Seite:Die Gartenlaube (1877) 698.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


von Cleve!“ rief wüthend der Prinz, und mit gewaltigen Schwertschlägen hieb er auf seinen Beleidiger ein.

Es war ein nicht zu verachtender Gegner, den Maximilian vor sich sah. Seine mächtigen Armknochen ließen das Schwert, einem Schmiedehammer gleich, auf- und niedersausen. Auch war seine Ausbildung an dem entlegenen kleinen Hofe fast ausschließlich der Waffenübung zugewendet gewesen, und schon manchen handfesten Ritter hatte er siegreich bestanden. Aber Maximilian's nicht mindere Körperstärke hatte durch Anlage, wie durch Schulung berühmter Lehrmeister, jene Stahlkraft gewonnen, die dem Eisen Biegsamkeit und Schärfe, den Muskeln aber die blitzartige Schnellkraft verleiht, die auch überlegenen Angriff nicht nur zu brechen, sondern unmittelbar und überraschend zu erwidern im Stande ist. Und dennoch machten ihm Adolf's Gewalthiebe zu schaffen. Es geschah offenbar mit Absicht, daß er dieselben eine Zeitlang unerwidert an seiner Klinge sich brechen ließ. Die Hand des Gegners sollte erst erlahmen. Dann aber – plötzlich – ließ er, nach damals im Schwertkampf beliebter Ueberraschungsweise, die ganze Wucht seines Schwertes in schräger Linie von oben nach unten so gewaltig gegen den Kreuzgriff des Gegners schmettern, daß die Waffe, der krampfhaften Umklammerung der Finger entrissen, jählings zu Boden flog.

Mit wildem Blick starrte ihr der Prinz nach. Aber nicht eine Secunde, und er war auch schon einen Schritt zurückgesprungen und riß den Dolch aus der Scheide.

„So denn zum Dolchkampf!“ schrie er wüthend und legte sich zum Sprunge aus.

Es wäre für einen Meister, wie Maximilian, ein Leichtes gewesen, ihn jetzt mit dem Schwerte niederzustoßen. Aber gegen einen nicht mehr ebenmäßig Bewaffneten und einen Tapferen dazu seinen Vortheil zu mißbrauchen, würde ihm als Schmach erschienen sein. Im Gegentheil, wie wenn ihm gelüste, auch in der zweiten Kampfart seine Ueberlegenheit zu beweisen, warf er geringschätzig sein eigenes Schwert zu Boden, zog den Dolch und erwartete festen Blickes seinen erbitterten Gegner.

Aber die Gefahr einer so mörderischen Waffe war zu unberechenbar, als daß der Erbe des heiligen römischen Reiches seiner großmüthigen Tollkühnheit überlassen werden durfte.

Gleichzeitig und von demselben Gedanken beseelt, sprangen von rechts und links Huy und der schon längst besorgt lauschende Ritter Herberstein hinzu und kreuzten ihre Klingen zwischen den Kämpfenden.

„Zu viel der Großmuth, Herr!“ rief Hugo.

Der alte Ritter aber, mit flammendem Blick auf den Prinzen, erhob feierlich die Linke:

„Des Deutschen Hand verdorre, der den Dolch zückt wider Diesen!“

In namenloser Bestürzung ließ der Prinz den Arm sinken; der Dolch entfiel ihm.

„Was muß ich ahnen?“ stammelte er, mit wirrem, fragendem, ehrerbietigem Blick zu Maximilian aufstarrend.

„Euer Wort, daß Ihr verschweigen wollt, was Ihr hören werdet!“ sagte Maximilian, ihm offen in's Auge blickend.

„Mein fürstlich Wort!“

„Hie Maximilian von Oesterreich!“

Der Prinz stand sprachlos da. Hinter dem Portal aber kamen, durch den frischen, fröhlichen Ton, mit dem Max das Wort gesprochen, hervorgelockt, als wären sie von bösem Zauber erlöst, Maria und die übrigen Verborgenen hervor.

„Gelobt sei Gott, kein Blut!“ rief Maria.

Selbstbewußt lächelte Max.

„Der soll erst noch geboren werden, der Uns im Kampf bestehet,“ sagte er, indem er sein ihm vom Pagen dargebotenes Schwert in die Scheide zurückstieß.

Erst jetzt gewann der Prinz seine Fassung wieder. „Euer Gnaden hier?“ rief er, bewundernd zu Maximilian aufblickend. „Bei Gott, das ahnte ich nicht, und mich gereuet, was ich gethan.“

„Das eine Wort genügt, Prinz. Alles ist vergessen.“

Aber bei dem Prinzen schien, trotz des freimüthig-fröhlichen Blickes, mit dem ihm Max zugenickt hatte, keineswegs Alles vergessen zu sein; eine böse Erinnerung mußte wohl mit seinen augenblicklichen Empfindungen kämpfen; seine Brauen zogen sich zusammen, wie wenn er nur mit Widerwillen dem Drucke eines stärkeren Pflichtgefühls weiche.

„Und dennoch, Euer Gnaden,“ brachte er endlich stockend und mit sichtbarster Verlegenheit hervor, „es fällt mir wahrlich schwer, aber ... wir sind in fremdem Lande ... in fremder Sache – und die Pflicht gegen ... gegen meinen Herrn Vater ... gebietet mir, Euch zu sagen: Eure Hoheit wird mir ... zu meinem Herrn Vater folgen müssen.“

„Ich Euch folgen? Ei, das ist lustig. Ich glaubte, Euch entwaffnet zu haben, und Ihr wäret mein Gefangener.“

„Euer Gnaden irren. Es bedarf nur eines Rufes von mir ...“

„O Gott!“ entfuhr es der Herzogin.

Maximilian warf einen schnellen Blick auf seine Begleiter.

„Umgekehrt, Prinz! Ein Wort von mir, und Ihr seid des Todes,“ erwiderte er mit einem Ausdruck, der keinen Zweifel zuließ, und im Augenblick sah der Prinz das Schwert des alten Ritters auf sich gezückt, und auf seine Brust schon das des Junkers gesetzt, der nur noch fragend am Auge seines Herrn hing.

Jetzt erst ging dem Prinzen ein volles Licht über seine verzweifelte Lage auf, und doch wußte er noch nicht einmal Alles, denn er hatte während des Kampfes nicht bemerken können, wie Ritter Huy. am Eingange des Hofraumes wachehaltend, zweimal sowohl nach der Cleveschen, wie nach der entgegengesetzten Seite abwehrende Handbewegungen gemacht, wie wenn er unberufene, durch den Lärm angelockte Störer fern halten wollte. Aber Eines begriff er völlig klar, daß sein Leben jetzt an einem Blicke Maximilian's hing, und so verblüfft war er von dieser Erkenntniß, daß er, ob auch ohne jede Furcht, mit offenem Munde von den Schwertspitzen auf Max und von diesem wieder auf jene blickte.

(Fortsetzung folgt.)




Die Kaisertage in Düsseldorf.
2. Das Malkastenfest.
(Mit Abbildung.)


Natur und Poesie hatten sich bei diesem Feste, welches von dem schönsten Wetter begünstigt war, zu einem Gesammtbilde vereinigt, das lebhaft an die prächtigen Märchen aus „Tausend und einer Nacht“ erinnerte. Die Künstler des Malkastens hatten auf’s Neue bewiesen, daß sie zu den gottbegnadeten Zauberern im Reiche der Phantasie und Poesie gehören, die Herz und Sinn derartig gefangen zu nehmen wissen, daß man den bekannten Warnungsruf Karl Simrock’s erst recht versteht:

„Dich bezaubert der Laut; Dich bethöret der Schein;
Entzücken faßt Dich und Graus;
Nun singst Du nur immer am Rhein, am Rhein
Und gehst nicht wieder nach Haus.“

Vor dem Haupteingange des sogenannten Hinterlocals im Malkasten war ein zeltartiger Vorbau errichtet, wo sich die Garderoberäume für die allerhöchsten Herrschaften befanden. Nachdem der Kaiser mit seinem Gefolge gegen sieben Uhr Abends den Wagen verlassen, betrat er das Vestibül, welches ebenso wie der Hauptsaal auf das Prachtvollste decorirt worden war. Die fremdherrlichen Officiere hatten sich rechts und links von den für die höchsten und hohen Herrschaften hergerichteten Logen eingefunden. Die Kaiserloge sowohl wie das hinter dem Winterlocale erbaute Theater war nur für diesen einen Abend errichtet und umfaßte mehr als zweihundertundneunzig Personen; die Sitzplätze für die Mitglieder des Malkastens befanden sich zwischen dem Theater und der Kaiserloge und boten für etwa achthundertundfünfzig Personen Raum.

Nachdem die Majestäten und anderen hohen Herrschaften am Eingange von dem Vorstande des Malkastens empfangen und in den Saal geleitet worden, begann das Vorspiel auf der kleinen Bühne daselbst. Der Führer des ganzen Abends, Professor Camphausen, richtete in der Maske des „wilden Mannes“ aus dem preußischen Wappen an die Majestäten eine sinnige dichterische Ansprache, Bezug nehmend auf eben dieses Wappen selbst, welches von Grün und Blumen auf der Bühne prachtvoll hergestellt war. Hierauf geleitete er die hohen Gäste zu ihren Sitzen vor das provisorische Theater. Das festlich gekleidete Publicum begrüßte das Kaiserpaar nebst Gefolge durch Erheben von den Plätzen. Nach dem mit lebhafter Wärme gesprochenen Prolog, der mit einem Hoch auf das kaiserliche Haus endete und mit Orchestertusch begleitet wurde, begann das von dem Maler Karl Hoff verfaßte Festspiel, das sich durch edle Sprache, reiche Phantasie und glühende Vaterlandsliebe auszeichnete.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_698.jpg&oldid=- (Version vom 20.10.2019)