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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Mit Stolz erzählte er von den Jagden, die er mit dem Großfürsten Alexis abgehalten, und zeigte eine schöne Vorstecknadel, mit einem großen Türkis verziert, die derselbe ihm nebst anderen werthvolleren Gegenständen zum Geschenk gemacht hatte.

Seinen Beinamen „Buffalo-Bill“ hat er folgendem Vorgange zu danken: Der Stamm der Pawnee-Indianer war ihm sehr aufsässig, da er in Scharmützeln vergangener Jahre mehrere ihrer Tapfern getödtet hatte, weshalb er oft vor ihnen gewarnt und ermahnt wurde, auf seiner Hut zu sein. Einmal, im Sommer, war er einem General zugetheilt, der in einem der größeren militärischen Forts in Garnison lag, und beauftragt, einen guten Jagdgrund für eben diese Pawnees zu suchen. Als nun die erste Heerde Büffel erschien, umzingelten die Indianer, gegen hundertfünfzig Mann stark, mit gewohnter Geschicklichkeit die Heerde und erlegten nicht weniger als fünfundzwanzig dieser mächtigen Thiere. Mr. Cody bat den General, ihm zu erlauben, die nächste Heerde Büffel allein zu attaquiren, um den Indianern zu zeigen, „wie man Büffel schießen müsse“. Es wurde ihm bewilligt; die zweite Heerde erschien, und Mr. Cody ritt in gewohnter Weise allein in sie hinein; die Zügel seines gut dressirten Pferdes mit den Zähnen, das Gewehr aber bald im rechten, bald im linken Arm haltend und immer seines Zieles, auch im schärfsten Galopp und bei den kühnsten Wendungen, sicher, erlegte er siebenundvierzig Büffel.

Die Indianer waren überrascht und erstaunt, sich in dieser Weise von einem einzelnen Manne, und noch dazu einem „Weißen“, in ihrer eigenen Kunst und Geschicklichkeit übertroffen zu sehen, da sie aber die größte Achtung vor Tapferkeit und Geschicklichkeit haben, so wandelte sich ihr Haß gegen Cody in Freundschaft und Bewunderung, und von da an hieß er „Buffalo-Bill“. Er liebt diesen nom de guerre auch so, daß er sich nie anders unterschreibt als: Mr. F. W. Cody, Buffalo-Bill. Die Indianer nennen ihn aber noch lieber „Langhaar“ – seines wallenden Haares wegen, auf welches sie in aller Liebe und Freundschaft wohl immer noch speculiren.

Den vorigen Sommer wurde Buffalo-Bill dem General Merritt beigegeben, war also nicht bei der Custer-Affaire. Eines Tages wurden heranrückende Indianer angemeldet, welche den Militärtrain für die Avantgarde hielten und mit ihm in Kampf geriethen. „Yellow Hand“, der schon erwähnte junge Cheyenne-Häuptling, wählte sich Buffalo-Bill als würdigen Feind; dieser kniete kaltblütig nieder, zielte und sandte eine Kugel durch das Bein des Häuptlings, welche zugleich das Pferd tödtete; Roß und Reiter stürzten, und ehe Letzterer sich wieder aufraffen konnte oder seine Freunde ihm beizustehen vermochten, hatte eine zweite Kugel ihn getödtet. Wüthend erreichten die zu Hülfe gesandten Indianer den Kampfplatz, im festen Glauben, die tollkühne kleine Bande zu vernichten, als zu ihrem Entsetzen eine lange blaue Linie wie aus der Erde vor ihnen auftauchte und Compagnie K mit Oberst Mason an der Spitze an sie heranbrauste.

In wilder Hast flohen die Cheyennes, ihre Todten zurücklassend, und nur selten bei unsicherem Feuern kurzen Stand haltend. Obwohl selbst verwundet, fand Buffalo-Bill doch Lust und Muße, den Cheyenne-Häuptling seines prachtvollen Federschmucks, seiner Mocassins und – seines Scalpes zu entledigen.

Buffalo-Bill hatte, von uns dazu aufgefordert, das Vorstehende so einfach und natürlich erzählt, als ob es sich um ganz Alltägliches handle; ich konnte den Bericht über das „Scalpiren“ aber nicht so ruhig hinnehmen und fragte, ob ein besonderer Grund für Nachahmung dieses scheußlichen indianischen Gebrauches vorliege. Seine Erklärung und Entschuldigung war: Die Indianer machen sich aus dem Sterben gar wenig, das Verlieren des Scalpes ist aber für sie schrecklich; ohne Scalp kann der Indianer nicht feierlich begraben werden; ohne Scalp kann er nicht in den „glücklichen Jagdgründen“ erscheinen; ferner haben Soldaten und Scouts so oft mit Heldenthaten geprahlt, wollen so viele Häuptlinge und Krieger getödtet haben, stecken wohl auch dafür ausgeschriebene Prämien ein, daß ein Beweis nothwendig geliefert werden muß, und – das ist der Scalp. Von den Indianern erführe man nie Gewisses, da sie so lange wie möglich ihre Verluste verheimlichen oder Lügen darüber ausstreuen.

Als eine anwesende alte Dame Buffalo-Bill fragte: ob der Häuptling aber auch gewiß todt gewesen sei, als er ihn scalpirte, flog ein eigenthümlich kaltes und hartes Lächeln über Bill’s Züge; die weißen Zähne schlossen sich fest, als er sagte: „Es war ziemlich lebhaft um mich herum; ich mußte mich beeilen, er wird aber wohl schon ganz todt gewesen sein.“

Und da saß dieser Mann, dieser kühne Jäger und kaltblütige Schütze, aufgewachsen an der Grenze der Civilisation, im täglichen Kampf mit wilden Thieren und noch wilderen Menschen, er, der von jeher die Rohesten unter den Rohen als Umgang und Gesellschaft gehabt hatte – da saß er, in Manieren und Bewegungen ein echter Gentleman; kein derbes unpassendes Wort kam über seine Lippen, kaum ein leicht verzeihlicher halber kerniger Ausdruck bei animirter Erzählung einiger „Border-life“-Scenen. Und wie beschämt würden manche unserer feinsten Herren und Damen seiner Handhabung des Messers und der Gabel zugesehen haben! Nie führte er das Messer an den Mund, noch weniger schnitt er sich kleine Stücke vor, wie ich oft in der alten Welt in den besten Kreisen zu sehen Gelegenheit hatte. Im Anstand beim Essen hat der geringste Amerikaner etwas vor dem höchsten Europäer voraus, denn was bei diesem anerzogen ist, das ist bei jenem angeboren, aber doch hat es mich überrascht, selbst bei diesem Sohne der Wildniß dieselbe Eigenthümlichkeit anzutreffen.

Eine Scene aus seinem Leben muß ich hier noch erzählen, da sie sowohl den Mann selbst, wie das wilde gesetzlose Leben da draußen kennzeichnet.

In einem der so rasch entstehenden Goldgräber-Dörfer rannte eines Tages ein Betrunkener wie wahnsinnig herum, auf alle ihn Begegnenden mit seinem Revolver schießend; der Mann war als schlechtes, verrufenes, immer Händel suchendes Subject bekannt, und Alles flüchtete in die Häuser und Hütten. Da kam ihm Buffalo-Bill entgegen; der Betrunkene legte an, zielte – in demselben Momente winkte Buffalo-Bill wie abwehrend mit der Hand und sagte kaltblütig, als ob er zu Jemand hinter ihm spräche: „Schieße nicht! Er macht nur Scherz.“ Der Säufer sah sich rasch um und fiel in demselben Moment, von einer Kugel aus Buffalo-Bill’s Rohr getroffen, todt zu Boden. Diese beispiellose Geistesgegenwart hat nicht nur dem Scout, sondern vielen Anderen das Leben gerettet.

Buffalo-Bill ist achtunddreißig Jahre alt, aber trotzdem und ungeachtet des rauhen Lebens, welches er führt, hat sein Blick und selbst sein Betragen etwas Kindliches, was wieder ganz an den „Lederstrumpf“ erinnert. Daß ihm auch Sentimentalität nicht fremd ist, beweist Folgendes: Er benutzte während vieler Jahre eine Flinte, welche er „Lucrezia Borgia“ getauft hatte, und als diese nach und nach dienstuntauglich wurde und er die Patronenhülsen immer mit dem Ladestock herausstoßen mußte, wurde er einmal auf der Jagd durch dieses Versagen so in Wuth gesetzt, daß er die alte Waffe an einen Baum schlug; der eiserne Lauf blieb tief im Stamme stecken. Mißmuthig ritt er in sein zwanzig Meilen entferntes Lager; dort angekommen, war sein Zorn verflogen – das treue Gewehr, welches ihm so oft das Leben gerettet, erbarmte ihn, und müde wie er war, ritt er zurück und holte es sich wieder; nun hängt es bei ihm zu Haus in Rochester, N.-Y. – Buffalo-Bill ist nämlich seit einigen Jahren verheirathet.

Bei Erwähnung seines Lieblingsgewehres – die Gewehre, die er immer benutzt, sind „Winchester Repeating Rifles“ – reichte ihm eine Dame zum Scherz ein kleines Etui mit einem Modell österreichischer Cavaleriepistolen, welches auf dem Kamingesimse stand. Das Erstaunen und Entzücken Buffalo-Bill’s beim Erblicken dieser winzigen, wundervoll gearbeiteten Pistolen, von einer belgischen Fabrik verfertigt, war wirklich amüsant; er zog die Hähne auf und war überrascht von der Stärke der Pistons; er bewunderte den kleinen, elfenbeinernen Griff, schraubte den ciselirten, zolllangen Lauf ab und war wieder der leibhaftige „Hirschtödter“ beim Erblicken der elfenbeinernen Elephanten. Als ich ihm nun die Pistolen zum Geschenk anbot, war er wirklich sprachlos vor Freude: dann aber war sein erstes Wort: „Was würde ein Indianer sagen, wenn er diese Pistolen sähe? Was würde er mir nicht dafür bieten? Wenigstens zwei Maulthiere und Felle. Aber diese Pistolen sind mir um Nichts feil; ich habe schon viel geschenkt erhalten, aber nichts, was mir so viel Freude gemacht hätte.“

Ich sagte ihm, daß meines Wissens nur zwei Paare dieser Modellpistolen existiren, ein Paar im Besitz des Erzherzogs

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