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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


doch, daß ich ihn bald verlieren würde; denn neulich zerbrach mir mein Trauring, und meine Schwester kam um ihren Mann, als es ihr ebenso gegangen war. Es ist ein untrügliches Anzeichen.“

In Rußland treffen wir den Gebrauch, daß man den während eines Gewitters fallenden Regen in einem Becken auffängt, auf dessen Boden man einen Trauring gelegt hat. Im Gouvernement Rjäsan glaubt man, daß Wasser, durch einen solchen Ring gegossen, gewisse medicinische Kräfte habe, und nach einer kleinrussischen Sitte muß die Braut dem Bräutigam aus einem Becher Wein zu trinken geben, in den sie ihren Ring gelegt hat. Ein großrussisches Lied, welches offenbar aus mythischen Zeiten stammt und auf den vielleicht durch die Waräger in das Land gekommenen halbgöttlichen Kunstschmied Wieland anzuspielen scheint, lautet: „Da kommt ein Schmied von der Schmiede. Der Schmied, der trägt drei Hämmer. Schmied, Schmied, schmiede mir eine Krone, schmiede mir eine Krone von Gold und neu! Schmiede mir von dem, was übrig bleibt, einen goldenen Ring, und von dem Abfall eine goldene Nadel! Mit jener Krone will ich mich trauen lassen. Mit jenem Ringe will ich mich vermählen. Mit jener Nadel will ich meinen Hochzeitsmantel zustecken.“

In gewissen Gegenden Deutschlands und ebenso in England und Frankreich gilt es für das beste Mittel zur Vertreibung eines Gerstenkornes am Auge, wenn man dasselbe mit einem goldenen Trauringe reibt, doch muß dies in Deutschland drei Mal, in England neun Mal, und zwar schweigend geschehen. Wenn in Deutschland Leute zu arm sind, um sich Trauringe von Gold zu kaufen, so thun es silberne auch, ja zur Noth können ein paar gewechselte Geldstücke die Ringe vertreten. Dagegen herrscht unter den irischen Bauern vielfach der Glaube, eine Trauung, bei der kein Goldring gebraucht worden, habe keine Gültigkeit. Es giebt daher Leute, welche ihnen solche Ringe gegen eine kleine Erkenntlichkeit leihen, und an manchen Orten hat die Gemeinde einen Trauring angeschafft, der bei jeder Trauungsceremonie verwendet, vom Priester verwahrt und jedes Mal, wo man seiner bedarf, mitgebracht wird.

In ganz England nicht blos, sondern auch in Amerika spielt der Hochzeitskuchen bei Verheirathungen eine wichtige Rolle, und hier wie dort knüpfen sich an ihn, in Verbindung mit dem Trauringe, allerlei abergläubische Gewohnheiten. Im Norden Englands wie in gewissen Landstrichen am Mississippi und Ohio herrscht die Sitte, jenen Kuchen zu einem Orakel zu verwenden. Man schneidet ihn in schmale Stücke, zieht diese neun Mal durch den Trauring hindurch und giebt sie den unverheiratheten Hochzeitsgästen, die sie sich dann des Nachts unter ihr Kopfkissen legen, da sie auf diese Weise von ihrem Liebhaber oder ihrem zukünftigen Manne zu träumen hoffen.

Ferner wird am 6. October, dem Tage der heiligen Fides, in den nördlichen Grafschaften Englands vielfach noch folgender Zauber getrieben. Drei Mädchen thun sich zusammen, um einen Kuchen von Mehl, Quellwasser, Zucker und Salz zu bereiten. Derselbe wird dann in einem Ofen gebacken, wobei die Drei strenges Stillschweigen zu bewahren haben und den Kuchen dreimal umwenden müssen. Ist er gehörig durchgebacken, so zerschneidet man ihn in drei gleich große Theile, und jedes Mädchen muß ihr Stück wieder in neun Streifen zerschneiden und jeden derselben durch einen Trauring schieben, welchen sie sich von einer sieben Jahre verheiratheten Frau geborgt hat. Dann hat sie ihre Kuchenschnitte, während sie sich auskleidet, zu essen und dazu einen Spruch herzusagen, der in deutscher Uebersetzung lautet: „O gute Sanct Fides, sei freundlich heut’ Abend und bring’ mir meinen Herzensschatz her! Laß mich meinen zukünftigen Mann sehen und meine Traumbilder keusch und rein sein!“ Alle Drei müssen sich dann in ein und dasselbe Bett legen, nachdem sie den Ring darüber aufgehangen haben. Sie sehen dann ganz sicher ihren Zukünftigen. Selbst der Finger, an dem man einen Trauring getragen hat oder einmal tragen kann, besitzt, nach der Meinung des Landvolks in Somersetshire, heilende Kraft. Während eine Berührung von Wunden mit den anderen Fingern dieselben „vergiften“ würde, werden sie, mit diesem bestrichen, in kurzer Zeit sich schließen und vernarben.

Alte Legenden behaupten, daß der heilige Joseph und die Jungfrau Maria bei ihrer Eheschließung sich eines Ringes von Onyx oder Amethyst bedient hätten. Diese Entdeckung wird in das Jahr 996 n. Chr. verlegt, wo ein Juwelier aus Jerusalem einen solchen einem Edelsteinhändler zu Clusium überbracht und letzterer seinen Ursprung herausgefunden haben soll. Bald wurde man, wie die Sage weiter berichtet, auch gewahr, daß der Ring wunderthätige Eigenschaften besaß, und man brachte ihn in eine Kirche, wo er allerhand erstaunliche Heilungen bewirkte, die jedoch immerhin noch nicht so erstaunlich waren, wie die fernere Gabe des Ringes, sich zu vervielfältigen. Nicht lange dauerte es, so hatten ein halbes Hundert Kirchen ähnliche Ringe; alle waren echt, und allen erwies man dieselbe fromme Verehrung – eine Thatsache, die indeß nicht zu sehr angestaunt werden darf, da der echten Stücke vom Kreuze Christi wenigstens noch zehnmal mehr waren und noch sind, sodaß man von ihnen „ein Linienschiff bauen“ könnte. Einer von jenen Trauringen Maria’s oder des Pflegevaters Jesu wird im Dome von Perugia verwahrt, aber jedes Jahr nur einmal, nämlich am Tage Sanct Joseph’s, gezeigt. Er ist ein einfacher Goldreif, aber sechsmal so dick, wie ein gewöhnlicher Trauring, sodaß Joseph ein sehr großer Herr gewesen sein muß.

Die Juden bedientet sich im sechszehnten Jahrhundert (vielleicht auch schon früher) und noch später bei ihren Trauungen ungemein großer und reichverzierter Ringe, von denen uns eine Anzahl in Abbildungen vorliegen. Dieselben haben die Gestalt von Trommeln ohne Fell, zeigen auf der einen Seite eine erhaben gearbeitete, über anderthalb Zoll hohe Darstellung eines Hauses, dessen Dach bei einigen wie bei einen Zelte bis auf den Boden reicht, oder eines Kuppeltempels mit Seitenthürmen und enthalten gewöhnlich eine hebräische Inschrift, die mit „Viel Gutes wünsche ich“ zu übersetzen ist. Das Haus oder der Tempel hat Thürchen, die sich in kleinen Angeln drehen, und enthielt aller Wahrscheinlichkeit nach ein Amulet. Diese Ringe wurden selbstverständlich nicht im gewöhnlichen Leben, ja überhaupt wohl nur während der Trauungsceremonie getragen und nach derselben durch einfachere ersetzt. Gegenwärtig sind dergleichen unbehülfliche Kleinode nicht mehr in Gebrauch, wenigstens nicht in Deutschland.

Wir schließen mit einigen kleinen Fabeln und Geschichten, die sich an Trauringe knüpfen.

Im Jahre 1058 hatte sich ein junger Mann von vornehmer Geburt zu Rom verheirathet, und während die Hochzeitsfestlichkeit mit ihrem Schmause noch fortdauerte, ging er mit seinen Freunden in den Garten des Hauses, um Ball zu schlagen. Um dabei nicht behindert zu sein, steckte er seinen Trauring einer Statue der Venus, die sich dort befand, an den Finger. Nachdem er das Spiel beendigt hatte, ging er, um sich den Ring wiederzuholen. Aber wie erstaunt war er, als er fand, daß der Finger, an den er ihn gesteckt, sich krumm gebogen und fest an die innere Handfläche der Statue gelegt hatte. Umsonst versuchte er ihn los zu machen oder zu zerbrechen. Er verbarg die Sache seinen Gefährten und kehrte in der Nacht mit einem Diener zurück, aber siehe da, der Finger war jetzt wieder gestreckt und der Ring verschwunden. Er ließ sich von dem Verluste nichts merken und ging zu seiner Frau zurück. Aber jedesmal, wo er sie umarmen wollte, fand er sich durch ein dunkles und greifbares Etwas daran verhindert, welches dazwischen trat, und er hörte, wie eine Stimme sagte: „Umarme mich; denn ich bin Venus, der Du Dich heute vermählt hast, und ich werde Dir Deinen Ring nicht wiedergeben.“ Da diese Worte ihm fortwährend wiederholt wurden, besprach er sich endlich mit seiner Verwandten, und diese nahmen ihre Zuflucht zu dem in allerlei Zauberkünsten erfahrenen Priester Palumbus. Dieser gebot dem jungen Manne, zu einer gewisser Stunde an eine Stelle zwischen den Trümmerstätten des alten Rom zu gehen, wo vier Straßen sich kreuzten, und hier schweigend zu warten, bis ein Zug vorbeikomme. An dessen Ende werde ein majestätisches Wesen in einem Wagen daher fahren, dem solle er einen Brief überreichen, welchen er, der Zauberer, ihm jetzt mitgab. Der junge Mann that, wie ihm geheißen, und sah eine große Schaar Menschen von aller Altern, Geschlechtern und Ständen, einige zu Fuß, einige zu Roß, andere zu Wagen an sich vorbeiziehen. Manche waren lustig, manche traurig. Unter ihnen befand sich ein frech blickendes Weibsbild, das auf einem Maulthiere ritt. Bei ihrer durchsichtigen Kleidung sah sie wie nackt aus. Ihr langes Haar, das ihr über Schultern und Rücken herabwallte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 742. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_742.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)