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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


den Fang. Aber schon Mitte August sprang der Wind nach Westen um und nahm an Stärke zu; vor ihm her drängte das Pack wieder nach der Küste. Das Gefährliche ihrer Lage wohl erkennend, versuchten nun die Capitaine ihre Schiffe südwärts in Sicherheit zu bringen, wurden aber, ehe ihnen dies gelang, von dem Eise umschlossen. Nur zwei Schiffe, „Rainbow“ und „Three Brothers“, geschützt durch eine ausspringende Landzunge, ankerten noch sicher in der Nähe der Barrowspitze; einige andere, welche, genau wie im Jahre 1871, sich nicht so weit vorwärts gewagt hatten, befanden sich außerhalb der Gefahr am Eiscap. Zwölf Fahrzeuge waren am 24. August vom Eise besetzt, trifteten hülflos mit diesem hin und her und wurden vielfach beschädigt. Je nachdem das Pack sie gefaßt hatte, lagen sie von Wainwright’s Inlet nordwärts an verschiedenen Punkten nahe der Küste.

Um für alle Fälle zu sorgen, unternahmen es verschiedene Mannschaften, Proviant nach der unwirthlichen Küste zu bringen. Da aber gleichzeitig auch noch dichter Nebel eintrat, verirrten sich die abgesandten Leute auf ihrem gefahrvollen Wege; nur ein Theil fand sich zu den Schiffen zurück; verschiedene waren verunglückt oder durch die Kälte umgekommen. Ende August gerieth das Eis plötzlich in ein beharrliches Treiben und führte acht der Schiffe mit sich, ungefähr dreißig Seemeilen weit um die Barrowspitze nach Osten. Dort setzte das Pack sich fest und staute sich in gewaltigen Massen auf. Nach wenigen Tagen schon hatten sich die Capitaine überzeugt, daß ihre Lage hoffnungslos und auch nicht ein Fahrzeug zu retten war. Da die Jahreszeit schon weit vorgerückt war, man auch nicht Proviant genug hatte, um zu überwintern, wurde in einer allgemeinen Berathung beschlossen, die Schiffe schleunigst zu verlassen, der Küste folgend sich über das Eis nach Süden zu retten und dort Zuflucht auf einem vielleicht außerhalb der Felder kreuzenden Walfänger zu suchen. Ein Theil der Bemannung jedoch fürchtete die Gefahren und Anstrengungen eines in seinem Erfolge so ungewißen Zuges und etwa fünfzig Leute blieben auf den Schiffen zurück, um dort zu überwintern, während die übrigen, über zweihundert an der Zahl, am 5. Septbr. abmarschirten. Diese nahmen nur das Nothwendigste an Kleidung und Waffen, für drei Wochen Nahrungsmittel und natürlich auch die nöthigen Boote mit sich.

Da das Eis sehr uneben lag, war der Zug mit unendlichen Schwierigkeiten verknüpft; man mußte erst das Gepäck voraustragen, dann zurückkehren und die Boote ebenfalls so weit vorwärts schaffen; dann hatte man wieder Canäle und Flächen freien Wassers zu passiren, die Boote bald flott zu machen, bald wieder auf das Eis zu heben, das mitgeführte Gepäck aus- und einzuladen. Es bildete sich auch schon neues Eis, welches die Menschen nicht trug und für die Fahrt in den Booten erst zerschlagen werden mußte. Unter solchen Umständen kam man nur langsam vorwärts; verschiedene Leute wurden muthlos und kehrten wieder nach den Schiffen zurück. Am 9. September erreichte die abziehende Schaar nach großen Mühseligkeiten die Barrowspitze und die beiden unversehrt dort liegenden Schiffe. Deren Capitaine hofften sie aber noch zu retten, da sie nicht direct vom Eise besetzt, sondern nur umzingelt waren und meinten, daß eine günstige Brise freies Fahrwasser öffnen würde. Die von den verunglückten Schiffen kommenden Mannschaften wollten aber nicht warten; sie construirten Schlitten, setzten die Boote darauf und zogen quer über das Land nach der andern Seite der Barrowspitze. Dort trafen sie am 11. September statt freien Fahrwassers nur unabsehbares Eis und die Bark „Florence“ in diesem festsitzend. Nun wurde alle Hoffnung aufgegeben. Man beschloß, an der Barrowspitze zu überwintern und möglichst viele Wale zu fangen zur Ernährung so vieler Menschen während des Winters.

Da kam Rettung. Eine scharfe Brise setzte von Osten ein, trieb das Eis ab und zertheilte es. Die Bark „Florence“ wurde frei, nahm alle Schiffbrüchigen an Bord und segelte an der Küste entlang nach Süden. An Mainwright’s Inlet wartete man auf die etwa noch Nachkommenden. Am 18. August erschienen noch „Rainbow“ und „Three Brothers“; die Schiffbrüchigen wurden auf drei Fahrzeuge vertheilt und erreichten in ihnen nach wenigen Wochen Honolulu und San Francisco.

Zwölf Schiffe sind im Eise verunglückt. Auf denen im Nordosten der Barrowspitze sind etwa neunundfünfzig Menschen zurückgeblieben, welche einem langen traurigen Winter entgegensehen. Es ist möglich, daß trotz mangelnder Provisionen viele der Unglücklichen ihn überleben, da ja auch Eskimos an jenen unwirthlichen Küsten existiren, und daß sie im nächsten Sommer durch nordwärts kreuzende Walfänger wieder der Heimath zugeführt werden.

P.-L.

Ein hübsches Weihnachtsgeschenk für die Kinderstube. In pädagogischen Kreisen haben die vom Lehrer Ad. Lehmann herausgegebenen „Thierbilder für den Anschauungsunterricht, in Buntdruck nach Aquarellen von H. Leutemann“, durch ihre Naturwahrheit, ihre schöne Ausführung und ihr großes Format – achtundachtzig Centimeter Länge und sechsundsechszig Centimeter Breite – so reiche Anerkennung gefunden, daß bereits eine zweite Auflage davon erschienen ist. Die ganze Sammlung besteht aus fünfzehn Blättern, deren jedes meist nur ein Thierstück bietet und in höchst praktischer Weise auf starkem Cartonpapier mit Leinwand-Schutzrand und Oesen zum Aufhängen für den sofortigen bequemen Gebrauch hergerichtet ist. Wir meinen, daß diese prächtigen Bilder nicht nur der Schule, sondern auch dem Hause recht erwünscht kommen und namentlich eine hübsche Zierde der Kinderstube bilden. Es sind so zum größten Theile die Lieblinge der Kinderwelt, die ihr hier in lebensvollen Bildern naturgetreu vorgeführt werden. Jedes Bild ist einzeln zu haben. Man wählt sich also diejenigen aus, welche man am hübschesten findet, und hängt sie daheim in der Kinderstube zur Freude und Belehrung der Kleinen an der Wand auf. Die Sammlung enthält folgende Bilder: Katze, Hase, Pferd, Karpfen, Maikäfer und Schmetterling (mit Verwandlung), Spinne und Krebs, Hund, Schaf, Storch. Ein vollständiges Exemplar kostet 20 Mark, ein einzelnes Bild 1 Mk. 50 Pf.




Aus der Briefmappe der Gartenlaube.
Zusammengestellt von E. K.


G. in M. Es ist richtig, daß eine Bewegung im Gange ist, durch welche in Bezug auf die neue Standesamtseinrichtung irrthümliche Vorstellungen erzeugt und die Begriffe der Bevölkerungen verwirrt werden sollen. Katholische wie protestantische Jesuiten betreiben diese offene oder versteckte Hetzerei gegen den klaren Geist und Sinn jenes unbedingt segensreichen Staats- und Reichsgesetzes mit so frevelhafter Planmäßigkeit, daß in der That ein gründliches und energisches Gegenwirken dringend nothwendig geworden ist. Aber es ist eben so gewiß, daß man die Angelegenheit nicht mehr berühren kann, ohne der neu entstandenen protestantischen Synoden zu gedenken, und daß verschiedene Berathungen und Beschlüsse dieser Synoden in den weitesten Kreisen der gebildeten bürgerlichen Welt eine sehr tiefgreifende Erbitterung und Entrüstung hervorgerufen haben.

Die Bestrebungen dieser Leute, d. h. der orthodoxen Partei in der Synode, gehen einfach dahin, die volle Kirchenzucht wieder einzuführen. Zu diesem Zwecke soll von jetzt ab eine Controle errichtet und sollen von der Kirche uns Wächter gesetzt werden, die unser kirchliches Wohlverhalten geschäftsmäßig zu beaufsichtigen haben. Vor den Briefen und Besuchen, den väterlichen Anfragen und Verwarnungen dieser modernen Inquisitoren und Executoren wiederhergestellter „Kirchenzucht“ wird also fortan nur das Haus desjenigen evangelischen Bürgers gesichert sein, der den Herren keinen Anlaß zu Einmischungen giebt, oder sie mit Anstand sich vom Leibe zu halten weiß. Neugierig darf man dabei nur sein, ob sich wirklich viele Bürger finden werden, die ihren Mitbürgern gegenüber die Rolle des Ermahners und Gewissensspürers zu übernehmen wagen. Es dürfte das in unseren Tagen doch häufig ein recht heikles Geschäft werden.

Aber sollte es wirklich in Deutschland noch Menschen geben, die mit offenen Augen nicht sehen, daß es sich bei diesem Kriege wider die Civilehe nicht um eine Frage des Gemeinwohls, der wahren Religion und Sittlichkeit handelt, sondern nur um eine Stellungs- und Interessenfrage priesterlichen Machtbedürfnisses und zelotischen Ehrgeizes? Viele nichtpietistische Geistliche bezeichnen den Kampf deshalb auch als einen Pfaffenkampf und halten sich demselben fern. Wer in aller Welt verliert denn auch, wer ist denn gestört oder verletzt durch den Umstand, daß kirchliche Gebräuche, wie Trauung, Taufe etc., nunmehr seiner freien Selbstbestimmung überlassen bleiben? Zeige man uns doch den Menschen, der fortan an der Uebung dieser frommen Acte gehindert würde. Sind sie denn etwa gar verboten oder abgeschafft worden, erhalten sie nicht vielmehr erst ihren Werth und ihre rechte Weihe durch die Freiwilligkeit des inneren Dranges?

Davon aber will bekanntlich der orthodoxe Geist nichts wissen, weil er weiß, daß er nicht die Fähigkeit besitzt, durch seine eigene Kraft eine Autorität zu gewinnen, wie sie ihm bis jetzt mit der bloßen geistlichen Amtsstellung so überaus bequem in den Schooß gefallen ist. Er bedarf für seine Existenz der kirchlichen Zwangsmittel, und wo diese seinen Händen entgleiten, da geht es in der That mit seiner Herrschaft zu Ende. Darum können es die Orthodoxen dem Staate nicht verzeihen, daß er ihnen den bisherigen Dienst nicht mehr leisten will, und darum sinnen sie grollend auf Maßregeln, wie trotz alledem der vom Staate in religiöser Hinsicht freigemachte Bürger auch fernerhin dem alten Zwange unterworfen bleiben soll. Die Berechnung, von der man dabei ausgeht, ist eine ziemlich schlaue. Das Ziel wäre erreicht, wenn es gelänge, an die Stelle des beseitigten staatlichen Zwanges den nicht minder tyrannischen Zwang der Sitte, eine Nöthigung durch den gesellschaftlichen Brauch zu setzen. Zu diesem Zwecke aber muß in den Augen des Volkes der Act der bürgerlichen Eheschließung herabgewürdigt, müssen bei den Unwissenden Zweifel an der vollen Gültigkeit dieses Actes erregt, muß er anrüchig gemacht und gleichsam mit einem sittlichen Makel behaftet, d. h. die nur vom Standesamt bewirkte Ehe als unrespectabel, gleichsam als Concubinat bezeichnet werden. Wer die Dinge kennt, der weiß, daß die betreffenden geistlichen Agitationen sämmtlich auf diese Absicht hinauslaufen. Das deutsche Volk aber hat sich bis jetzt redlich dieser Finsterlinge erwehrt; es wird sich auch in einem so hochwichtigen Punkte nicht von ihnen irre machen lassen und die frommen Intriguenschmiede an die betreffenden Aussprüche Luther’s erinnern, der u. A. einst wörtlich geschrieben hat: „Gott läßt oft in der Schrift bezeugen, er wolle keinen gezwungenen Dienst, und soll Niemand sein werden, er thue es denn aus Lust und Liebe. Hilf Gott, haben wir denn nicht Sinne und Ohren? Ich sage abermal: Gott will nicht gezwungenen Dienst haben; ich sage zum dritten Mal, ich sage hunderttausend mal: Gott will keinen gezwungenen Dienst haben.“ Ein solcher gezwungener Dienst aber würde jetzt die auf Betrieb jener Dunkelmänner wiederhergestellte äußere Nöthigung zu kirchlichen Handlungen sein.

O. in Rom. Welches Urtheil wir über das vielbesprochene Buch des Grafen A. Adelmann: „Aus Italien. Sieben Monate in Kunst und Natur“ fällen? Wir selbst – gar keins, denn wir kennen es kaum und haben es nicht gelesen. Ein lieber Freund, ein feingebildeter Kopf und vielgereister Mann, der selbst viele Monate in Italien lebte, schrieb uns aber ganz zufällig vor einigen Monaten darüber:

„Auch die Adelmann’schen Briefe über Italien habe ich theilweis gelesen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_814.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)