Seite:Die Gartenlaube (1877) 815.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


und sprach auch die Ansicht aus, die Rumänen hätten zeigen wollen, daß sie die weiße Fahne mit dem Halbmond nicht respectirten.

An den zwei folgenden Tagen, die ich mit Spaziergängen durch die Stadt und Besuchen verbracht, war namentlich die Behausung des einzigen in der Stadt verbliebenen Consuls, Ritter von Schulz, der Ort, wo ich interessante Bekanntschaften machen und deutsche Landsleute treffen konnte. Ritter von Schulz ist eigentlich österreichischer Consul, aber er hat auch die deutschen Reichsbürger und andere Fremde unter seinen Schutz genommen, als das übrige Consularcorps sich nach auswärts verzog. Auf dem Balcon seines Hauses hatte man die Donau, und zwar einen Landungsplatz vor sich – keine Festungswerke hemmten an dieser Stelle den Ausblick – und gegenüber das amphitheatralische Kalafat, dessen Batterien jeden Augenblick unsere Kaffeegesellschaft in corpore nach dem Schattenreich expediren konnten.

So war denn der vortreffliche Kaffee, den uns Herr von Schulz serviren ließ, buchstäblich „unter der Kanone“ trotz aller guten Eigenschaften. Mit der herzlichsten, fast kindlichen Gutmüthigkeit und Liebenswürdigkeit verbindet Consul von Schulz den erprobtesten Mannesmuth.

„Soll ich meine Fahne im Stiche lassen?“ sagte er, fast beleidigt, als ich ihn fragte, ob er nicht ein sichereres Quartier aufsuchen wolle. Und er ist in der That nicht vom Posten gewichen, bis sein Haus kurze Zeit nach meiner Abreise wirklich in Trümmer geschossen wurde.

Die Gäste des Consulats waren größtentheils Aerzte, und zwar meist Reichsbürger und Oesterreicher, durchgehends gebildete freundliche Leute. Ich habe mir die Namen Dr. Taussig, Busch und Kronberger notirt. Ein britischer Arzt mit deutschem Namen, Dr. Rain, war sogar aus Melbourne herbeigekommen, um türkische Dienste zu nehmen. Ein sehr ansehnlicher, pathetischer Herr war der türkische Stabsarzt Fano Bey, aus istrianischer Familie stammend und ganz Italiener in Sprache und Wesen. Sehr interessant waren die Aufschlüsse, welche mir der Consul sowie der gelehrte Präsident des Handelsgerichts und der Handelskammer in Widdin, Dilber Effendi, über die Handelsbeziehungen der Donaustädte zu Oesterreich gaben. Das Lob des österreichischen Handelsstandes wurde da nicht gerade gesungen, und ich begriff leicht, wie Engländer und Franzosen statt der Wiener und Brünner Firmen an der Donau Fuß fassen können. Doch ist das ein Capitel, welches seine besondere Erörterung verlangt.

Ich habe das Maß eines kleinen Erinnerungsbildes erreicht und will es nicht überschreiten. Das aber kann ich sagen, daß mir selten eine Truppe, so durch ihre ungezwungene militärische Erscheinung, ihre strenge freiwillige Disciplin und ihr anspruchslos decentes Wesen imponirte, wie die Truppen Osman Paschas in Widdin, namentlich die Araber.

Am Festungsthore von meinen englischen Freunden Fitzgerald und Rain Abschied nehmend, sah ich – es war kurz vor Thorschluß – ein lustiges, behend und fröhlich einherziehendes Trüppchen türkischer Zigeunerinnen, durch den Koran zu tadelloser Reinlichkeit bekehrt, durch die Soldatengruppen dahinschreiten. Die witzigen Mädchen machten im Gehen allerlei Scherze, sodaß selbst die strengen Gesichter der Muselmänner sich aufhellten und die bronzefarbenen Söhne der Wüste lächelten, aber keiner von den Soldaten erlaubte sich eine Freiheit gegen die unvertheidigte Schaar hübscher Arbeiterinnen (denn die türkische Zigeunerin arbeitet auch). Es waren das dieselben Soldaten, welche Nachts die Officiere in Arrest brachten, die gegen das Festungsreglement bis Mitternacht zechten. Solche Disciplin, mit heroischer Tapferkeit geeint, mußte wohl zum Siege des Halbmondes bei Plewna beitragen.

Ungern verließ ich, als die Aufenthaltsfrist abgelaufen war, Widdin, um über Negotin auf österreichischen Boden zurückzukehren. Dank der treuen Begleitung eines Zaptiehs stieß mir kein Abenteuer zu.




Blätter und Blüthen.


Gustav Freytag-Galerie. (Mit Abbildung S. 813.) Es ist eine erfreuliche Erscheinung der neuesten Zeit, daß die bildende Kunst sich immer eifriger bemüht, aus den Werken unserer Dichter die Stoffe für ihre Darstellungen zu wählen. Illustrirte Ausgaben unserer beliebtesten Dichtungen und Galerien, in welchen die Geisteskinder der gefeiertesten Dichter uns vom Griffel unserer besten Künstler vor Augen gestellt werden, sind Unternehmungen des Buch- und Kunstverlags geworden, welchen die Gunst des Volkes in allen seinen Schichten sich immer wärmer zuwendet. Stahlstich und Holzschnitt, Litho- und Photographie wetteifern in diesem Bestreben; das Bild, das einst nur Eigenthum der vom Glück Bevorzugten war, das sich in Galerien nur besonders Begünstigten zeigte und nur in den Kirchen für alle frommen Augen hinter dem Altarschimmer prunkte, das Bild ist zum allgemeinen Eigenthum geworden, und wie sich in den Hallen der Wissenschaften endlich, wenn auch spät, auch die Hohen Gelehrten zum Volk herabließen und jetzt mithelfen zu dem einst so verachteten „Popularisiren der Wissenschaften“, so sehen wir die angesehensten Meister der Kunst heute der sogenannten „illustrirten“ Literatur dienen. Das ist ein großer Fortschritt, welcher nicht ohne den erwünschten Einfluß auf die Bildung unseres Volkes bleiben kann.

Zu den jüngsten der „Galerien“, für deren Vollendung ein Kreis von Künstlern mit guten Namen thätig ist, gehört die von der Firma Edwin Schlömp in Leipzig unternommene Gustav Freytag-Galerie. Der Prospekt des Unternehmens zählt nicht weniger als sechsundzwanzig solcher Namen auf, bei denen wir u. A. C. Becker, Ad. Camphausen, W. Diez, Jos. Flüggen, E. Grützner, Graf Harrach, C. Hoff, E. Hünten, H. Kaulbach, O. Knille, Ad. Lindenschmit, A. Linzen-Mayer, Ad. Menzel, Fr. Piloty, Paul Thumann und A. von Werner finden. Die von Fr. Bruckmann in München photographisch nach Originalgemälden reproducirten Darstellungen liefern Scenen aus den „Ahnen“, aus „Soll und Haben“, aus der „Verlorenen Handschrift“ und aus den „Journalisten“.

Statt eines kunstkritischen Urtheils bieten wir unsern Lesern lieber eine Probe des Werkes, die vom Künstler selbst für die „Gartenlaube“ auf Holz übertragen worden ist. Es ist das erste und sicherlich ein sehr empfehlenswerthes Blatt der Sammlung, das uns in die zweite Abtheilung der „Ahnen“, in „Das Nest der Zaunkönige“ führt. Der Künstler hat den Entscheidungspunkt im Leben seines Helden gewählt, den Augenblick, wo Immo, der älteste der sieben Söhne des Helden Irmfried, „welcher das Banner der Thüringe im Lande Italien trug“ und dort den Kriegertod fand, die Liebe der Hildegard, der Tochter des schlimmen Grafen Gerhard, gewinnt. Der Jüngling, ein Schüler der Benedictiner-Abtei Herolfsfeld (Hersfeld) an der Fulda, von den Seinen für den geistlichen Stand bestimmt, aber für die Thaten des Schwerts glühend, ist in einem Streite zwischen den Klosterleuten und den Gräflichen gefangen und in’s Grafenschloß geführt worden. Mit dem übrigen Gesinde zum Abendtisch gerufen, behauptet er sein Recht, an der Herrentafel zu sitzen. Hier knüpft er mit der gewesenen Klosterschülerin Hildegard eine gute Gesellenschaft, welche zu einer Liebe sich entfaltet, der wir den ganzen Roman mit seinem geschichtlichen Bilderreichthum verdanken.

Der Schöpfer dieser lieblichen, lebensfrischen Gestalten ist ein Künstler von berühmtem Namen, ein neuer Kaulbach, des Meisters Wilhelm kunstbegabter Sohn Hermann, ein junger Mann, der erst den ersten Schritt in die Dreißiger gethan hat. Zum Mediciner bestimmt, machte Hermann die ganze Gelehrtenlaufbahn auf dem Gymnasium zu Nürnberg und der Universität in München durch, bis er im Drange nach der stets neben dem Studium mit stiller und um so treuerer Liebe gepflegten Kunst das Secirmesser wegwarf und vom Meister Piloty sich für immer Pinsel und Stift in die Hand drücken ließ. Erst 1874 verließ er die Schule Piloty’s.




Das Blei in der Küche. In Folge des in Nr. 44 dieses Blattes veröffentlichten Aufsatzes: „Ein unbekanntes Schleichgift in der Küche“ kamen uns die verschiedenartigsten Anfragen wegen Beschaffung giftfreier Kochgeschirre zu. Im Allgemeinen läßt sich hier nichts Bestimmtes angeben, da man, wie das in dem erwähnten Aufsatze auch mitgetheilt worden ist, dem Kochgeschirre, ohne chemische Untersuchung der Glasur, nicht ansehen kann, ob es gesundheitsgefährliche Stoffe enthält oder nicht.

Als vor mehreren Jahren die Trichinenkrankheit bei Menschen entdeckt wurde und man gefunden hatte, daß dieselbe in Folge des Genusses trichinösen Schweinefleisches entsteht, enthielt sich ein großer Theil des consumirenden Publicums des Schweinefleisch-Kaufens bei allen denjenigen Metzgern und Kaufleuten, welche nicht ein von einem zuverlässigen Sachverständigen ausgestelltes Zeugniß aufweisen konnten, woraus hervorging, daß der betreffende Verkäufer das zu Markt gebrachte Fleisch einer sachverständigen mikroskopischen Untersuchung vorher hatte unterziehen lassen. Der ganz gleiche Fall liegt bei den fraglichen Kochgeschirren vor. Die Industriellen müssen genöthigt werden, ihre Fabrikate von Zeit zu Zeit einer chemischen Untersuchung zu unterwerfen und ihren Abnehmern eine Garantie durch vorzulegende officielle, sachverständige Gutachten bieten. Das Publicum wird alsdann nur dort seine Kochgeschirre kaufen, wo es eben eine officielle Garantie findet.

Wir erinnern uns übrigens einer Bekanntmachung des königlichen Polizei-Präsidiums zu Berlin vom 26. März 1866, in welcher das gräflich Einsiedel’sche Eisenwerk zu Lauchhammer als eine Fabrik bezeichnet wird, in welcher das zu den Geschirren verwandte Email ganz frei von Blei und Zink sei. Die bezügliche Bekanntmachung war in Folge einer Untersuchung von Geschirren entstanden, die zu Berlin zum Verkaufe gekommen und als der Gesundheit nachtheilig erkannt worden waren. Wie wir vernehmen, soll das Eisenwerk Lauchhammer auch heute nur bleifreie und zinkfreie Emailwaaren fabriciren, was sicherlich auch bei einer Reihe anderer solider Fabriken der Fall ist. – Die Fabrikanten bleihaltiger Geschirre wissen ganz wohl, daß durch ihre

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 815. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_815.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)