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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


bleibt der See uns zu Seite - und erreichen das stattliche Gebäude der Benedictiner-Abtei und das dicht daranstehende - Gasthaus. Zum Bedauern des Wirthes hat das Letztere seit Aufhebung der „Erziehungs-Anstalt“, wie das hier etablirte „Jesuiten-Pensionat“ noch vor Kurzem sich zu nennen pflegte, wesentlich in seinen Einnahmen gelitten. Wie mancher Vater suchte und besuchte hier den „geistlichen Sohn“, der „in guter Schule aufgewachsen“ sich zu seinem wichtigen Amte vorbereitete.

Ein Graf von Schaesberg in Aachen erstand von der Familie Delius im Jahre 1863 die Klostergebäude. Der Kauf war entweder nur ein Scheingeschäft, denn die frommen Väter Jesu nahmen alsbald von den Gebäuden Besitz, oder der Käufer überließ sein Eigenthum bis zur Einführung des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872 dem frommen Zwecke. Heute ist das Besitzthum wieder an den genannten Käufer zurückgefallen.

Pfalzgraf Siegfried, der Gemahl der sagenhaften Genoveva, soll den Bau der Abtei wesentlich gefördert haben, und oft lag uns bei früheren Besuchen, wenn mehr als hundert schwarz gekleideter Novizen des Instituts im abgeschlossenen Klostergarten ernst und gesenkten Hauptes dahinschritten, der Gedanke nahe, daß auch unter ihnen gar mancher „Schmerzensreich“ sich finden dürfte, den elterliches Gebot oder Abhängigkeit anderer Art an diese Stätte der „Frömmigkeit“ gebannt.

„Es blickt in ruhiger Beschaulichkeit
Das ernste Kloster durch die grauen Schlüfte;
Die Kirche, welche ein Jahrtausend weiht,
Ragt vielgethürmt in einsam stille Lüfte;
Ihr Glockenschall klingt nicht in’s Land hinaus;
Der ernste Ton verhallt in nahe Klüfte.“

Die Benedictiner-Abtei Laach war einst eines der reichsten Klöster in Deutschland. Sie wurde muthmaßlich von Heinrich dem Zweiten, Pfalzgraf bei Rhein, und dessen Gemahlin Adelhaid (um 1090) gegründet. Des Stifters Grabmal befindet sich in der Kirche. Wir haben nicht viele Kirchen im deutschen Vaterlande, die in der Außenseite so mannigfaltige architektonische Wirkungen bieten. Auch das Innere, obwohl zur Zeit kahl und öde, besonders die Vorhalle, die sich aus drei Säulengängen zusammensetzt, ist im höchsten Grade beachtenswerth, ersteres sowohl durch reich entwickelte Säulencapitäle, wie durch treffliche Wölbung.

Erwähnen wir noch drei Merkwürdigkeiten der Kirche: der beiden polirten lichtbraunen Säulen am Grabmal des Stifters, die aus Kalksinter gefertigt sind, welcher sich in dieser festen Gestalt in einer römischen Wasserleitung abgelagert hatte, die von Trier nach Köln führte, sodann der dreischiffigen Krypta mit einem alten Grabstein und der trefflichen, beispiellos starken Akustik, wie sie sich vielleicht in keinem anderen Kirchengebäude wiederfindet, so können wir getrost das Freie wiedergewinnen, um am Ufer des Sees noch ein Stündchen zu verträumen. -

Sie wußten, wo es geraten war die stillen Wohnplätze aufzuschlagen, die frommen Väter früherer Zeiten. Der ehedem sehr fischreiche See half angenehm über die schmalen Fasttage hinweg, und an beschaulicher Ruhe mag es den frommen Herren hier schwerlich gefehlt haben. Und sonderbar - so oft auch unsere Wanderungen uns zum Laacher-See und seiner Abtei getragen, niemals wollte weder bei uns, noch bei unseren Freunden, die echt rheinische heitere Stimmung hier aufkommen. Ist’s die Einsamkeit der Umgebung, ist’s die Nähe der ernst hinausschauenden Abteikirche, ist’s die todtenhafte Stille des Seespiegels? Ueben die Sage von der verstoßenen Pfalzgräfin oder die Schwermüthigkeit aller jener Verse, die dem Laacher-See gesungen, auf uns und jeden Besucher ihre Wirkungen?

Nicht weniger ernst stimmen den Beschauer die übrigen Maare des Eifellandes, vor Allem wohl das sogenannte Weinfelder Maar, welches wir heute durch eine treffliche Abbildung den Lesern der „Gartenlaube“ vorführen. Hoch über dem Orte Schalkenmehren, welcher selbst an einem Maar gelegen sattelt sich jener einsame Kratersee zwischen Schlackenwänden ein, in gerader Richtung kaum hundert Schritte von dem tief drunten liegenden Schalkenmehrer Maar entfernt. Kein sichtbarer Zusammenhang verbindet diese beiden Wasserflächen, droben aber gemahnt nichts an menschliche Spuren, als das kleine Kirchlein auf der Höhe, der letzte Rest eines abgegangenen Dorfes, jetzt der Begräbnißplatz des eine halbe Stunde entfernten Ortes Schalkenmehren. Raben fliegen kreischend über uns dahin; hier und da wirft ein muthwilliger Bewohner des Maars runde Linien über den Wasserspiegel; kein menschlicher Laut tönt zu uns herauf; kein Wandergenosse kreuzt unseren Weg. Der Charakter des Laacher-Sees findet sich hier durchaus wieder.

„Schau dort in’s Thal! Wir sind am Laacher-See.
Ob rings die Höh’n auch grüne Wälder krönen:
Hier wohnt ein tiefes, unnennbares Weh;
Klag’lieder hörst du durch die Buchen tönen.
Man sagt, daß er vor Zeit ein Krater war,
Feu’r spie die Erde hier mit grausem Stöhnen;
Jetzt liegt er still, tiefblau, durchsichtig, klar;
Das hohe Schilf umflüstert rings das Ufer,
Und drüber fliegt der Wasservögel Schaar.
Ein ferner Hirt ist hier der einz’ge Rufer.“
                         Wolfg. Müller.

Und wie hier an den Eifelmaaren durch die überall unheimliche Stille die Sage reiche Nahrung findet, so sind auch alle Ueberlieferungen des Volkes dem Ernste der Gegend angepaßt. Das Bild der Zerstörung ist auch in Schlegel’s Ballade vom Laacher-See wiedergegeben:

„Einst lag auf einer Insel mitten darin ein Schloß,
Bis krachend mit Gewinsel es tief hinunter schoss.“

Der Schrecken der Landleute waren jene Ritter des sagenhaften Schlosses, von denen nach der Volksüberlieferung der eine einen frommen Waldbruder getödtet, nachdem dieser sich geweigert ihm die Absolution für sein sündiges Treiben zu ertheilen.

Und liegt auch nahe dem Kloster, am südlichen Ufer des Sees, die im 8. Jahrhundert durch die Pfalzgrafen von Aachen gegründete Altenburg schon lange in Trümmern, verkünden auch nur geringe Spuren heute noch ihre ehemalige Größe, so wird die für Erhaltung der Bauwerke früherer Zeiten so besorgte Mitwelt in diesem Falle doch des Dichters Wort nicht in Erfüllung gehen lassen, welches der Abtei Laach dereinst verkündete:

„Bald vielleicht beglänzt des Mondes Schimmer
Deiner stolzen Thürme letzte Trümmer,
Und der Dom, erhöht durch kühnen Muth,
Sinkt geborsten in die nahe Fluth.“




Sturz, der Menschenfreund.

Jeder Menschenfreund wird zum Erlöser. Dieses Wort hat eine glänzende Bestätigung erfahren durch das Leben des edlen Mannes, welcher vor Kurzem von uns schied. Noch seh’ ich ihn vor mir, den alten Herrn mit der Haltung des echten Gentleman und den blauen, germanischen Augen, welche so viel Herzensgüte und Sanftmuth verriethen. Es lag unendlich viel Milde und Bescheidenheit in seinem Wesen, und Niemand, der oberflächlich mit ihm verkehrte, konnte wissen, welch’ ein starkes Herz in seiner Brust schlug. Und doch war sein langes Leben ein heißer Kampf, und jede Falte in seinem Gesichte konnte als Narbe gelten, welche die Zeit ihm geschlagen. Da, wo es galt, die Schwachen vor Vergewaltigung zu schützen, wo die besten Güter der Menschheit in Gefahr kamen durch die Uebergriffe der Gewinnsüchtigen und Gewissenlosen, da stand Consul Sturz in der vordersten Reihe, da erwachte in der Brust des Friedfertigen ein heiliger Zorn und dröhnend schlug er auf den Amboß. Für die gute Sache setzte er Alles ein: Vermögen, Familienglück, und wenn es hätte sein müssen, das Leben selbst. Hier führte er nur einen Wahlspruch im Munde, den er in die Dialektform seiner Heimath kleidete: „W’r misse durch.“

Sehen wir zu, was dieser Mann mit dem tapferen Herzen angeregt, gefördert und im Leben durchgefochten hat.

Johann Jacob Sturz war im Jahre 1800 geboren und zwar im alten Kaiserpalast zu Frankfurt, welcher dem Vater seiner Mutter gehörte. Sein Vater starb früh. Im Hause

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_181.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)