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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

No. 34.   1877.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Teuerdank’s Brautfahrt.

Romantisches Zeitbild aus dem 15. Jahrhundert.
Von Gustav von Meyern.
(Fortsetzung.)

Auch von den beiden anderen Reitern hatte der ältere, ein behäbiger Forstmann, dessen wohlgenährten Wangen und rosig gefärbter Nase unschwer anzusehen war, daß er sich für die Strapazen des Waidwerks und die Unbilden der Witterung mit einem guten Jagdfrühstück und voller Flasche zu entschädigen liebte, die Herannahenden bemerkt und zeigte sie eben dem jüngeren.

„Sehet dort, gnädiger Herr!“ sagte er ehrerbietig, „der Graubärtige ist mein Collega, der Wildmeister von Verviers.“

„Gut denn! Sitzen wir ab,“ erwiderte der Angeredete und schwang sich aus dem Sattel. Diensteifrig trat der Junker herbei und nahm ihm die Zügel ab.

„So recht, Jünkerlein!“ lobte Jener, ihm freundschaftlich auf die Achsel klopfend. „Rufe den Reitknecht, Ceschy.“ Und der Junker, mit leuchtendem Blicke aus den großen Augen für die Gunstbezeigung dankend, führte die schäumenden Pferde dem Trosse zu, indeß die beiden älteren Reiter sich nicht ohne Mühe aus dem Sattel hoben.

Der Andere aber warf den grauen Reitermantel ab, der in Form eines langen engen, zum Reiten auf beiden Seiten bis an die Hüften aufgeschlitzten, kragenlosen Ueberrocks seine Gestalt umhüllt hatte, und stand jetzt da in der Fülle frischer Jugendkraft, er, der zwanzigjährige Kaiserssohn, der Erbe des heiligen römischen Reiches.

Wahrlich, die guten Aachener hatten vollen Grund, zu glauben, daß die vielumworbene Maria von Burgund ihn und keinen Anderen zum Gemahl erkiesen würde, wenn sie frei zu wählen hätte. Diese hochgewachsene, muskelkräftige Jünglingsgestalt mit der Haltung voll ungesuchter Hoheit, den Kopf von den Schläfen bis zum Nacken von dichtem Goldhaar umwallt, das edle Antlitz mit dem tiefblauen, fröhlich-kühnen und großdenkenden Auge, der gewölbten Stirn und der Adlernase, die, wenn auch noch durch die jugendlich vollen Wangen gemildert, über den Zügen herrschte und ihnen im Verein mit dem vortretenden Kinn das Gepräge frühzeitiger Thatkraft verlieh – die ganze Erscheinung ein Bild jugendlich männlicher Schönheit, würde vergeblich unter den damaligen Thronerben Europas ihres Gleichen gesucht haben. Und nicht zum Mindesten mochte er es dieser seiner blendenden Persönlichkeit danken, daß der Ruf der Ritterlichkeit und der Meisterschaft in Führung jeder Waffe ihm schon in so früher Jugend durch alle Lande voranging und die höchsten Erwartungen an seine künftige Thronbesteigung knüpfte.

Bezeichnend genug ragte ihm eine lange, gerade Adlerfeder schräg über das bräunliche Barett hinaus, das in Form eines altgriechischen Helmes mit seitwärts aufgeschlagener Krämpe schräg nach vorn fiel. An ein Jagdkoller aus Gemsleder, auf der Brust und an den Ellenbogen gespalten und das Hemd sichtbar lassend, wie beim Junker, nestelten sich auch bei ihm unter dem stählernen Kettengürtel knappe, unten in breit geschnäbelten bräunlichen Halbstiefeln endende Beinkleider, unter denen die muskelkräftigen Formen elastisch spielend hervortraten. Das Kreuzschwert hing am losen Hüftgurt, der Jagddolch am Kettchen des Stahlgürtels und ein elfenbeinernes Horn mit Silber beschlagen an einer Schnur um die Schulter. Uebergeschnallte goldene Sporen, in ihrer Länge dem Schnabel des Schuhes entsprechend und mit großen Radspitzen gezackt, vollendeten den Anzug.

So stand er, die Burgundischen erwartend, die schon von fern ehrerbietig die Häupter entblößt hatten und ihm jetzt vom Waldvogt entgegengeführt wurden.

„Willkommen, Ihr Herren Burgunder!“ rief er ihnen in der ihm eigenen treuherzig jovialen Weise zu. „Es freut mich zu sehen, daß Ihr so gute Nachbarschaft mit dem deutschen Reiche pfleget! Die Wildsau ist ein gemeinschädlicher Feind, und meine Base von Burgund wird nichts dagegen haben, wenn wir über einige ihrer borstigen Unterthanen auf unserer Seite Gericht halten!“

Tief ergriffen von dem Anblicke des kaiserlichen Jünglings, und im Innersten getroffen von dem Lobe guter Nachbarschaft aus seinem Munde, vermochte der graubärtige Wildmeister kein Wort über die Lippen zu bringen und verbarg nur mit Mühe die Scham, die er empfand, hinter einer tiefen Verbeugung. Der Rothbärtige aber, der als langjähriger Begleiter hoher Herren sich sehr wohl auf den freien Jagdton verstand, kam ihm zu Hülfe.

„Das möchte sich doch fragen, mon Seigneur,“ antwortete er, kühn gemacht durch die joviale Anrede, mit frechem Lächeln, „ob es burgundische oder deutsche Sauen sind!“

„Ei,“ lachte der Prinz, „wer kann da zweifeln? Ihre Vorfahren werden ihre Frischlinge lieber drüben im schönen Ardennenwalde, denn hüben auf dem sumpfigen Moore gesetzt haben!“

„Halten zu Gnaden, bei uns heißt es: die Sau liebt den Sumpf.“

„Und bei uns leider, sie liebe die Felder des Bauern! Aber wir werden ja sehen, wo sie selbst ihre Heimath sucht!“

„Dann werdet Ihr Recht behalten, mon Seigneur, denn alle die Dämme in dem Moore dort, wo das Wild liegt, münden in einen Hauptstrang nach Westen, und dahin muß es durchbrechen, wenn es sich mit Rüden, Halloh und Bolzen treiben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_563.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)