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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Namen und auch den meinen nicht, um Niemandem in meinen letzten Stunden zu schaden und meiner Familie die Schande zu ersparen; mein einziger Trost ist der, daß vielleicht durch gütige Veröffentlichung dieser Zeilen in Ihrem Weltblatte dieses traurige Gesetz geändert und nach mir keiner mehr durch dasselbe zur Verzweiflung getrieben wird.

     Mit größter Hochachtung

Ein Unglücklicher.


Der Watte-Respirator. Es ist in neuerer Zeit mit ziemlicher Sicherheit festgestellt worden, daß viele, ja vielleicht alle epidemischen Krankheiten durch das Einathmen von zeitweilig in der Luft schwebenden vegetabilischen oder animalischen Organismen veranlaßt werden. Die Natur dieser mikroskopisch kleinen Körper ist bis jetzt noch ein Geheimniß. Aehnliches liegt bei Lungenerkrankungen, Blei- und Arsenikvergiftungen vor, da bekanntlich auch diese krankhaften Zustände oft durch das Einathmen des mineralischen Staubes und anderer von pflanzlichen oder animalischen Stoffen herrührender mikroskopischer Beimengungen entstehen.

Die Frage, wie auf die leichteste, einfachste und sicherste Weise diesem großen Uebelstande abgeholfen werden könne, ist nun ein wahres Ei des Columbus. Annähernd gelöst wird sie aber durch den von Dr. Wolf in Frankenstein (Schlesien) in der „Allgemeinen medicinischen Zeitung“ in Vorschlag gebrachten Watte- oder Baumwolle-Respirator. Da dieser in Sar’s medicinischem Almanach vom Jahre 1878 im Auszuge gebrachte Aufsatz seiner Wichtigkeit wegen in den weitesten Kreisen bekannt zu werden verdient und dieser Zweck durch keine Zeitschrift besser erfüllt werden kann, als durch die „Gartenlaube“, so erlaubt sich der Unterzeichnete, den kleinen Aufsatz hier zu reproduciren.

Der „Watte-Respirator“ des Dr. Wolf bewährt sich zur Abhaltung von schädlichen Beimengungen der Atmosphäre, insbesondere für Fabrikarbeiter, außerordentlich. Er bewirkt vollständige Reinhaltung der Nase, des Mundes, des Schlundes und der benachbarten Schleimhäute. Der Speichel, welcher in Fabriken durch den fortwährend in der Luft befindlichen Mineral- und ähnlichen Staub, ohne Anlegen eines Luftfiltrums, schon in der ersten Viertelstunde der Arbeitszeit gefärbt, zähe und verunreinigt erscheint, bleibt bei Anwendung des Watte-Respirators rein und normal, wogegen eine dichte Ablagerung der Staubtheilchen sich auf der mit einem Gazestückchen bedeckten Außenfläche der Watte zeigt, welche letztere sehr leicht durch ein anderes Stück ersetzt werden kann, sobald sie nicht mehr durchlässig ist. Der Wolf’sche Watte-Respirator muß daher als eine sehr wohlthätige Erfindung bezeichnet werden, welche bei staubigen Arbeiten allgemein angewendet werden sollte, um den Arbeiter vor vielen Unbehaglichkeiten und Krankheiten zu schützen. Die Einfachheit der Behandlung des Instrumentes ist geeignet, die Einführung desselben sehr zu erleichtern, umsomehr als der Preis desselben vom Erfinder sehr niedrig (80 Pf.) gestellt worden ist.

Watte-Respirator.

Uebrigens kann sich Jeder selbst sehr leicht ein solches Instrument verfertigen. Man nimmt ein Stückchen dünner Pappe, etwa nach beistehender Zeichnung ausgeschnitten, und biegt es nach Form des Unterkiefers. Die Größe dieses so gebogenen Pappendeckels sei eine solche, daß der Mund und der untere Theil der Nase bequem hineinpaßt. An die convexe Fläche wird ein Stück nach oben gewölbartig eingenähten oder eingeklebten und an den Bändern eingesäumten oder blos mit Gummi geklebten Flor- oder Gazestoffes angeklebt, und dieses Florstück auf der Concavseite ganz mit Watte oder Baumwolle nicht zu dick aufgefüllt. Das so construirte Instrument wird mittelst zweier Bändchen, welche man zuvor zu beiden Seiten des ausgeschnittenen Pappendeckels, wie die Figur zeigt, angebracht hat, an den Ohrmuscheln befestigt.

Und nun beherzige man die Mahnung: „sich nicht zu geniren“, das Instrument anzulegen, so lange man sich an Orten aufhält, wo die Luft, wie dies in Fabriken und Hüttenwerken nur zu häufig der Fall ist, durch schädliche mineralische Stoffe verunreinigt ist, oder, was nicht minder wichtig ist, sobald man in ein Zimmer geht, in dem Menschen mit ansteckenden Krankheiten liegen, oder wenn gefährliche Epidemien herrschen. Auf die Verwendung dieses Instrumentes in letzterer Beziehung möchte der Unterzeichnete ganz besonders aufmerksam machen, da dies im angeführten Aufsatze leider nicht geschehen ist.

Zu bemerken ist noch, daß das Athmen durch einen solchen Watte-Respirator nicht im geringsten beeinträchtigt oder erschwert wird. Der allgemeinen Anwendung dieses wahrhaft heilsamen Vorbeugungsmittels steht nur ein freilich sehr großes Hinderniß entgegen, und dieses ist die leidige Gêne (es giebt leider für diesen Ausdruck kein völlig bezeichnendes deutsches Wort) des larvenartigen Aussehens wegen, welches der Watte-Respirator allerdings hat. Doch wo es sich ernstlich um die Sicherstellung von Gesundheit und Leben handelt, sollte man sich füglicher Weise nicht geniren. In Fabriken aber, besonders in Hüttenwerken, sollte das Tragen eines solchen Respirators ein streng zu beobachtendes Gebot von Seiten der Gesundheitspolizei und des Fabrikherrn sein.

Als schlagender Beweis, daß die Baumwolle im Stande ist, auch den kleinsten in der Luft schwebenden mikroskopischen Organismen mittelst eines derartigen Watte-Respirators den Zutritt zu den Athmungswerkzeugen unmöglich zu machen, dienen die sehr interessanten Experimente, die man gemacht hat, um darzuthun, daß ohne den Zutritt der mit solchen Organismen erfüllten atmosphärischen Luft, in dem destillirten, abgekochten Wasser keine Infusorienbildung stattfindet.

Dr. E. Hlawacek.


Slade’s Ehrenrettung. Die Aufdeckung der Slade’schen Taschenspielereien vor dem Forum des gesunden Menschenverstandes rief, wie das vorauszusehen war, einen Sturm der Entrüstung im spiritistischen Lager hervor. L[...], der Impresario des amerikanischen Cagliostro, übergoß mich mit einer Spritzfluth von Schmähungen; Graf Poninski bewies dem Publicum mit Eifer, daß sein Glaube stärker sei als sein Verstand, und Herr Gregor Constantin Wittig warf mir als Fehdehandschuh eine Broschüre in der Stärke von zwei Druckbogen vor die Füße. Ja, um der Herausforderung noch mehr Wucht und Nachdruck zu verleihen, legte er die Broschüre noch einmal auf und druckte derselben die Urkunde des Taschenspielers Samuel Bellachini bei, laut welcher dem Taschenspieler Slade die Eigenschaften eines Mediums feierlichst zuerkannt werden.

Wollte ich alle diese Fehdehandschuhe auch willig aufnehmen, so fragt es sich, ob der freundliche Leser Freude hätte an solch nutzlosem Turnier, und ferner zweifle ich, ob der Leiter der „Gartenlaube“ die Spalten seines Blattes um der Kampflust spiritistischer Glaubensritter willen als Tummelplatz herleihen würde.

Ich will daher nur in Kürze Folgendes erwähnen: Abgesehen davon, daß der Physiker Böttcher, ein Mann von schwerwiegender Bedeutung auf dem Gebiete der „natürlichen Magie“, meine Ausführungen uneingeschränkt bestätigte und Slade öffentlich als Gaukler entlarvte, abgesehen davon, daß Samuel Bellachini’s Geschäftsführer mir vor Zeugen zugestand, sein Meister sei nicht durch Slade’s Taschenspielerkünste getäuscht worden, und daß er meinen Einwurf: „So hat ihn seine Servilität gegen mystisch angeflogene Aristokratenkreise zur Unterzeichnung dieser lächerlichen Urkunde bewogen,“ schweigend hinnahm, abgesehen davon endlich, daß Slade in London des Betruges überführt und von dem Gerichte als Betrüger verurtheilt wurde, frage ich: was wäre damit gewonnen, wenn ein Geist in schlechter Schrift irgend welchen Unsinn auf eine irdische Tafel zu schreiben vermöchte? Hätte der Taschenspieler Slade aber irgend eine bis heute unbekannte und ungeahnte Kraft entdeckt, nun, so würde er es jedenfalls machen wie andere ehrliche Menschen und würde sagen: Kommt, laßt uns nach den Ursachen der Erscheinung, nach dem Wesen und Zwecke derselben forschen! Statt dessen hüllt er seine gemeinen Künste in ein mystisches Dunkel und erklärt sie für die Kundgebungen überirdischer Wesen, die er als Spirits bezeichnet und von denen nach seiner Ansicht die meisten katholischer Confession sind.

Welche Blüthen aber solche übernatürliche Betrachtungen und Beschäftigungen zu treiben vermögen, beweist uns ein Wiesbadener Gymnasiallehrer, Namens Wiese. Dieser Spiritist, welcher die Jugend dem Lichte der Erkenntniß entgegenführen soll, erzählt in Atsakow’s „Psychischen Studien“ ganz ernsthaft, daß er bei einer Sitzung im Dunklen von einer Geisterhand derart gezwickt, am Schnurrbarte gerissen und durch Einbohren des scharfen Nagels der Geisterhand gepeinigt worden sei, daß er dringend um Nachlaß gefleht habe. Triumphirend erzählt er weiter, daß man an seiner Hand noch lange nachher den rothen Eindruck des scharfen Geisterfingernagels habe sehen können. Später überzeugten sich die Wiesbadener Spiritisten dadurch, daß eine Dame im Dunklen aus der Kette gerissen wurde, von dem seltsamen Umstande, daß die Geisterhand einen wollenen Aermel, der Geist also einen Rock trug. Und all diese Entdeckungen bewiesen in den Augen des Lehrers Wiese nichts weiter, als die unumstößliche Gewißheit, daß es mediumistische Kräfte gebe, welche Geister – wenn auch nur unwissende – zu citiren vermögen.

Ich bin fest überzeugt, wenn der Schalk, welcher in Wiesbaden die Rolle des Geistes spielt, die ganze Spiritistengesellschaft durchprügelt, so verkündet Herr Wiese frohlockend der Welt: Die Naturwissenschaften existiren nicht mehr, denn mir ist von Geisterhand eine Tracht Prügel zu Theil geworden. Die gläubige Spiritistengemeinde läßt in diesem Falle die erhebende Thatsache zuverlässig durch eine notarielle Urkunde feststellen.

R. Elcho.


Wieder eine praktische Erfindung von einem Deutschen in Amerika. Wilhelm Bohrer, ein namhafter Clavierlehrer in Montreal (Canada), hat einen „automatischen Clavierhandleiter“ erfunden und nach den Zeugnissen aller derjenigen Musik-Conservatorien und Clavier-Autoritäten, welchen er das Modell vorgezeigt hat, nicht nur dem Schüler, sondern auch dem Lehrer einen großen Dienst damit erwiesen. „Automatisch“ nennt der Erfinder seinen Handleiter, weil derselbe vollständig und unablässig das Spiel des Schülers überwacht und bei fehlerhaftem Daumenuntersetzen, schlechter Handhabung etc. das Spiel sofort unterbricht.

Diese immerwährende Controle, welche bis jetzt zu den peinlichsten Aufgaben des Clavierlehrers zählte und nur für die Dauer der Lection möglich war, wenn nicht die Geduld des Unterrichtenden schon vor Ablauf einer solchen Marterstunde sich erschöpft hatte, dehnt der „automatische Clavierhandleiter“ auch auf die Zeit des Selbst- und Alleinübens aus und übernimmt somit gewissermaßen die Stelle des abwesenden Lehrers. Daraus ergiebt sich von selbst, daß der Schüler durch seine auf diese Art immer rege gehaltene Aufmerksamkeit an einem Sichgehenlassen und an gedankenlosem Ableiern des ihm aufgegebenen Pensums verhindert wird, die elementaren Vorbedingungen zu einem guten Spiel am schnellsten sich erwirbt und also viel nutzlose Vergeudung an Zeit, Mühe und Verdruß, welcher überdies sehr oft zum Ueberdruß führt, sich erspart. (Eine Broschüre, betitelt „Zweck und Gebrauch des Bohrer’schen automatischen Handleiters“, ist bei J. Aibl in München erschienen.)


Kleiner Briefkasten.

M. D. in St. Ein authentisches Portrait von Osman Pascha existirt überhaupt noch nicht. Erst während der Belagerung von Plewna ist es einem Deutschen gelungen, den berühmten Feldherrn zu bewegen, sich photographisch aufnehmen zu lassen, dieses einzig portraitähnliche Bildniß ist bisher aber noch nicht veröffentlicht worden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_020.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2019)