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verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Courtray gesperrt mit sammt seinen beiden unmündigen Kindern Karl und Philippine. Nun hat ihn zwar Herzogin Maria nach ihres Vaters Tode jüngst freigegeben, aber nur unter der Bedingung, daß er gegen die Franzosen zöge, und da ist er als einer der Ersten bei Tournay gefallen. Somit ist das junge Prinzlein Karl unser rechtmäßiger Herzog – denn, daß Ihr’s wißt, Herr, auch ich bin ein Gelderer – aber immer noch halten ihn die Burgunder im Kloster, und da seine Vormünderin, seines Vaters Schwester, Katharina, sich eben an den Herzog von Kalenberg nach Deutschland verheirathet, so ist das arme Herrlein einzig auf die Treue seines Gelderlandes angewiesen. Denn wisset, Herr, wir leugnen das Recht Burgunds auf Gelderland und stehen zu unserem Herzogshause und wollen uns gern abarbeiten, um die Pfandsumme einzulösen, und nur dem deutschen Reiche zu Lehen gehen. Aber den Staaten und den Räthen Maria’s mit sammt den Clever mundet der fette Bissen, und sie wollen ihn für sich behalten. Sehet, da setzt nun Gelderland seine ganze Hoffnung auf das edle Herz der jungen Herzogin und auf Euch, den Erben des deutschen Reiches, seinen künftigen Lehnsherrn, und da unter den Häuptern des Geheimbundes auch ein Gelderer sein soll, der wieder in Verbindung mit der Umgebung der Herzogin stellt, so ziehen beide, so viel Euch betrifft, was man sagt, an einem Strange.“

„Ah, jetzt verstehe ich,“ nickte Max befriedigt. „Doch Eines nimmt mich Wunder. Ihr habt wohl die Kinder Adolf's von Geldern und seine Schwester Katharina, aber nicht seinen jüngeren Bruder, Hugo von Geldern, genannt.“

Ein fast unmerkliches Zucken fuhr bei dem Namen durch das Gesicht des Grauen.

„Graf Hugo ... allerdings ... er lebt, Herr, aber in fremden Kriegsdiensten. Man weiß nichts von ihm.“

„Ei, da kann ich Euch mehr von ihm berichten,“ lächelte Max. „Er ist, ob auch älter als ich, vordem mein liebster Spielgefährte gewesen. Sein Vater, der alte Herzog Arnold, hatte ihn als Knaben zu seiner Ausbildung an den Hof nach Wien geschickt. Da haben wir manche Pagenstreiche zusammen vollführt. Später kam er an italienische Höfe, und noch vor einem Jahre hörte ich, daß Herzog Galeazzo Sforza ihn wegen außerordentlicher Kriegsthaten selbst zum Ritter geschlagen habe.“

„Glück auf, Herr!“ rief der Graue, der ihm mir größester Spannung zugehört zu haben schien. Das ist eine gute Mär. Wenn die Gelderer hören, daß Ihr durch Graf Hugo freund mit ihrem Herzogshause seid, so gehen sie für Euch durch das Feuer.“

„Es nimmt mich Wunder, daß ein so tapferer Prinz die Seinen in der Stunde der Noth im Stiche läßt.“

„In Gent herrschen immer noch seine Feinde, Herr. Was könnte er da nützen? Er wartet wohl ab, wer Herr wird in Burgund. – Aber jetzt, wenn Ihr meinem Rathe folgen wollt, verlasset die Straße, Herr, geht nicht über Eupen und nicht durch Aachen! Ihr könntet Euch nicht unbemerkt die Grenze hinaufschlagen, und Ihr müßt, wie ich meine, etliche Tage lang wie vom Erdboden verschwunden scheinen. Der Rothbärtige ist ein Fuchs, und führt er etwas Böses gegen Euch im Schilde, so läßt er sich durch die falsche Fährte, auf die wir ihn gesetzt haben, nicht lange irre führen. Glaubet mir, dann sucht er neue Witterung, und hat er sie gewonnen, so wird er uns die Cleveschen aller Heerstraßen auf den Hals hetzen, dafern wir nicht Vorsprung gewinnen.“

„Kennt Ihr den Rothbärtigen?“

„Ich sah ihn nur einmal von fern mit dem Herzog. Aber wer die Fuchsschwänze einmal gesehen, vergißt sie so leicht nicht wieder. Zudem ist bekannt, daß der Clever Herr besonderes Wohlgefallen an durchtriebenen Gesellen hat, die er glaubt benutzen zu können, wie er will. – Aber sehet dort, Herr, an jener Lichtung zieht sich ein Waldweg um Eupen herum. Wenn Ihr diesen einschlagt und an einer guten Stelle im Forste Rast haltet, so führe ich Euch am späten Abend ungesehen in den Aachener Wald, und in vier Nachtstunden kommt Ihr noch heute jenseit Aachen die Grenze hinunter bis Heerlen zu Eurem Gleite. Dann habt Ihr auf alle Fälle einen Tag Vorsprung und könnt in vier Nachtritten durch die Wälder von Nordbrabant nach Gent gelangen.“

„Wohlan,“ sagte Maximilian, „biegen wir ab in den Wald und rasten wir! Noch liegt ein Stück Arbeit vor mir, das mir schwerer ankommt, als die Fahrt nach Burgund. Bei einem guten Trunk wird es leichter gehen.“

Und sie wendeten ihre Gäule in die Lichtung. Aber noch nicht eine Minute waren sie den Seitenweg geritten, als sie hinter sich den Ruf des Ritters vernahmen und die Zügel anhielten. In wenigen Galoppsprüngen war der Alte an ihrer Seite.

Offenbar verstimmt, bisher keiner näheren Mittheilung über die kaiserliche Botschaft gewürdigt zu sein, zudem ohne Imbiß seit dem Morgen, ohne eigene Beute aus der Jagd, zeigte er seinem jungen Herrn nicht eben das freundlichste Gesicht.

„Der Weg kann nicht nach Eupen führen, Herr,“ sagte er kurz.

„Eben deshalb wähle ich ihn, Alter,“ erwiderte ihm Maximilian mit einschmeichelndstem Tone. „Wir wollen im Walde rasten und uns gütlich thun, und dort sage ich Euch mehr.“

Der Alte biß sich auf die Lippen und ritt schweigend, aber unversöhnt, neben ihm weiter. In ihm arbeitete stiller Groll. Seit der Prinz volljährig, war er nicht mehr, wie vordem, sein Hofmeister, sondern ihm vom Kaiser nur noch als Rathgeber zugetheilt. Aber so treu ergeben er an ihm hing, er fand sich nur schwer darein, das alte Verhältniß umgekehrt zu sehen. Der Prinz war jetzt der Herr, und er der Diener, und der erfahrene alte Kriegsmann mußte oft genug erleben, daß sein vorsorglicher Rath vor dem feurigen Temperamente des jungen Kaisersohnes in den Wind verhallte. So hatte er sich mit der Zeit daran gewöhnt, überhaupt mit seinem Rathe zu kargen und nur zu sprechen, wenn er gefragt wurde oder wenn sein strenges Pflichtgefühl es gebieterisch forderte, mir Vorliebe aber dann, wenn der entschiedene Verzug des Prinzen, der junge Page, sein vorlaut unfertiges, oder gar leichtfertiges Urtheil zum Besten gab, weil ein solches, ob auch im ersten Augenblick verlacht, doch seines Eindrucks auf das leicht erregbare Gemüth des jungen Fürsten nicht zu verfehlen pflegte. War doch dieser selbst noch in jenem von Thatendrang übersprudelndem Alter, in welchem unter Verwegenen stets der Verwegenste und unter Vorlauten der Lauteste den meisten Beifall findet.

Die mürrischen Züge des Ritters erhellten sich erst, als man an einem lauschigen Platze, wo unter hohen Eichen ein Bach dahinrieselte, anhielt und der Prinz sich nach dem Packthiere umsah.

„Hier lasset uns rasten!“ rief Maximilian. „Koppelt die Pferde, gebt ihnen Brod, tränkt sie und laßt sie sich am Bache Waldgras und frische Kräuter suchen! Für uns aber ladet das Packthier ab!“

(Fortsetzung folgt.)




Buffalo-Bill.[1]


Wiederholt und von einsichtsvoller Seite ist die Kriegführung nachdrücklich getadelt worden, welche die amerikanische Regierung gegenüber den Indianern nun schon seit Jahren handhabt, und namentlich ist es die erfolgte Aufreibung und Aufopferung der Truppen, welche immer wieder die Unzufriedenheit aller Kreise der amerikanischen Gesellschaft wachruft. Wer erinnert sich nicht der lauten Entrüstung, die wie ein Schrei des Unwillens bei dem Tode Custer’s, dieses brillantesten Führers gegen die Indianer, durch das ganze civilisirte Amerika ging? Der Höchstcommandirende, General Crook, versprach damals ein rasches Ende des Feldzugs, aber obwohl die berühmtesten Scouts (Pfadfinder oder besser: Fährtensucher), die eine Spur mit gleichem Scharfsinne wie die Indianer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1877, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_582.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2019)
  1. Im Hinblicke auf unsern Artikel über das Das Blutbad am Kleinen „Big-Horn“-Flusse (Nr. 33, 1876) sowie auf die jüngste Ueberrumpelung der Regierungstruppen durch die Indianer dürfte die nachstehende Schilderung – geschrieben in Springfield, Massachusetts, im Januar dieses Jahres – von besonderem Interesse sein. Sie enthält eine farbenreiche Charakteristik eines in den Operationen gegen die Rothhäute hervorragenden Agenten der Regierung und wirft auf die amerikanischen Zustände nach mehr als einer Seite hin ein scharfes Licht.