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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


ab, da dieser Glasurüberzug als wesentlichen Bestandtheil Bleioxyd enthält.

Es giebt drei Arten von bezüglichen Glasuren. Erstens: irdene Glasuren, welche aus Kieselerde, Thonerde und Alkalien bestehen, am Porcellan und Steingut verwendet werden und durchaus nicht gesundheitsschädlich sind.

Zweitens: bleihaltige Glasuren, aus Bleiglanz und Lehm beim Brennen entstanden, welches die gewöhnliche Topfglasur ist; aus einer richtigen Mischung und unter entsprechender Temperatur erzeugt, ist diese Bleiglasur in den gewöhnlich in der Küche vorkommenden Flüssigkeiten nicht löslich und daher unbedingt empfehlenswert. Wenn dagegen ein Theil Bleioxyd mit der Kieselsäure nicht gehörig verbunden ist, so laugt sich das Blei leicht aus und kann zu schleichender Vergiftung Veranlassung geben.

Die dritte Art des Glasirens sind Emailglasuren, welche ebenfalls Zinn- und Bleioxyd enthalten.

Wenn man in einem irdenen Geschirre destillirtes Wasser abdampft, so enthält die letzte Quantität der zurückbleibenden Flüssigkeit Bleioxyd und giebt mit Schwefelwasserstoffwasser einen schwarzen Niederschlag von Schwefelblei. Will man sich überzeugen, ob ein Geschirr nach den richtigen gesundheitsgemäßen Gesetzen der Technik glasirt ist, so muß man es vor der erstmaligen Benutzung mit Essig füllen, den Essig acht bis zehn Stunden in den Töpfen stehen lassen, dann denselben herausnehmen und einige Tropfen Schwefelammonium zugießen, welches man in jeder Apotheke für billigen Preis haben kann. Wenn sich dann kein schwarzer Niederschlag oder keine hellbraune Färbung zeigt, so sind die Töpfe als der Gesundheit nicht gefährlich zu betrachten, da kein Bleisalz durch den Essig ausgelaugt worden ist.

Die Mangelhaftigkeit der deutschen Kochgeschirrfabrikate macht sich mit jedem Tage fühlbarer, und wir müssen mit Bedauern constatiren, daß gemeinschädliche Artikel in sehr bedeutender Masse in den Handel gebracht werden. –

Nicht nur in der Küche begegnen uns mannigfache schädliche Bleiverbindungen, welche krankmachend auf den Menschen einwirken, sondern insbesondere finden wir im täglichen Leben die mannigfachsten Gegenstände, welche, mit Bleifarben angestrichen, von Hand zu Hand gehend, Bleivergiftungen erzeugen können; hauptsächlich sind es die Kinderspielwaaren und hier besonders die in neuerer Zeit so sehr beliebten gefärbten Gummi-Artikel, welche vornehmlich Zinkverbindungen enthalten und leicht Unterleibskrankheiten: Diarrhöe, nervöses Zittern, Krämpfe und dergleichen, bei Kindern herbeiführen können.

Auch vor dem gefärbten amerikanischen Ledertuche, welches als Verdeckung an Kinderwagen, sowie zu Bettunterlagen häufig benutzt wird, wollen wir an dieser Stelle warnen. Dasselbe enthält sehr concentrirte Bleiverbindungen, die durch das Auf- und Abklappen der Wagendecke abgeschabt und in feinvertheiltem Staubzustande dem kindlichen Organismus durch die Athmungsorgane zugeführt werden. Es ist mehrfach im Laufe der letzten Jahre die Beobachtung gemacht worden, daß sonst ganz gesunde Kinder an Symptomen der Bleivergiftung erkrankt sind, und man errieth erst allmählich den Grund der Erkrankung in den bleihaltigen Schutzdächern des Kinderbettchens. Der Bleigehalt des erwähnten Stoffes ist so bedeutend, daß aus einem 15 Gramm (1 Loth) wiegenden Stückchen Zeug ein Bleikorn von 6 1/2 Gramm Gewicht dargestellt werden konnte. Jeder kann die Probe leicht selbst bewerkstelligen, wenn er ein Stückchen grauen amerikanischen Ledertuches, welches wie Zunder brennt, etwa von der Größe einer Visitenkarte auf einem Teller anzündet und verkohlen läßt. Bald sieht man in der Asche viele deutlich metallglänzende Bleikügelchen herumtanzen.

Durch die Forschungen einer rationellen Gesundheitswissenschaft werden in nicht gar langer Zeit, ebenso wie man jetzt die Symptome mannigfacher Krankheiten auf eine Bleivergiftung zurückzuführen im Stande ist, auch noch viele andere bis jetzt unbekannte Krankheitsursachen entdeckt und auf industrielle Mißstände zurückgeführt werden. Durch das Ineinandergreifen der technisch-wissenschaftlichen und ärztlichen Lehren wird die öffentliche Gesundheitspflege sich zum Heile des Volkes immer mehr und mehr entfalten. Ebenso wie dem deutscher Reichstage demnächst ein Gesetzentwurf über die Verfälschungen der Lebensmittel und deren wahrhaft erschreckendes Umsichgreifen vorgelegt werden wird, hoffen wir sicher auch zu Gesetzen zu gelangen, welche das Volk vor den üblen Einflüssen der gemeinschädlichen Erzeugnisse der Industrie zu schützen im Stande sind.

Dr. Th. St.




Beim Grundstein des Nationaldenkmals auf dem Niederwald.[1]
Am 16. September 1877.
(Mit Abbildung.)


     Den Gefallenen zum Andenken, den Lebenden
     zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern
     zur Nacheiferung!
          Weihespruch von Kaiser Wilhelm.


Das war ein Tag! Rings auf dem Strom die Schiffe mit beflaggten Masten
Und auf den Schiffen lust’ge Leut’, so viel nur Kähn’ und Dampfer faßten!
In Rüdesheim ein jedes Haus geschmückt mit grünem Laubgewind’!
Vom Thal bis aufwärts zu dem Berg sich eine Blumenranke spinnt.

Schau’ her, da hat der Küfer Schaar die Ehrenpforte gar von Tonnen,
Von mächt’gen Fässern aufgebaut. Fürwahr, ein Stücklein, klug ersonnen! –
Und mancher Reimspruch ziert den Bau, die Weisheit, die man lernt allein
Beim Becher. Sieh, die Flaschen dort! Respect! Das ist der Kaiserwein.

Und dort, von Trauben, welche Pracht! Wie’s roth und blau und goldig glänzet!
Die Winzer sind’s; die haben hier das schimmernde Portal bekränzet.
Vorwärts! Empor zum Niederwald! Da ist der Platz für’s Denkmal schon,
Und Meister Schilling sehn wir dort, des Sachsenlandes wackren Sohn.

Der Rothbart schmunzelt gar vergnügt im Zwiegespräch mit dem Genossen;
Der Baumann und der Bildner gehn schon lange Hand in Hand geschlossen.
Das Monument für Kaiser Max, das Schiller-Denkmal sagt’s zu Wien:
Wo einig waltet Doppelkraft, wird doppelt schöner Sieg verlieh’n.

Der Grundstein! Ei, zwei Flaschen Wein, sie ruh’n schon in dem Felsenbette.
Ach, wer von solchem Nektar doch daheim zwei volle Fäßlein hätte!
Die Urkund’ dort auf Pergament, die Zeitungsblätter klein und groß,
Die Münzen – alles das versenkt man bald in seinen dunklen Schooß.

Horch, horch, ringsum lebendig wird’s. Es tönt herauf von Asmannshausen
Der Menge heller Jubelklang, der Hurrahruf – ein wildes Brausen!
Vorreiter sprengen durch den Busch; die Menge drängt zu uns sich hin.
Im Kreis der Festgenossen stehn der Kaiser und die Kaiserin.

Der hinter ihm ist „unser Fritz“, Prinz Wilhelm. Hier der Schlachtendenker,
Der Moltke, dort Prinz Friedrich Karl. Wer zählt ringsum die Hüteschwenker?
Die tausende! Wie Wogen wälzt es sich von allern Seiten her;
Des Waldes grünes Blätterdach sah nie ein solches Menschenmeer.

  1. Es bedarf hier wohl nicht eines Hinweises auf die nationale und volksgeschichtliche Bedeutung des Niederwald-Denkmals. Die Presse hat in den Tagen nach der Grundsteinlegung das Fest und seine Idee so allseitig beleuchtet, daß wir glauben, uns hier auf die bildliche Darstellung dieser Feier und den obigen poetischen Weihegruß unseres Rittershaus um so mehr beschränken zu sollen, als unser Blatt, welches den Gedanken des Monuments und der Sammlung dafür bekanntlich zuerst angeregt, sich über dieses glorreiche nationale Unternehmen bereits früher (Nr. 33 von 1874) eingehend ausgesprochen hat.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 743. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_743.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)