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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

schwungvoll als gegenwärtig in Holland betrieben. Ungeheuere Summen werden demselben in Holland geopfert; unzählige Arten, alle in Blatt und Farbe verschieden und specielle Namen führend, bilden den Stolz der holländischen Rosenzüchter, wandern von dort nach dem englischen Kreideland, bis an die Newa und nach den Gestaden des Bosporus, in die Gärten des Sultans und seiner Großen; denn selbst auf diesem Gebiete empfängt nunmehr der Orient mit Zinsen zurück, was er einst in bessern Tagen dem Occident geliehen. Am Tigris und Euphrat war die Rose bereits zu Herodot’s Zeit allgemein verbreitet, und die Babylonier huldigten ihr, indem sie mit metallenen oder in Holz sculpirten Abbildern der Lieblingsblume ihre Stäbe schmückten. Sie zählten wohl auch zu den Ersten, welche den köstlichsten Bestandteil der Zellen des Blütenblattes, das herrlich duftende Oel, durch einen den Griechen und Römern unbekannt gebliebenen Proceß schon frühzeitig zu extrahiren wußten. Das Rosenöl bildet noch heute den beliebtesten Parfümerie-Artikel im südlichen Asien. Zu Ghazimpur am Ganges wird es in großen Quantitäten erzeugt, aber es steht hoch im Preise, und der Unbemittelte muß sich mit dem billigeren Rosenwasser begnügen. Das indische Rosenöl beherrscht den orientalischen Markt, ja gelangt selbst nach Persien, dessen vielbesungene „Flur Schiras“ wohl Rosenwasser, aber nicht das kostbare ätherische Oel erzeugt. Auch die einst berühmte Rosenöl-Production Aegyptens ist im Sinken begriffen; Srinagars Fluren sind beinahe aufgegeben, auch jene von Medinet-Fajum sind vernachlässigt; sie decken kaum mehr den Bedarf im Lande des Khedive.

Was also in Indien, Persien und Aegypten an Rosenöl und Rosenwasser producirt wird, genügt nur für das Bedürfniß des Orients. Die großen, von europäischen und namentlich englischen Parfümeuren verbrauchten Quantitäten dieses kostbaren Stoffes werden aber nahezu ausschließlich in den pittoresken Gefilden an der thracischen Seite des Central-Balkans gewonnen. Dort, in einem ziemlich zusammenhängenden Complexe von mit Rosenculturen besäeten Districten, liegt ihr Mittel- und Hauptpunkt, Kazanlik, das noch seines Dichters wartet. Selbst Moltke, den „Schweiger“, versetzte der Anblick des „Kazanlik-Tekne“ in Enthusiasmus. Er nannte es das Kaschmir Europas, das türkische Güllistan, das Land der Rosen.

„Diese Blume wird hier nicht wie bei uns,“ schreibt Moltke, „in Töpfen und Gärten, sondern auf Feldern und in Furchen wie die Kartoffel gebaut. Nun läßt sich wirklich nichts Anmuthigeres denken, als solch ein Rosenacker; wenn ein Decorationsmaler dergleichen malen wollte, so wurde man ihn der Uebertreibung anklagen. Millionen, ja viele Millionen von Centifolien sind über den lichtgrünen Teppich der Rosenfelder ausgestreut, und doch ist vielleicht jetzt erst der vierte Theil der Knospen aufgebrochen. Nach dem Koran entstanden die Rosen erst während der nächtlichen Himmelfahrt des Propheten, und zwar die weißen aus seinen Schweißtropfen, die gelben aus denen seines Thieres, die rothen aus denen des Gabriel, und man kommt in Kazanlik aus die Vermuthung, daß wenigstens für den Erzengel jene Fahrt sehr angreifend gewesen sein muß.“

Wie wunderprächtig das Thal von Kazanlik ist, dafür spricht schon, daß von den hundertdreiundzwanzig thracischen Orten welche die Rosenölproduction als Hausindustrie treiben, zweiundvierzig ihm angehören und daß von eintausendsechshundertfünfzig Kilogramm, die durchschnittlich jährlich im „europäischen Güllistan“ gewonnen werden, achthundertfünfzig etwa, also mehr als die Hälfte auf dieses entfallen. Die Ziffern steigen und fallen natürlich je nach der buchstäblich von „Wind und Wetter“ abhängigen Rosenernte. Die thracische Rosenölproduction beträgt beispielsweise in dem allerdings außerordentlich günstigen Jahre 1866 nahe an dreitausend Kilogramm und sank im Jahre 1872 durch Frost und Hagel auf achthundert Kilogramm. Welch riesiges Terrain aber die Rosencultur beansprucht, geht daraus hervor, daß durchschnittlich dreitausendzweihundert Kilogramm Rosen erst ein Kilogramm Oel geben.

Die thracische Rose (Rosa damascena, sempervirens und moschata) mit ungefüllten, leichtrothen Blüthen gedeiht am besten auf sandigen, der Sonne ausgesetzten Hängen. Die Pflanzung erfolgt im Frühlinge und Herbste, die Ernte im Mai bis Anfang Juni. Der bäuerliche Rosenzüchter ist auch größtenteils Oelproducent, es giebt jedoch bereits solche, welche ihre Ernte in natura an die größeren Destillationen der Stadt, unter welchen die Firma „Brüder Papasoglu“ die berühmteste, abliefern. Sie erhalten je nach dem Ausfalle der Qualität pro Okka (gleich zweiundeinviertel Wiener Pfund) dreißig bis sechszig Para (gleich siebenundeinhalb bis fünfzehn Neukreuzer).

Die an den Abhängen des Balkans wachsende Rose ist um fünfzig Procent ölhaltiger als jene in der Ebene, sie giebt auch das stärkere Oel, ist theurer und mehr gesucht.

Die Rosenölproduction ist zweifach besteuert. Im Mai wird die Rosenernte von Regierungsorganen abgeschätzt und mit den andern Naturalsteuern von deren Pächtern zum Durchschnittsverkaufspreise des Jahres im Betrage von zwölfundeinhalb Procent der anzuhoffenden Ernte in Geld eingehoben. Das Oel selbst ist mit einer besondern zweiten Steuer belastet, und diese war vor zehn Jahren so übermäßig hoch, daß der gesammte blühende Industriezweig ernstlich bedroht erschien und die Bauern an Stelle der Rosen Mais etc. pflanzten. Zu jener Zeit nahmen die türkischen Zollämter noch überdies fünfzig Bara (gleich zwölf und einhalb Neukreuzer) pro Muskal Ausfuhrware. Gegenwärtig erhebt die Regierung außer dem Zehent, an Djumruk nur fünf Para pro Muskal (einundeinviertel Neukreuzer pro Medical) Ausfuhrzoll. Der Preis von huntdertdreiundzwanzig Muskal (gleich ein Wiener Pfund) Rosenöl bester Qualität betrug an Ort und Stelle in den letzten Jahren durchschnittlich hundertfünfundachtzig bis zweihundert Gulden österreichische Währung. Die Versendung des Rosenöls erfolgt in runden, hermetisch verlötheten Blechflaschen à fünfhundert Muskal, welche in dichtes, trefflich schützendes „Kecetuch“ (bulg. plos) eingenäht werden.

Das nach Europa in den Handel gelangende Rosenöl wird durch Mengung der Oele aus den Blüthen der Ebene und jenen der Berglagen auf zwölf bis dreizehn Grad Reaumur hergerichtet. Nur durch langjährige Erfahrungen läßt sich echtes von gefälschtem Rosenöle unterscheiden. Kenner unterscheiden es nicht allein am Geruche, sondern auch am Aussehen der Masse. Nach der Meinung der Eingebornen wird zur Fälschung Geraniumöl verwendet, nach wissenschaftlichen Untersuchungen ausgezeichneter englischer Chemiker ist es aber ausschließlich das aus Andropogon- und Cymbopogongräsern erzeugte „Idrisöl“, welches dem Rosenöle beigemengt wird. Die Moralität des Verkäufers gewährt die einzige Garantie für die Reinheit des kostbaren Rosenöls, und neben der bereits genannten Firma, welche sich neuestens mit Manoglu u. Sohn vereinigte und eine Filiale in Leipzig führt, können wir hier noch weiter als renommirte Häuser Ihmsen u. Comp., dann Holstein u. Comp. zu Constantinopel nennen.“

Ueber die außerordentliche Einfachheit der Bereitung des Rosenöls theilt F. Kanitz ein Bild mit, welches uns zwar nicht viel Aufschluß über seinen Gegenstand giebt, aber um so beachtenswerther für das friedliche Verhältniß ist, in welchem vor dem Kriege die Menschen verschiedenen Glaubens miteinander zu leben vermochten. Kanitz hatte die Nordseite des Balkans erreicht und von Travna aus mit einem bulgarischen Freunde einen Ausflug gemacht. „Mit kleinem Umwege,“ erzählt er, „führte mich mein Begleiter nach einer anmuthigen Lehne, an deren schattigem Hange ich zu meinem nicht geringen Erstaunen einen Geistlichen in bester Harmonie mit einem alten Türken bei der Destillation von Rosenöl beschäftigt fand. Es war eine Scene, wie sie nicht leicht freundlicher gedacht werden kann. Eben hatte des Popen Töchterlein prächtig duftendes Rosenmaterial in Körben für den bereits geheizten Kessel herbeigebracht, dessen Rohr durch einen Kühlbottich lief. Ein munter plätschernder Quell füllte ihn fortwährend mit frischem Wasser; daneben standen Flaschen, in welche der Türke die abgeschöpfte fette, wohlriechende Essenz durch einen Trichter mit kaum sichtbarer Oeffnung träufeln ließ. Ich konnte es mir nicht versagen, den primitiven, genau so wie in Kazanlik betriebenen, hier aber in malerischester Weise sich darstellenden Proceß mit einigen Strichen zu skizziren. Während dieser Arbeit erfuhr ich, daß Travna der einzige Ort am Nordhange des Balkans sei, welcher Rosenöl erzeugt, und daß Pope Stefan die Destillation für dessen drei Rosenpflanzer besorge, welche zusammen 1 1/4 bis 1 1/2 Kilogramm Oel in den Handel bringen. Der freundliche Pope verehrte mir ein Fläschchen „za spomenj“ (zur Erinnerung) und wir zogen weiter.“

Die Bereitung des Rosenöls ist bekannt. Vierzig Pfund frischer Rosen werden mit sechszig Pfund

Wasser in eine Blase gebracht. Die Masse wird mit den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_090.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)