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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Luther so des Bösen Kind. (Petrus Sylvius nach P. Kreutz.) Und die arme Frau erfuhr solche gemeine Reden nur zu bald, aber sie ertrug Lästerung und Schmach, Spott und Verachtung um ihres Sohnes willen mit geduldigem Gemüth. War ja doch ihr Eheherr ihr eine feste Stütze in diesem schweren Leid! Und die Achtung des Sohnes, und der mit ihm zugleich am großen Werke arbeitenden Männer, eines Melanchthon und Anderer, mag sie getröstet haben über den Unverstand der Menge, der sie anfänglich wohl tiefer getroffen hat, als man jetzt glauben möchte. Sie war ja auch ein Kind ihrer Zeit und nicht frei von dem Aberglauben derselben, wie Luther uns in seinen Tischreden erzählt, daß seine Mutter viel von ihrer Nachbarin, einer Zauberin, geplagt worden sei, und wie sie dieselbe auf’s allerfreundlichste und herrlichste habe halten müssen, damit sie ihr nicht die Kinder verhexe. Vielleicht wurde sie erst durch die traurige Erfahrung, die sie machen mußte, und durch welche sie die Verblendung des Aberglaubens recht deutlich einsah, die Frau, als welche Melanchthon sie rühmt, „auf die alle anderen ehrlichen Weiber als auf ein Exempel und Vorbild der Tugend sehen konnten.“ Und als im Jahre 1520, am 25. November, Melanchthon sich ein Ehegemahl nahm, da durfte die einfache Frau, die einst das Holz auf ihrem Rücken in’s Haus getragen hatte, um den Ihren die einfache Mahlzeit bereiten zu können, mit ihrem lieben Hans nicht an der Tafel fehlen, ja, Beide saßen unter den Ehrengästen.

Ihre Kinder, und vor Allem ihr herrlicher Sohn Martin, hielten sie sehr hoch und werth; ebenso die Schwiegertochter Käthe und deren Kinderschaar. Wie der Reformator schon früher sein Buch von der Klosterzucht seinem Vater gewidmet hatte, so hat er beider Eltern Andenken dadurch zu verewigen gesucht, „daß er ihre Namen in sein Traubüchlein unter der Formel: ‚Hans, willst Du Grethchen zum ehelichen Gemahl haben?‘ zusammengesetzt und hierdurch seine Dankbarkeit für alle ihre Wohlthaten öffentlich annoch bei ihrem Leben an den Tag gelegt“. Margarethe Luther hatte noch das unsägliche Glück, alle ihre Kinder wohl versorgt und sich und ihren Hans selbst in recht guten Umständen zu sehen. Der Gatte wurde schon wenige Jahre nach ihrer Uebersiedelung nach Mansfeld wegen seiner allgemein bekannten Rechtlichkeit in den Rath des Städtchens gewählt; der Gewinn seiner Arbeit war so beträchtlich gewesen, daß er angefangen hatte, sich ein hübsches Vermögen zu sammeln. Grethe trug nicht mehr das Holz auf dem Rücken aus dem Walde heim, sondern saß ruhig in ihrer blüthenweißen Faltenhaube in ihrem hübschen Häuschen, Kinder und Enkel umgaben sie, und Freude war der tägliche Gast im Hause der alten Leute. Da traf das treue Herz der Gattin der schwerste Schlag; sie verlor am 29. Mai 1530 den wackeren Lebensgefährten, und von der Zeit an neigte sich auch ihre Lebenskraft dem Ende zu. Martinus Luther hatte den Tod des Vaters vorausgeahnt. Ihm träumte nämlich, ein großer Zahn sei ihm ausgefallen, und das deutet in Sachsen der Aberglaube noch bis auf den heutigen Tag auf einen nahen Todesfall in der Familie. Wie Luther sich den Tod des Vaters zu Herzen nahm, berichtet uns Magister Veit Dietrich: seine fürsorgliche Käthe sandte ihm, um ihn zu trösten, auf die Veste Coburg, woselbst er sich während des Augsburgischen Reichstags aufhalten mußte, das Bild seines lieben Töchterchens Lenichen, das er ja auch früh durch den Tod verlieren sollte. Wie sich die alte Frau Margarethe gegrämt, erzählt uns kein Chronist; aber wir wissen, sie starb an ihrer Trauer; ein Jahr nach dem Tode ihres Hans, am 30. Juni 1531, segnete auch sie das Zeitliche. Ihr großer Sohn war in ihrer Scheidestunde von der Erde ihr fern; seine größeren Pflichten gestatteten ihm nicht die weite Reise zur geliebten Mutter. Aber „seine kindliche Pflicht hatte er doch insonderheit in Acht genommen. Als sie von Gott auf das Krankenbett geleget ward, und als er vermuthete, daß dieses ihr letztes Lager sein dürfte, wollte er der kranken Mutter mit Trost beistehen, weil er selbst nicht gegenwärtig sein konnte“. Und so schrieb er ihr den schönen Brief, der uns in seinen gesammelten Schriften aufbewahrt ist, und dessen Anfang und Ende lautet:

„Meine herzliebe Mutter! Ich habe die Schrift meines Bruders Jacob von Eurer Krankheit empfangen, und ist mir ja herzlich leid, daß ich nicht kann leiblich bei Euch sein, wie ich wohl gerne wäre. – Der Vater und Gott alles Trostes verleihe Euch durch sein heiliges Wort und Geist einen festen, fröhlichen und dankbaren Glauben, damit Ihr diese und alle Noth mögt seliglich überwinden, und endlich schmecken und erfahren, daß es die Wahrheit sei, da er selbst spricht: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Und befehle hiermit Euer Leib und Seele in seine Barmherzigkeit. Amen. Es bitten für Euch alle Eure Kinder und meine Käthe; etliche weinen, etliche essen und sagen: die Großmutter ist sehr krank. Gottes Gnade sei mit Euch und mit uns Allen. Amen. Sonnabend nach Himmelfahrt, 1531.

Euer lieber Sohn
Dr.Martin Luther.“

Und im festen Glauben an diese göttliche Barmherzigkeit, in deren Hände sie der ferne Sohn befohlen, ist sie verschieden. Derselbe Geistliche, M. Coelius zu Eisleben, der von den erbleichenden Lippen der Eltern das Bekenntniß ihres Glaubens gehört, der Margarethen und ihrem geschiedenen Eheherrn den letzten Segen nachgesprochen, hörte auch von dem sterbenden Reformator, „dem lieben Mann Gottes“, fünfzehn Jahre später die letzte Anrufung des göttlichen Namens.

Die allbekannten Züge Luther’s finden sich in dem Gesicht der Mutter treulich wieder. Es liegt etwas Festes, Entschlossenes um diese Lippen, ein klares und verständiges Ausschauen in diesen Augen; Strenge, ja wohl Eigensinn in dem breitauslaufenden Nasenrücken; behäbige Lust am Leben in dem weichgerundeten Kinn. Und so mögen diese Zeilen ihr Angedenken unter den deutschen Frauen wieder lebendig machen, damit die Frau, die uns den starken Glaubenshelden, den großen Dichter erzogen, nicht vergessen werde. Möchten diese Worte zu ihrer Erinnerung ebenfalls sein eine bescheidene Irmensul Lutheri!

L. Schneider.





Boarische Wirthshäusl.[1]
Zwei Gedichte in oberbairischer Mundart von Carl Stieler.

Der alte Wirth is voller Gift
Und arbeit’ rum und schreit:
„Jetzt is heunt wieder ’s ganze Haus
Ganz voll von fremde Leut!

5
Die Tröpf! I bin der alte Wirth

Und hab mi’ g’ärgert gnua.
I trink mei’ Bier schon selber aus,
Und na will i mein Ruah!

Wirthshäuser gibts ja g’nua im Dorf –

10
Es is zum Teufelholen,

Daß all’ die Tröpf, die fremden Leut
Grad da zu mir ’rein wollen!“






A Herrschaft hat im Wirthshaus g’wohnt
Da drunt am Zellergraben.
Jetzt wird der Herr am Abend krank
Und möcht a Suppen haben.

5
Sei’ Frau geht selm in d’Kuchl ’na‘[2]

Und bitt’ an Wirth halt nacha:[3]
Ob’s nit a Suppen kriegen kunnt
Und daß s’ ihr oane macha.

„Ja,“ sagt der Wirth, „die is schon da,

10
Jawohl, Sie krieg’n schon oane,

Aber dös sag i Ihna schon –
G’macht hätt i Ihna koane.“


  1. Wir theilen die Dialektdichter in Käfig- und Waldvögel ein, von denen erster Eingelerntes, die letzteren aber so singen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Und das der Waldvogel nur singt, so lange er gesund ist, so singt er auch nur Gesundes, und das ist zugleich das Hauptkennzeichen des wahren Volksliedes. Carl Stieler ist ein solcher freier, frischer Vogel, von dem das lustige Schnaderhüpfl preist: „Meine Vögel im Wald singen Alles vom Blatt!“ Er ist Meister der genauen Kenntniß des Volksgesichtskreises und der Volkslogik, die man nicht in Büchern studiren kann. Daß er den richtigen Ton anschlägt, der zum Herzen des Volkes dringt, davon zeugt die Theilnahme, die es seinen Gedichten zuwendet. Von seinen beiden ersten Sammlungen, den „Bergbleamln“ (München, Braun und Schneider) und dem „Weil’s mi’ freut“ (Stuttgart, Meyer und Zeller), sind bereits mehrere Auflagen nöthig geworden, und sein jüngstes Büchlein, das mit dem trotzigen Titel „Habt’s a Schneid!?“ auftritt, lacht dabei viel zu fröhlich in die Welt, um lange auf Lager zu bleiben. An so einem Gesellen kann der alte Meister Franz von Kobell seine Freude haben.
    F. H.
  2. in die Küche hinab.
  3. nachher.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_047.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)