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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

erscheint und fragt, womit er dem Monsieur Thiers dienen kann. Der Herzog von Orleans wird „König der Franzosen“ und Thiers Secretär im Finanzministerium.

Nr. 4. Sowohl das Büffet wird angesteckt –

Zu dieser Zeit hätte Thiers die Lesefrüchte seiner Studien zu seinem großen Geschichtswerk noch in den Gliedern. Man will sogar bemerkt haben, daß er die Gesten des ersten Consuls imitirte, und der kleine Thiers wollte nichts weniger als die Alpen übersteigen, die Rheingrenzen zurückerobern, Belgien, Italien und Polen befreien. Aber Herr Thiers ist ein Mann, der stets mit sich handeln ließ, und es genügt ihm, daß Frankreich weiß, daß Herr Thiers marschiren will.

Unter dem Ministerium Lafitte spielt Thiers eine größere Rolle freilich nicht in der Kammer, die gegen seine Zifferngruppirung, welche mehr von seiner mythenbildenden Phantasie als von seinem Wissen zeigt, eine große Antipathie hatte; „Er weiß Alles auf der Tribüne“ – sagt ein geistreicher Franzose von dem Parlamentsredner Thiers – „besonders das, was er nicht weiß,“ aber erst nach dem Tode Casimir Périer's, der ihm hauptsächlich seine militärischen Gelüste austrieb, seine kriegerischen Attitüden abgewöhnte und ihn zum Verzicht aller glorreichen Feldzüge selbst von der Tribüne herab zwang, trat Thiers mit dem Ministertitel in’s Cabinet (am 11. October 1832), dessen Seele er stets war, so lange er darin saß, dessen verbissenster und gefährlichster Opponent er ist, sobald er draußen steht.


Nr. 5. – wie der Ulan und seine Köchin.

Das Ende der Juli-Monarchie naht; in den ersten Reihen der Opposition kämpft Thiers mit der Leidenschaftlichkeit, dem Feuer und demselben Vernichtungsdrange, wie in den letzten Tagen der Restauration, ja in seiner berühmten Rede gegen Guizot’s Politik in der Sonderbund-Angelegenheit ruft er, um sich bei den nahenden neuen Machthabern zu empfehlen, mit beispielloser Unverfrorenheit: „Ich gehöre zur europäischen Revolutionspartei und habe ihre Sache niemals verrathen.“

In der Legislative von 1848 saß Thiers auf der Rechten, aber erst nachdem nacheinander Blanqui, Louis Blanc, Ledrû Rollin sich abgenützt hatten und selbst Lamartine und Cavaignac als zu eifrige Republikaner galten, trat Thiers wieder mehr in den Vordergrund. Er unterstützte die Präsidentschaft Louis Napoleon’s, da er hoffte, daß Napoleon sich rasch abnützen, unmöglich machen und so den Weg zur Rückkehr der Orleans ebnen werde. Als er sich getäuscht sieht, als bei der Revue von Satory einzelne Regimenter, während sie vor dem Präsidenten vorbeidefiliren, „Vive l’Empereur“ rufen, da schlägt Thiers Alarm, rafft die Parteien in der Kammer noch zusammen und stürzt auf die Tribüne mit dem Schreckensrufe: „Meine Herren, das Kaiserreich ist fertig.“

Nr. 6. Nur bei ihm keine Wirkung.

Die Opposition kam zu spät. Der Tag vom 2. December führte auch Thiers nach Mazas. Bald darauf wurde er aus Frankreich verwiesen, aber schon 1852 kehrte er nach Paris zurück. Schmollend und grollend, nicht beachtet, noch weniger gefürchtet, lebte er ausschließlich seinen historischen Studien, bis ihn im Jahre 1863 die Stadt Paris in den Gesetzgebenden Körper sandte. Die Angriffe auf die innere illiberale Politik des Kaiserreiches, die Tiraden zu Gunsten der Preßfreiheit, des Versammlungsrechtes etc. konnten aus dem Munde eines Mannes, der, sobald er das Regierungsheft in Händen hatte, stets diese

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_185.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)