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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


In den Zimmern ist hier eine solche Menge des Seltenen, Schönen und Werthvollen aufgehäuft, wie es in Wien wohl kein zweiter Privatmann besitzt. Durch Jahrzehnte hat Amerling, mit einer wunderbaren Spürkraft für verborgene Schätze begabt und mit dem feinsten Verständnisse für alle Zweige der Kunst und des Kunstgewerbes ausgerüstet, rastlos gesammelt und stets neue Stücke erworben, bis der Raum seines Hauses zu enge ward und er den weniger ausgezeichneten Sachen Plätze auf dem Dachboden anweisen mußte. Die drei Zimmer des ersten Stockwerkes, in welche Fremde Zutritt finden, enthalten die Auslese seines Besitzes. Da sind kostbare Schränke in Ebenholz und Elfenbein, andere mit reicher Intarsia, dazwischen feine Schnitzereien aus verschiedenen Zeiten und Ländern, Rüstungen, Waffen in Ueberfluß, an den Wänden Bilder berühmter Meister, darunter ein herrlicher Van Dyk, der aus dem Besitze eines leichtsinnigen Kunstgenossen in jenen Amerling’s überging und wiederholt Gegenstand vergeblicher Bewerbung von Seite öffentlicher Galerien war, Majoliken, Fayencen und Schmelzglasarbeiten von Murano, altes Wiener und Meißener Porcellan an allen Ecken und Enden. In einer Ecke eine Terracotta-Büste, die, wenn nicht Luca della Robbia selbst, sicher seiner Schule angehört. Die Mittelnische des letzten Zimmers ist geschmückt durch die Marmorcopie des „Ruhenden Mercurs“ Thorwaldsen’s , in Rom von einem seiner Schüler unter Leitung des Meisters ausgeführt. Kleine Kästchen in Holz und Bronze, deutsche und italienische Renaissance, theilweise von wunderbarer Schönheit der Ausführung, wechseln mit Thonkrügen und böhmischem Glaswerk. Dazu gesellen sich, um das Museum vollständig zu machen, Bruchstücke aller Art, so eine Dogenmütze und die Uhr Wallenstein’s, letztere von einem Nachkommen des großen Feldherrn erworben.

Haben wir die Sammlungen des ersten Stocks bewundert und gehören wir zu den Freunden des Hausherrn, dann können wir hinabsteigen in das Erdgeschoß, wo die eigentlichen Wohn- und Schlafzimmer der Familie liegen. Die Einrichtung da unten ist nicht weniger sehenswerth, denn Amerling besitzt kein einziges modernes Möbel. Die Schränke, Tische und Stühle sind alle von schöner alter Arbeit, und wenn die liebenswürdige Hausfrau uns einen Imbiß anbietet, so speisen wir von Tellern, die sich von heutiger Fabrikwaare sehr zu ihrem Vortheile unterscheiden. Der Hausherr hat selbst seinen Anzug, ohne gerade eine auffallende Tracht zu tragen, der Einrichtung etwas angepaßt. Der Maler hilft dem Schneider nach, der für ihn arbeitet. Sein Sammetrock, seine Plüschweste haben einen schöneren Schnitt, als die Mode will, und auf den weißen Haaren sitzt zu Hause ein schwarzes Barett, auf der Straße ein weicher breiter Schlapphut. Von jenem entsetzlichen Kleidungsstücke, welches die heiteren Götter „Schwalbenschwanz“, die staubgeborenen Menschen „Frack“ benennen, bleibt Amerling’s Leib unberührt wie sein Haupt vom Cylinderhute. Er hat die meisten Mitglieder des kaiserlichen Hauses gemalt und Audienzen bei dem Monarchen genommen, ohne seinen äußeren Menschen in herkömmlicher Weise zu verunstalten, denn Schönheitssinn und berechtigtes Unabhängigkeitsgefühl bilden die Grundlage seines Wesens.

Mancher jüngere Maler, der nicht gleich Makart hohen Gewinn aus seiner Kunst zieht und die schlechte Zeit bitter empfindet, mag wohl ein bischen neidisch werden, wenn er Amerling’s Haus betritt und den hohen Wohlstand desselben betrachtet. Selten gelang es einem Wiener Künstler der ältern Zeit, sich durch sein Talent allein ein so behäbiges Hauswesen zu gründen. Amerling war aber immer ein guter Wirth, warf sein Geld nicht in dummen Streichen und „genialen“ Ausschweifungen zum Fenster hinaus, sondern lebte bei aller Fröhlichkeit und Frische seines Naturells als vernünftiger, solider Familienvater. Er heirathete sehr früh. Seine erste Frau ist lange todt, aber die Jugend blieb so treu bei ihm, daß die Spätblüthe seiner zweiten Ehe sich voll und glücklich entwickeln konnte. Betrachtet man die Lebensfreudigkeit, die noch heute in ihm waltet, so möchte man glauben, er sei stets ein Liebling des Glückes gewesen und von einer freundlichen Fee gegen alle Widerwärtigkeiten beschützt worden. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Der Pfad seiner Jugend war steinig und steil; aus eigener Kraft hat er sich emporgerungen. Als Schüler der Wiener Kunstakademie – Anfangs der zwanziger Jahre – mußte er lange sparen, bis er sich die nothwendigen Geräthschaften zur Oelmalerei ankaufen konnte, und als er durch einige Portraits ein paar hundert Gulden verdient hatte, däuchte er sich ein Crösus und unternahm das Wagestück, mit diesen geringen Mitteln nach London und Paris zu reisen. Noch heute gedenkt er dankbar der freundlichen Aufnahme, welche zwei hochberühmte Meister dem armen, unbekannten Jünglinge gewährten: der Engländer Lawrence und der Franzose Horace Vernet. Sie erkannten und würdigten die hohe Begabung des bescheidenen Wieners, und ihre Aufmunterungen waren ihm ein mächtiger Hebel; ihr Lob gab ihm das Maß seiner Kraft. Bald darauf stieg sein Ruf durch einige historische Bilder („Dido auf dem Scheiterhaufen“ und „Moses in der Wüste“); er gelangte zu Ruhm und Geld. Dann zog er nach dem gelobten Lande der Kunst, nach Italien, das er seitdem mehr als ein dutzendmal besucht hat und an dem er mit wahrer Schwärmerei hängt. Dort fand er das Geheimniß der Schönheit, dort die tiefen, leuchtenden Farben, in welchen seine Gemälde prangen. Bald wollten alle hochgestellten und vornehmen Leute von ihm gemalt sein – ein Auftrag drängte den andern, und durch fast dreißig Jahre war er der gesuchteste Portraitmaler Wiens.

Zwischen den Bildnissen entstand eine Menge anderer Werke, die theilweise durch den Kupferstich ungeheure Verbreitung erlangten, so die „Lautenschlägerin“, die „Morgenländerin“, die „Schlafenden Kinder“, „Rebekka“ etc. Nicht ein einziges dieser Bilder, die vor so langen Jahren entstanden, erscheint uns heute altmodisch, während die Arbeiten der gleichzeitigen Wiener Meister bei aller sonstigen Bedeutung an einer gewissen Steifheit leiden, ja selbst in Danhauser’s Gemälden zuweilen Spuren derselben hervortreten. Amerling’s Bilder altern so wenig wie er selbst, der mit Rückert von sich sagen mag:

„Aber jung geblieben
Ist mein altes Lieben
Und der Himmelsschwung
Der Begeisterung.“

Es giebt manchen Maler in Wien, der im eigenen Hause wohnt. Der treffliche alte Schilcher, der jetzige Vorstand der Wiener Kunstgenossenschaft, der Schlachtenmaler Sigmund l’Allemand, der Sohn des „alten Fritz“ mit der unsterblichen rothen Weste und dem Räuberhute, der Landschafter Obermüllner und Andere zählen zu den Glücklichen, die jeder niedern Sorge enthoben sind. Ebenso der ewig frohe Felix; ein echter Träger seines Namens, hat er sich gar auf dem Gipfel des Kahlenbergs ein stolzes Schloß in französischem Renaissancestyl erbauen lassen, aber kein Zweiter hat sein Heim so feinsinnig geschmückt wie Amerling, und nirgends waltet so wohlthuende Herzlichkeit, wie in dem Giebelbau an der Gumpendorfer Linie, dem wahren Malerhause Wiens.

Karl von Thaler.




Ein Diplomat der alten Schule.


In seinem Wirken vom bedeutendsten Einfluß auf die Geschicke Preußens und Deutschlands, in seinem äußeren Auftreten einer der liebenswürdigsten Salondiplomaten, ist Fürst Hardenberg, der als preußischer Staatskanzler zwölf Jahre hindurch sich in so hoher Stellung behauptete, unter allen Vorgängern des jetzigen Reichskanzlers als der bedeutendste zu bezeichnen, obgleich er sich gerade in seinem Wesen am meisten von ihm unterschied; denn er gehörte zu den Diplomaten der alten Schule, denen weltläufige Gewandtheit und die Kunst, mit einer gewissen Grazie über alle Schwierigkeiten hinwegzugleiten, das Ideal ihres Wirkens war, zu den Diplomaten des Salons, während man den Fürsten Bismarck einen Diplomaten des Schlachtfeldes nennen könnte, der selbst mit soldatischer Bravour für seine Theorie von Blut und Eisen eintritt. Auch Hardenberg’s Charakterbild schwankt, von der Parteien Haß und Gunst verwirrt, in der Geschichte. Wie schroff stehen sich die Urtheile der Zeitgenossen über

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_133.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)