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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Neben diesen schlichten Versen finden sich Gedichte in zierlichsten Kunstformen oder solche von „aufrichtigen Verehrerinnen“; sie sind von zarter Hand auf goldgerändertem Papier geschrieben und reden von „Dankbarkeit und Liebe, die jede Brust durchzieh'n, so lange Eichen rauschen und deutsche Herzen glüh'n“. Unter den ersteren ist besonders das Akrostichon vertreten; wir wählen das nachfolgende von A. S. in Oldenburg:

Bismarck! so tönet heute jubelnd wieder
Im deutschen Volk Dein Name hoch und hehr!
Sei laut gefeiert bei dem Klang der Lieder!
Mit Dir zum Siege!‘ schallt's vom Fels zum Meer.
Auf, preist den Helden, der uns heut’ geboren,
Rastlos das Höchste uns erringen will.
Canossa sei das Ziel der Rückschritts-Thoren!
Kein Bismarck führt das Reich in den April.“

Die „Getreuen im Jeverlande“ senden dem Kanzler alljährlich zum Geburtstage das herkömmliche Geschenk von einhundertundein Kiebitzeiern, und wenn dasselbe einmal verspätet eintrifft, wie dies z. B. im vorigen kalten Frühjahre der Fall war, so führen sie gewiß einen triftigen Grund als Entschuldigung an:

„De Kiwit kunn vor Koll nich leggen,
Dat wulln wi to us’ Entschuldigung seggen.“

Ihre Nachbarn im Ammerlande vervollständigen dieses Lieblingsgericht des Kanzlers durch eine Sendung ihrer „beröhmten Swiene-Schinken“ und pflegen dieselbe gleichfalls mit einem plattdeutschen Gruße zu begleiten, welchen der Verfasser „im Uptrag van väle Westerstäder un vör sick sülvst“ unterzeichnet, indem er die Nachschrift hinzufügt: „Un wenn He kien Ammerlandtsch Plattdütsch kann, dann wend He sick man an den Sternkieker Tietjen[WS 1]  ; dat is mien Landsmann.“

Hinter dem Jever- und Ammerlande steht das treue Ostfriesland nicht zurück. Da finden wir aus Bingum bei Leer das nachfolgende Gedicht, welches „de Hartensmeinung van de unnerschreewenen Bingummers“ ausdrückt:

„Sei sünd uns’ Mann; Hör mög’ wi lieden;
Up Hör sünd wi nich wenig stolt.
Sei sünd noch, as in olle Tieden
Een Mann uut faste Ekenholt;
Ut Isder un Stahl, een Kerl up’t Deck,
De ook geen Footbreit geit von d’Fleck.

Dat Dütschland is to Ehren kamen
Un weer up faste Footen steit,
Un det sück’t nich mehr hövt to schamen,
Dat is bi Gott geen Malligkeit.
Hör weet wi dat uns’ Levend lang
Nahst Gott in’n hogen Himmel Dank.

Nu heww wi weer uns’ Kaiser baven,
Uns’ goode Oll, wat moi[1] is dat;
Un de Franzosen, de olle Raven,
Hewwen heller wat up d’Jucken[2] had,
Un wat s’ uns stahlen, heww wi weer. –
Hoch Bismarck! Dusend Dank daför!

Un fang’n de Mullen[3] an to fröten
Un wöhlen in dat dütsche Land,
Un fang’n de Bullen an to stöten:
Sei heww’n de Plenter bi de Hand.
T’is würkelt Gotts een Mordspleseer,
Wenn Sei mit hör spöl’n Kröpelweer.

Och, mug de leive Gott doch geven,
Dat Sei noch mennig, mennig Jahr
Vört’t Vaterland noch muggen leven,
Dann hard’t geen Noth un geen Gefahr.
Völ Glück un Segen un goode Moot!
Bismarck sall leven. – Dann stah’n w’ uns good.




Blätter und Blüthen.


Der sprechende Telegraph. Von neuen musikalischen, schreibenden und zeichnenden Telegraphen haben wir unsern Lesern im Laufe des vorigen und des neuen Jahrgangs Mittheilungen gemacht. Auf der Philadelphia-Ausstellung stellte sich den Besuchern außerdem ein sprechender Telegraph von Graham Bell vor, zu dessen Verständniß wir Folgendes vorausschicken: Im Jahre 1861 erfand der deutsche Physiker Dr. Ph. Reis seinen Telephon (das ist Fernklang) genannten elektrischen Apparat, mit dessen Hülfe sich Gesang und Musik auf ziemliche Entfernungen telegraphisch versenden lassen. Dieser Apparat, der es ermöglicht, eine Serenade ebensogut in absentia zu absolviren, wie den bekannten Dr. phil., den der gesunde Volkswitz unsrer Tage Doctor der Menschenliebe (Dr. philadelphiae) nennt, dieser Apparat besteht aus einem Tonempfänger, in den man wie in die Muschel eines Sprachrohrs hineinsingt oder hineinflötet, um vermittelst einer darin straff wie ein Trommelfell gespannten Membrane die Tonschwingungen dem Telegraphendrahte als ebensoviele elektrische Ströme mitzutheilen. Auf dieser in Schwingungen versetzten Membrane ist nämlich ein Metallplättchen angebracht, welches durch Berührung einer metallenen Spitze bei jedem Hin- und Hergehen den Strom öffnet und schließt. Die durch den Draht übermittelten Schwingungen gelangen nun ebenso wie bei dem Stimmgabel-Telegraphen (Gartenlaube 1876, S. 107) unverändert nach der Empfangsstation und können dort vermittelst eines stricknadeldünnen, auf einem Resonanzboden befestigten und von den Strömen in Schraubenlinien umkreisten Eisenstabes hörbar gemacht werden, weil derselbe durch jede einzelne Strömung mit einer schwachen Lautäußerung zum Magneten wird. Je schneller sich die Ströme folgen, zu einem um so höheren Tone summiren sich die Magnetisirungs-Geräusche, die, wie es scheint, von einer Umlagerung der kleinsten Theilchen herrühren.

Bald nachdem dieser Apparat erfunden worden war, versuchte man auf deutschen und außerdeutschen Telegraphenstrecken ihn für die Praxis nutzbar zu machen, allein die Sache gedieh über eine amüsante Unterhaltung nicht hinaus. Man telegraphirte einander deutsche Volkslieder, auch wohl Clavierstücke, indem man den Absendungsapparat mit dem Resonanzboden des Instruments in Verbindung setzte, und es war gewiß sehr interessant, die Leistungen eines Sängers oder Virtuosen aus meilenweiter Entfernung mitgenießen zu können, aber leider wollten die Worte nicht die Melodie begleiten, und alle Lieder wurden auf diesem Wege „Lieder ohne Worte“. Das war sehr fatal, denn wenn z. B. die Tochter des Stationsvorstehers in X dem Telephon: „Ich, ich mag dich nicht leiden“ nach der Melodie: „Du, du liegst mir im Herzen“ in’s Kunstohr sang, so nahm der liebegirrende Aspirant der Nachbarstation diesen Hohn sicherlich für die beglückende Erhörung seiner aufrichtig gemeinten Serenaden. Den Bemühungen des Herrn Graham Bell soll es nun aber gelungen sein, diese Mängel zu überwinden und dem Telephon die Verständlichkeit her Menschenstimme zu geben. Sein Tonabsender ist nicht wesentlich von dem oben beschriebenen unterschieden, dagegen ist in dem Empfangsapparate der selbsttönende Elektromagnet durch eine kleine, kreisrunde Armatur ersetzt worden, welche, durch den Elektromagneten in Schwingungen versetzt, die Eigenthümlichkeiten der Menschenstimme so wiedergeben soll, daß man jedes Wort versteht, welches aus der andern Station dem Drahte anvertraut wird.



Kleine Mittheilungen.


Aufruf. Der Navglhr. Slck. wird flehentlich gebeten, Nachricht über sich zu geben. Dies bitten, der Verzweiflung nahe, seine Frau und seine alten Eltern.




Bitte. Mit einer größeren Arbeit über Moritz Graf Strachwitz beschäftigt, ersuche ich die Besitzer bezüglicher Briefe, Schriftstücke und biographischer Notizen, mir derartiges Material zur Benutzung gütigst zu überlassen.

Nordhausen, April 1877.

Albert Traeger.




Von einem Lehrerssohn aus Dankbarkeit gegen die „Gartenlaube“ sind mir dreihundert Mark zur Verwendung für nothleidende Lehrerfamilien übergeben worden. Indem ich für diese Liebesgabe hiermit öffentlich danke, muß ich zur Begegnung etwaiger Anfragen zugleich die Mittheilung machen, daß ein großer Theil des Betrages im Sinne des Gebers bereits verwendet wurde.

Ernst Keil.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wie schön!
  2. Rücken.
  3. Maulwürfe.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tietzen
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_220.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)