Seite:Die Gartenlaube (1877) 659.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Provinzialstände hatten für das Kaiserbankett hunderttausend Mark bewilligt. Ich brauche es daher nicht erst besonders zu betonen, daß für diese Summe treffliche Speisen und Weine beschafft worden waren, aber die Hauptwürze des Festes bildeten selbstverständlich die Toaste.

Gegen sieben Uhr Abends trat der Fürst von Wied zur Seite der Kaisertafel und dankte im Namen der Stände dem Kaiser, daß er das Fest angenommen und dadurch Gelegenheit gegeben, von der Rheinprovinz ein kleines Zeichen der Freude, der Anhänglichkeit und des Dankes zu empfangen. Er feierte den Kaiser, weil er durch sein tapferes und vorzügliches Heer die schönen und lieblichen Fluren der Rheinprovinz vor der französischen Invasion bewahrt habe. Ein dreimaliges, feuriges Hoch erklang durch den Saal nach dieser Ansprache. Der Monarch schüttelte dem Fürsten von Wied die Hand, als derselbe wieder seinen Sitz ihm gegenüber eingenommen hatte. Einige Minuten darauf erhob sich der Kaiser und dankte der Versammlung mit kräftiger, weithin tönender Stimme.

Er betonte namentlich seine Anhänglichkeit an die rheinischen Lande und bezeichnete die acht Jahre, die er einst in denselben verlebt, nachdem sein königlicher Bruder ihn in bewegten Tagen an den deutschen Strom gesandt, als eine ihm unvergeßlich schöne Zeit. Er freute sich der Anhänglichkeit und Treue der Rheinprovinz und Westfalens an das große Deutschland und legte den Repräsentanten derselben die Pflege dieser Gesinnungen im Volke an’s Herz.

Unendlicher Jubel folgte auf die schlichten Worte des Heldengreises. Nachdem noch der Vicelandtags-Marschall, Herr Geyr von Schweppenburg, ein Hoch auf die Kaiserin, den Kronprinzen, dessen Gemahlin und das kaiserliche Haus ausgebracht, verließ der Kaiser mit seinem Gefolge unter den lebhaftesten Hochrufen der Versammelten den Saal. Hierauf bestiegen Seine Majestät und der Hof die Wagen, um die Illumination zu sehen. Die ganze Stadt war feenhaft beleuchtet. Um neun ein Viertel Uhr kam der Kaiser auf dem Köln-Mindener Bahnhofe an und begab sich sofort mit dem Extrazuge nach Benrath zurück. Beide Majestäten dankten wiederholt dem Herrn Oberbürgermeister Becker sowohl für die glänzende Illumination wie auch für den herzlichen Empfang. Das Kaiserpaar sprach besonders seine Zufriedenheit darüber aus, daß das Fest ohne jegliche Störung verlaufen war.

Noch viel großartiger war das Feenfest, welches Tags darauf, am 6. September, die Nixe der Düssel in dem geweihten Lieblingshain der Musen, dem reizenden und liebliche Fleckchen Erde, genannt „Malkasten“, dem Kaiser Wilhelm geboten. Die Schilderung dieses Festes ist der eigentliche Zweck des gegenwärtigen Berichtes, und so wird er denn in seiner Schlußabtheilung (in einer der nächsten Nummern) die Feerien des „Malkastens“ zu skizziren versuchen. Zu einem besonderen Schmucke dürften diesen Schilderungen einige noch im Schnitt befindliche Originalzeichnungen des Düsseldorfer Malers Wilhelm Beckmann gereichen, welche die Hauptmomente des Malkastenfestes darstellen werden.




Blätter und Blüthen.

Die Farbenbezeichnungen des Himmels bei den alten Völkern. In Folge meines in der vierten Nummer des vorigen Jahrganges (1876) enthaltenen Aufsatzes über die „Farbenblindheit wurden von den verschiedensten Regierungen Deutschlands und Europas die einschlägigen wichtigen Fragen in Betracht gezogen und bezügliche Schutzverordnungen für das öffentliche Wohl erlassen; meine Veröffentlichungen in der „Gartenlaube“ wurden zu meiner großen Freude mit dem Erfolge belohnt, welchen dieselbe angestrebt hatten. Es sind mir aber auch in Bezug auf jene Veröffentlichungen von den verschiedensten Seiten neben zustimmenden theils absprechende, theils tadelnde Worte übersandt worden. Besonders drückten mir viele israelitische Schriftgelehrte ihre Verwunderung darüber schriftlich aus, daß in jenem Artikel die Behauptung enthalten sei, die Bibel kenne keine Bezeichnung für die blaue Farbe. Uebereinstimmend erklären jene Kritiker, daß die blaue Farbe in der Bibel mit dem Worte Thecheleth bezeichnet werde, und kommt dieses Wort besonders bei den Priestergewändern vor, welche nach Angabe der Bibel an den Ecken „blaue“ Schußfäden getragen haben sollen. Ich habe in Folge dieser Einwände in jüngster Zeit Gelegenheit genommen, der betreffeden Frage näher zu treten, nachdem ich meine damaligen Mittheilungen den sprachforschenden Werken meines trefflichen, leider so früh verstorbenen Freundes Lazarus Geiger entnommen hatte.

Die ältesten griechischen Uebersetzungen geben alle jenes Wort „thecheleth“ mit „hyacinthenfarbig“ wieder, was eben nicht blau, sondern dunkel- oder schwarz-roth bedeutet, während die Uebersetzung der siebenzig Schriftgelehrten von Alexandrien, die „Septuaginta“, das Wort mit „porphyreos“ oder „dunkelpurpurfarbig“ bezeichnet. Philo und Josephus, die griechischen Schriftsteller jüdischer Confession aus jener Zeit, verglichen die Hyacinthenfarbe mit dem Aether, der in den heißen Gegenden Asiens und Afrikas dem Auge als eine gesättigte in's Blau-schwarz spielende Farbe erscheint. Der Talmud, jenes die traditionellen Ueberlieferungen der Juden enthaltende Sammelwerk, sagt: „jene Farbe gleiche dem Meere, das Meer dem Aether und der Aether dem Sapphir.“ Sicher dachte der betreffende Schriftsteller an eine Bibelstelle, in welcher der „Thron Gottes“ mit einem Sapphir verglichen wird (II. Mos., 24. Capitel, Vers 10). Die Araber übersetzten daher das Wort mit „himmelfarbig“.

Aus der vergleichenden Sprachforschung läßt sich nun schließen, was die alten Orientalen unter diesem „himmelfarbig“ verstanden haben. In vielen orientalischen Schriften wird nämlich gesagt, daß der Farbstoff, mit welchem man die „Schaufäden“ der Priestergewänder gefärbt habe, von einem Schalthiere, Chalason genannt, gewonnen werde; ferner ist erwiesen, daß man mit jenem Schalthiere sowohl die Purpurschnecke, wie auch eine bestimmte Gattung der Tintenfische bezeichnete. Letzterer Meinung ist auch der berühmte altjüdische Schriftsteller und Arzt Maimonides zugethan, indem er bei Beschreibung der Priestergewänder ausdrücklich sagt: „Man nimmt das Blut des Chalason, welches der Hyacinthenfarbe gleicht; das Blut ist schwarz wie Tinte, und man findet das Thier im mittelländischen Meere.“

Da auch die alte alexandrinische Uebersetzung der Bibel die Farbe „Thecheleth“ mit „oloporphyron“ zu deutsch tintenporphyrartig bezeichnet, so kann kein Zweifel sein, daß es sich hier um eine schwarz-rothe Farbe handelte. Wenn nun die alten Orientalen mit diesem Wort auch die Farbe des Himmels bezeichneten, so kann füglich damit nicht ein Himmelblau gemeint sein, wie wir es eben vergeblich in der Bibel suchen, sondern so zu sagen ein „Himmelschwarz“.

Der Sapphir hat dann vielleicht einen ähnlichen Eindruck auf das Auge der Alten hervorgebracht.

Was die Farbenbezeichnung des Himmels bei den übrigen orientalischen Völkern anbelangt, so findet sich bei den Indiern in den zehn Büchern der Riksanhita, den Liedern des Rigweda, dem Avesta, den biblischen Schriften, den homerischen Gedichten und dem Koran nicht nur der Himmel nicht, sondern überhaupt nichts blau genannt; ja noch mehr: es ist entschieden unmöglich gewesen, irgend etwas so zu nennen, da ein Wort für diesen Begriff nicht nur nicht vorkommt, sondern auch nicht vorhanden gewesen sein kann.

Dennoch wird kaum ein anderer Gegenstand häufiger als der Himmel erwähnt, und während seine Ausdehnung, Größe, Höhe und Weite vornehmlich gerühmt werden, wird von seiner „Bläue“ niemals gesprochen. So bedeutet auch das homerische Wort „kyanos“ nicht blau, wie man anklingend an die bekannte blaue Feldblume (Cyane) erwarten sollte, sondern schwarz. Die Barthaare des Odysseus, die Haare des Hector, das Trauergewand der Thetis, die Tiefen der Scylla, die Sturmwolken, alle werden mit dem Worte „kyanos“ bezeichnet, welches demnach nicht dem Blau, sondern dem Schwarz entspricht; in der „Odyssee“ werden die Haare des Odysseus öfter mit der Hyacinthblume verglichen, und es beziehen dies die griechischen Erklärer, denen diese Anschauung nicht so fremd wie uns war, auf die schwarze Farbe. Einen merkwürdigen Beleg für die Verwechselung der schwarzen und blauen Farbe liefert auch der Dichter Theokrit, welcher die Veilchen und die Hyacinthen direct durch das Wort „schwarz“ bezeichnet.

Aus allen diesen Zusammenstellungen geht entweder eine völlig unrichtige Bezeichnung der eigentlichen Farbe des Himmels hervor, oder es muß für den Begriff, den wir mit „blau“ verbinden, überhaupt keine Farbenbezeichnung bei den Alten bestanden haben.

Dr. S. Th. Stein.




Die „Social-Correspondenz“. Die politische Mündigsprechung der Massen durch das allgemeine Wahlrecht war lange Zeit ein Ideal und Strebeziel der freisinnigen Männer. Sie ist errungen, und das deutsche Volk wird sie bewahren – trotz der Kehrseite, die sie uns zeigte, seitdem die Socialdemokratie jene mit ebenso viel Geschick wie Energie als Grundlage ihrer staats- und gesellschaftsfeindlichen Bestrebungen benutzte. Die rasche Ausbreitung dieser Partei und ihre bedeutenden Siege in den Wahlschlachten haben gezeigt, wie rathsam ein Zusammenfassen aller Kräfte in dem Ringen gegen die durch sie drohenden Gefahren ist. Und diese in den weitesten Kreisen nothwendige Arbeit, dieser geistige Waffendienst ist es, welcher in der alten Weise nicht weiter mit Aussicht auf Erfolg geführt werden kann. Manche der bisherigen Einzelkämpfer bedürfen einer gemeinsamen Rüstkammer und einer gemeinsamen Leitung nach bestimmten Angriffspunkten und vor Allem der Werbung neuer Mitstreiter. Dieses Amt versucht die „Social-Correspondenz, Organ des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Classen“ (Vorsitzender Gneist), in die Hand zu nehmen. Ein Verein von Männern, welche verschiedenen politischen Parteien angehören, trachtet durch Herausgabe volksthümlich einfacher, klarer, möglichst kurzer Artikel zunächst den Boden urbar zu machen für gesunde wirthschaftliche Anschauungen, besonders im Bereiche der Arbeiterfrage.

Blättern wir in den vorliegenden Nummern (deren zwei wöchentlich erscheinen), so finden wir Artikel, wie: „Die Socialwissenschaft, ihre Aufgabe und Methode“. Als Hauptaufgabe gilt: die Ermittelung der Wahrheit in Betreff der Entstehung, Entwickelung und Vertheilung der menschlichen Wohlfahrt. – „Die Socialdemokratie und die bürgerliche Gesellschaft enthält eine kräftige Mahnung, endlich sich zur Aufkärung des „kleinen Mannes“, das heißt der großen Masse des Publicums aufzuraffen. – In „Die Gewinnbetheiligung der Arbeitnehmer“ wird auf den beachtenswerthen Versuch des Hofbaurath Demmler in Schwerin hingewiesen, als ein Beweis dafür: „daß die Social-Correspondenz mit versöhnlichen Gesinnungen bemüht ist, jedes redliche gesunde Streben der Anhänger der Socialdemokratie leidenschaftslos zu würdigen und zur öffentlichen Kunde zu bringen“. Daß die Social-Correspondenz überhaupt keine Sonderinteressen vertreten, kein Organ der Capital- und Fabrikherren sein will und ist, vielmehr ehrlich nach beiden Seiten hin der Gerechtigkeit und Billigkeit in Ansprüchen und Zugeständnissen das Wort bietet, bezeugt die ganze Haltung des Blattes.

Sehr richtig sagt ein Mitarbeiter in Nr. 6, S. 3: „Unzweifelhaft steht fest, daß es erstens eine Schmach, zweitens mit der höchsten Gefahr verbunden wäre oder vielmehr den sichern Ruin (des deutschen Volks) vorbereiten würde, wenn Alles im bisherigen Stile fort und fort ginge, wenn die nahezu gesammte Bürgerclasse jahraus jahrein thatlos mit ansehen wollte, wie eine Anzahl geschickter, kühner, eifriger, zum Theil begeisterter Agitatoren Alles aufbieten, falsche und verderbliche wirthschaftliche Grundsätze unter Hunderttausenden von Arbeitern, Gesellen und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 659. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_659.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)