Seite:Die Gartenlaube (1877) 800.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


der Preßfreiheit, zur Lähmung der Volksvertretungen, zur Verfolgung der liberalen Führer des Volks“, – und wie sehr es damit auch dem russischen Interesse diente, verräth die am Petersburger Hofe damals geläufige Tagesphrase: „Wir weisen Preußen seine Rolle an.“

Ja, was war da Alles möglich! Rußland winkt, und Rotteck und Welcker verlieren ihre Lehrstühle. Pietisten und Ultramontane feiern Sieg auf Sieg. Der „beschränkte Unterthanenverstand“ wird in Preußen erfunden und in Hessen Sylvester Jordan vor den Augen der ganzen Welt in einem politischen Racheproceß gefangen gehalten. Währenddeß läßt Bischof Arnoldi in Trier den heiligen Rock anbeten und erhält den Stern des rothen Adlerordens in demselben Jahre 1847, wo eine Lola Montez als Jungfrau von Orleans des baierischen Liberalismus gegen den Minister Abel auftrat und Heinrich Simon von Breslau als Sturmvogel des kommenden Jahres auf die Fragen „Annehmen oder Ablehnen?“ die Antwort des preußischen Volkes gab. Dann kommt – als zweihundertjähriges Jubiläum des Westfälischen Friedens – das Jahr 1848. Wie lebende Bilder führt Zimmermann uns die Hauptzüge dieser ersten großen nationalen Revolution Deutschlands vor, die Stürme in Wien, Berlin und Frankfurt und die Unthaten des Pöbels und der Reaction

Strafe vornehmer Verbrecher unter Joseph dem Zweiten
Illustrationsprobe aus Zimmermann’s „Illustrirter Geschichte des deutschen Volkes“.

bis zur „Rettung der Gesellschaft“ durch die politische Ebbe und zu deren Ausläufen, der Bundesauferstehung und Flottenauction.

Mit denselben energischen Strichen, wie die Ereignisse von Achtundvierzig und deren Folgen, malt er uns die aus den Schatten der Reaction, der Concordate und Conflicte in helleren Farben hervortretenden nationalen Bewegungen bis zu den Blut- und Eisenthaten, durch welche erst der Norddeutsche Bund gewonnen und zuletzt zum deutschen Reiche erweitert und erhoben worden ist.

Wir wiederholen es, daß wir gerade die beiden letzten „Hauptstücke“ des Werts der jüngeren Generation an das Herz legen, weil durch sie die schwere Zeit ihrer Väter ihnen so warm und klar vorgeführt wird, wie wir Alten nur in den besten Stunden der Erinnerung sie uns wieder vor Augen zu stellen vermögen. Die jüngere Generation bedarf aber einer solchen Einführung in jene schwere Zeit, damit die Märtyrer derselben von ihr gekannt, gerecht gewürdigt und nicht durch den Glanz neuer Ereignisse in den Schatten gestellt und mit Undank belohnt werden. Ebendeßwegen freuen wir uns, unseren Lesern mittheilen zu können, daß es der Wunsch des Herrn Verfassers ist, dem der Herr Verleger bereitwillig sich anschloß, den Abonnenten der Gartenlaube das an sich kostspielige Prachtwerk um einen bedeutend billigeren Preis abzulassen. Das Nähere über das Motiv und die Art und Weise dieser Preisermäßigung finden die Leser in dem dieser Nummer der Gartenlaube beigelegten Prospect.

Die Illustration welche wir als künstlerische Ausstattungsprobe des Werks aus dem dritten Bande desselben hier mittheilen, bezieht sich auf die Regierungszeit des Kaisers Joseph des Zweiten, von dem es (S. 374) heißt: „Er legte keinen Werth auf Geburtsrechte, auf unverdiente Bevorzugungen; er achtete nur das Verdienst und sah im Menschen nur den Menschen. – – Er ahndete jede Bedrückung, welche ein Beamter ausübte, auf das Strengste, und man sah hochgeborne Verbrecher, welche sonst fast immer vor Strafe sicher geblieben waren, unter seiner Regierung in Ketten die Gassen Wiens kehren.“

Fr. Hofmann.




Blätter und Blüthen.

Noch einmal die eingetheilte Vernunft. Der bekannte Ausspruch Ben Akiba’s findet auch auf die Mittheilung über die Eintheilung der Vernunft in Nr. 40 der „Gartenlaube“ Anwendung. Denn schon Beireis, Professor in Helmstädt, als Arzt und Naturforscher wissenschaftlich fast ebenso anerkannt und berühmt, wie als Adept und Charlatan im Volke beschrieen und berüchtigt (geb.1759, gest. 1809), theilt die Menschen ihrer geistigen Befähigung nach in Vollköpfe, Dreiviertelköpfe und Halbköpfe ein. Von den letzteren behauptet er, sie seien gute Geschäftsmänner. Die Dreiviertelköpfe brächten es in der Welt zu Ruhm, Würde und Ehren, aber erst die Vollköpfe wären die in Kunst und Wissenschaft wie sonst schöpferisch wirkenden Geister. Vollköpfe waren nach ihm Thales, Archimedes, Christus, Newton, Leibnitz, Büffon, Friedrich der Zweite, Katharina die Zweite, Napoleon. Dem Professor und Epigrammedichter Kästner in Göttingen wies er den Rang eines Dreiviertelkopfes an, ebenso dem Professor der Theologie Teller in Helmstädt, wogegen er des Letzteren Collegen Michaelis noch um eine Rangstufe herabsetzte.

Fr. Hg.




Unsern Lesern und namentlich den vielen anfragenden Briefschreibern können wir heute schon die hocherfreuliche Mittheilung machen, daß die in Nr. 45 erwähnten „drei Waisenkinder einer armen sächsischen Lehrerfamilie“ bereits eine neue Heimath, das heißt neue Eltern gefunden haben. Es sind auf unsere schlichte Anzeige so viele liebeswürdige und herzerwärmende Zuschriften eingelaufen, daß wir den Schreibern nicht genug dafür danken, freilich aber auch nicht überall schriftlich antworten können. Unser bei einer andern ähnlichen Gelegenheit abgegebener Ausspruch: „es giebt überall noch gute Menschen,“ hat sich hier wieder in glänzender Weise bewahrheitet. Der Himmel aber segne die Barmherzigen, welche sich der verlassenen Waisen so rasch annahmen.

D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_800.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)