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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


goldgestickten Sammetdecke bekleideten Brette gereicht. Ich that es jenem Engländer fast gleich, der, einer Anekdote nach, alle Fehler, die man begehen kann, im Orient beging. Ich nahm das henkellose Porcellantäßchen aus dem Untersatz von Silberfiligran, auf dem es stand, heraus und verbrannte mir die Finger, bis man mir schleunigst den kleinen schalenförmigen Schutz wieder unter die Tasse stülpte.

Die Frau des Hauses zeigte uns ihre Albums. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck, sie in dem modernen Photographienbuche von hinten ab, nach orientalischer Sitte, die auch beim Lesen und Schreiben gilt, blättern zu sehen. Es waren nur Bilder aus Constantinopel. Wir sahen alle Sultans, soweit Portraits von ihnen überhaupt noch existiren, alle Prinzessinnen des jetzt regierenden Hauses und auch die anderen männlichen Mitglieder der Familie. Einige schöne Armenierinnen, denen, was Regelmäßigkeit der Züge und Lieblichkeit des Ausdrucks betrifft, nur die größten europäischen Schönheiten an die Seite gestellt werden können, riefen unsere Bewunderung wach. Wiederholt äußerte unsere Wirthin ihr Bedauern, von all diesen Bekannten getrennt zu sein. Das Bild einer alten Dame wurde mit dem lachenden Ausrufe: „O, eine Alte!“ schleunig überschlagen.

Und hier schließt sich am besten die Schilderung einer eigenthümlichen Unterhaltung an, die uns nun geboten wurde. Es traten nämlich nach und nach mehrere alte Frauen der Nachbarschaft ein, denen zwar anscheinend nur an dem Ramazanabend die Gastfreundschaft gewährt wurde, indem sie, nach draußen eingenommenem Essen, ihre Pfeife im Zimmer der Hausfrau rauchen durften, die aber in Wahrheit auch noch zur Belustigung der Frau Pascha und ihrer Gäste dienen sollten. Für uns Fremde hatten Gestalt und Kleidung dieser guten Alten schon etwas Lachenerregendes. Ihre kurzen Röckchen und bunten, grünen oder rothen Kattunhosen mögen jungen Mädchen ganz hübsch und kleidsam stehen, aber das Alter heischt Faltenwurf und Länge der Kleidung. Uebrigens waren sie sauber und mit Sorgfalt gekleidet, und ihre groben Gazeschleier waren schneeweiß.

Mit liebenswürdigem Humor kamen die guten Wesen dem, was von ihnen erwartet wurde, nach und redeten uns mit übertriebenen Schmeicheleien an. Wir hatten auch Gelegenheit zu sehen, daß diese für uns seltsame Behandlung des Alters nicht blos bei den Frauen des Volkes stattfand. Eine immer noch ganz stattlich aussehende ältere Tante der Frau Pascha trat jetzt erst ein, wurde von dieser mit freundlichem Lächeln empfangen und ließ sich, uns auch mehr humoristisch als ceremoniell begrüßend, auf dem niedrigen Sitze der Alten, einem etwa sechs Zoll hohen Kissen, nieder. Auch sie war nicht in Toilette, sondern trug einen weißen Schlafrock und eine blau und weiß gestreifte Sammetjacke; ihren Kopf bedeckte ein bunter Turban.

Unsere Herren erwarteten uns längst, und als der Pascha durch seine Thür erschien, um uns zu empfangen, war er sichtlich erfreut über unsere heiteren Gesichter. Wir konnten ihm aufrichtig versichern, daß wir entzückt über die Liebenswürdigkeit seien, mit der man uns aufgenommen. Nach wechselseitigen Betheuerungen, daß wir uns gegenseitig öfter besuchen würden, nahmen wir endlich Abschied.




Vom deutschen Feuerwehrtag in Stuttgart.
I.


Nach den großen welterschütternden Ereignissen der Jahre 1866 und 1870 bis 1871, welche für unser deutsches Vaterland die lang ersehnte nationale Einheit brachten, hatte es ganz den Anschein, als ob die auf die gewaltige Anspannung der Volkskräfte naturgemäß folgende Erschlaffung sich gleich einem Mehlthau namentlich auch für lange Zeit auf die Entwickelung derjenigen Vereine legen werde, welche zu idealen Zwecken, zur Erhaltung und Uebung der körperlichen Kraft und Gewandtheit, gegründet waren. Von dieser Erscheinung wurde insbesondere das deutsche Turnvereinswesen betroffen und mit Schmerz mußte der sein Volk lieb habende Mann wahrnehmen, daß die Turnplätze sich immer mehr und mehr entvölkerten, während die Jagd nach materiellem Gewinn immer toller wurde und die damit Hand in Hand gehende Genußsucht sich in der allerbedenklichsten Weise steigerte. Diese ungünstige Einwirkung war deutlich auch auf den großen deutschen Volksfesten zu verspüren und die Meinung Vieler ging sogar so weit, daß sie behaupteten, diese Feste, gleichviel ob sie von den Sängern, Turnern oder Schützen gefeiert würden, hätten sich überlebt und würden niemals zu dem Glanze sich emporheben können, mit dem unter Anderem das Turnfest von 1863 in Leipzig von Statten ging. Es ist wahr, es sprach eine Zeitlang Vieles für eine solche Anschauung, indessen wie in der Natur Sonnenschein und Regen regelmäßig nach einander wiederkehren, so ist es auch in unserem Volksleben schon wieder anders geworden, und alle Anzeichen dafür sind vorhanden, daß auf die Periode der Erschlaffung und des Niederganges wieder eine Zeit der Kräftigung und des Aufschwunges folgen wird. Zu diesen Merkmalen darf man mit Fug und Recht das schöne und imposante Fest rechnen, zu dem in den Tagen vom 11. bis 15. August viele Tausende kräftiger deutscher Männer aus allen Theilen des Reiches und der stammesverwandten angrenzenden Länder nach der Hauptstadt Schwabens, dem von Rebenhügeln rings umgebenen Stuttgart, herbeigekommen waren. Ich meine den zehnten deutschen Feuerwehrtag, der einen über alle Erwartung ausgezeichneten Verlauf genommen hat und dessen Bedeutung für die fernere gedeihliche Entwickelung des deutschen Feuerlöschwesens es wohl gerechtfertigt erscheinen läßt, daß auch die „Gartenlaube“ seiner gedenke.

Zu dem guten Gelingen des Festes hat sehr wesentlich der Umstand beigetragen, daß in Württemberg und in Süddeutschland überhaupt das Institut der freiwilligen Feuerwehr bei der Gesammtbevölkerung in hohem Ansehen steht und in den verschiedenen Volksschichten eine Verbreitung gewonnen hat, wie es bisher in Nord- und Mitteldeutschland bei Weitem nicht der Fall ist. Nur das Herzogthum Braunschweig etwa kann in dieser Beziehung einen Vergleich aushalten. Hand in Hand mit dieser allgemeinen Betheiligung des Publicums geht die einsichtsvolle Fürsorge, welche die württembergische Landesregierung dem Feuerwehrwesen angedeihen läßt. Sie ist schon seit einer langen Reihe von Jahren bemüht gewesen, anregend und fördernd einzugreifen und allmählich über das ganze Land ein dichtes Netz von Feuerwehren zu verbreiten. Die Denkschrift, welche das königlich württembergische Ministerium des Innern in Folge der Ermächtigung des Königs Karl über das Feuerlöschwesen in Württemberg hatte ausarbeiten lassen und von der jedem Vertreter auf dem Stuttgarter Feuerwehrtag ein Exemplar eingehändigt wurde, war von Neuem ein Beweis, daß in Württemberg die Staatsverwaltung es als ihre Aufgabe betrachtet, dem gemeinnützigen Institut der freiwilligen Feuerwehr in jeder Weise entgegenzukommen. Dieser Denkschrift war die aus Anlaß der Brüsseler Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen im vorigen Jahre verfaßte Schrift mit Ergänzung derselben nach dem neuesten Stande zu Grunde gelegt worden. –

Die Gründung von Feuerwehren in Württemberg fällt in das Jahr 1832. Es bildete sich damals als ein schwacher Anfang in der vormaligen Reichsstadt Gmünd eine militärisch organisirte „Rettungsgesellschaft bei Feuersgefahr“, auf dem Principe der Freiwilligkeit beruhend. Die Bildung einer vollständig organisirten Feuerwehr verzog sich noch bis in das folgende Jahrzehnt, in welchem zu Durlach im Großherzogthum Baden im Jahre 1846 die erste freiwillige Feuerwehr sich bildete. Schon im Mai des folgenden Jahres fand dieser Vorgang Nachahmung in der nahe gelegenen württembergischen Stadt Heilbronn, in der Maschinenfabrik zu Eßlingen, in den Städten Tübingen und Oehringen und auch in einigen anderen württembergischen Oberamtsstädten.

Die überraschenden Erfolge der kleinen, aber wohlgeübten und disciplinirten Schaaren gegenüber den Erfahrungen mit den ungeordneten Massen des alten Systems erwarben den Feuerwehren mehr und mehr Freunde. Wo noch Vorurtheil und Abneigung gegen die neue Einrichtung herrschten, da half eine Entscheidung der obersten Recursbehörden nach, wonach den Gemeinderäthen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_605.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2019)