß zwei Jahre alt war. Der König stand vor seinem Throne; neben ihm hatten auf der einen Seite seine Gemahlin und Marie von Frankreich und vor jener die in Goldbrocat gekleidete und von Juwelen strahlende Braut Platz genommen. Auf der andern Seite befanden sich die beiden Legaten des Papstes, Wolsey und Campeggio. Nach einer Rede des Bischofs Tunstal wurde die Prinzeß auf den Arm genommen und die Einwilligung von König und Königin erbeten, worauf Wolsey sich mit einem für die junge Dame passenden winzigen Ringe näherte, in dem sich ein werthvoller Diamant befand. Bonnivet als Vertreter des Prinzen steckte ihr denselben an, worauf sie den Segen empfing und Wolsey im Beisein des Königs und des gesammten Hofes die Messe celebrirte.

Allenthalben knüpfen sich an Trauringe abergläubische Meinungen und Gebräuche, die zum Theil über ganz Europa verbreitet sind. Nicht blos im deutschen Liede heißt es: „Sie hat die Treue gebrochen; das Ringlein sprang entzwei.“ Auch in einer russischen Ballade sagt die Braut: „Wenn ich je an eine andere Liebe denke, so soll sich das Goldringlein von einander thun, und solltest du einem andern Mädchen folgen, so wird der Diamant aus dem Ringe fallen.“ Nicht blos in Tirol und in Hessen glaubt man, daß beim Zerbrechen eines Trauringes bald eins von den betreffenden Eheleuten stirbt, und ebenso ist die Ansicht, daß es eine unglückliche Ehe giebt, wenn der Braut bei der Trauung ihr Ring herabfällt, viel weiter als blos in Norddeutschland verbreitet. Das Zerbrechen eines Eheringes wird von den Frauen in gewissen Gegenden Englands noch jetzt als sicheres Zeichen betrachtet, daß die Gattin in Kurzem eine Wittwe sein werde. In Essex wurde vor einigen Jahren ein Mann ermordet, und seine Wittwe sagte: „Ich dachte mir’s

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_741.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)