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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Aber auch das Juwelier-Geschäft wird jedenfalls von diesen Entdeckungen früher oder später Nutzen ziehen. Die bisher erhalteten Rubine kamen, obwohl sehr schön, der Prima-Qualität der natürlichen nicht gleich, aber es handelt sich hier auch nur um die ersten Ergebnisse eines neuen Weges, und es ist höchlichst anzuerkennen, daß die Entdecker ihr Verfahren sogleich und ohne alle Geheimnißkrämerei veröffentlicht haben. Nun können auch Andere diesem neuen Zweige einer hoffnungsvollen Alchemie nachgehen. Vielleicht muß man den Krystallen noch mehr Zeit lassen, sich auszubilden, denn die Natur hat sehr viel Zeit zu solchen Productionen gehabt, und vielleicht eben nur deshalb so vollkommene Leistungen hervorgebracht. Ohne Zweifel wird man in Zukunft diese Thonerde-Krystalle auch grün, gelb und purpurviolett färben, um so jene Edelsteine darzustellen, die man bisher als orientalischen Smaragd, Topas und Amethyst von den geringeren Steinen gleichen Namens unterschied. Der Beisatz „orientalisch“ ist hierbei immer nur ein nicht geographisch zu nehmender Titel gewesen, den die Juweliere den härteren Thonerde-Edelsteinen, zum Unterschiede von den gleichfarbigen, aber chemisch verschiedenen und billigeren eigentlichen Smaragden, Topasen und Amethysten, beilegten. Möglicher Weise werden in nicht zu ferner Zukunft diese orientalischen Steine billiger, als die letzteren, und der Mittelstand, der es bisher „nicht konnte“, kann dann im strahlenden Geschmeide mit den Fürstinnen der Vorzeit wetteifern.

Auch dem Diamanten hat man sich schon früher nach denselben Grundsätzen zu nähern gesucht, das heißt indem man auf chemischem Wege eine langsame Ausscheidung des Kohlenstoffs aus seinen Verbindungen herbeizuführen suchte. Indessen hier muß die chemische Wissenschaft vorläufig demüthig bekennen, daß sie noch gar keine bestimmte Vorstellung davon aufweisen kann, wie wohl der Diamant in der Natur entstanden sein mag. Die Einen meinen, er könne wohl nur aus einer ungeheuren Glühhitze hervorgegangen sein; die Anderen halten eine urlangsame Bildung auf kaltem Wege für wahrscheinlicher; ja es fehlt nicht an solchen, die ihn für das Product einer organischen Thätigkeit ansehen, weil man nämlich nicht selten in demselben grüne zellenartige Bildungen, die gewissen Algen ähnlich erscheinen, gewahrt. Vielleicht wäre es gegenüber den riesigen Fortschritten der synthetischen (das heißt: die Körper zusammensetzenden) Chemie gut, wenn der Diamant seinen alten Titel (Adamas, das heißt der Unbezwingliche) auch den Chemikern gegenüber in Respect hielte. Denn was sollte wohl eine anständige Frau in Zukunft tragen, wenn der Fürst des Steinreiches denen, die seinem Throne am nächsten stehen, nachfolgte und sich ebenfalls für wenige Mark herstellen ließe?

Carus Sterne. 




Im Stammhause des Reichskanzlers.

Von Moritz Busch.
I.

Fahren wir auf der Lehrter Bahn von Berlin nach Stendal, so begegnen wir eine Viertelmeile von der Stelle, wo der Zug die Elbe überschreitet, einer Station, die sich Schönhausen nennt. Etwa zehn Minuten Weges davon streckt sich ein langes Dorf gleichen Namens hin, aus dessen Gärten zwei größere Gebäude und eine stattliche Kirche aufragen. Schon mancher Fremde von nah und fern hat hier Halt gemacht und ist nach dem Dorfe hinübergewandert, um zu sehen und zu zeichnen; denn wir haben hier den Geburtsort Bismarcks vor uns, und das eine der beiden größeren Gebäude, das da drüben bei der Kirche aus hohen Baumwipfeln hervorschauende, ist sein Stammhaus. Auch wir wollen einen Gang hinüberthun, und zwar an der Hand von Erinnerungen an einen Besuch, den ich im letzten Herbste dem Orte abstattete.

Schönhausen liegt flach in weiter Ebene. Nur wo die Kirche und das Geburtshaus des Reichskanzlers stehen, erhebt sich der Boden ein wenig über die Felder und Wiesen der Gegend. Das Dorf hat über achtzehnhundert Einwohner und sieht recht wohlhäbig aus. Es bildet in der Hauptsache eine lange breite Gasse, die an den Fußwegen größtenteils mit Bäumen besetzt ist. Der Umstand, daß die Häuser an einigen Stellen dicht an einander treten, daß Handwerker und Krämer, drei oder vier kleine Gasthöfe und eine Posthalterei vorhanden, lassen den Ort mehr wie einen Flecken als wie ein Dorf erscheinen. Außer dem Bismarck’schen Gute befindet sich hier noch ein zweites, welches fast noch einmal so groß als das des Fürsten ist und in früheren Zeiten ebenfalls im Besitz von dessen Familie war, gegenwärtig aber dem Deichhauptmann Gärtner gehört. Ich traf Letzteren, als ich in den Ort gelangt, auf der Straße vor seinem Hofe und erhielt auf meine Frage nach dem besten der hiesigen Gasthäuser freundlich den Bescheid, „Die Post“ sei zu empfehlen. Ich begab mich dahin und sah mich bei dem Besitzer des kleinen Dorfhôtels, Herrn Hanxleben, wider Erwarten recht gut aufgehoben.

Nach vier Uhr hier angekommen, machte ich mich, bevor es Abend wurde, auf den Weg zu Inspector Kohnert, dem Verwalter des Fürsten, um bei ihm eine Empfehlung abzugeben, in der er gebeten wurde, mir das Haus und seine Umgebung zu zeigen. Er war in dem Augenblicke nicht daheim – „auf dem Felde,“ sagte die sauber gewaschene, sorgfältig frisirte Großmagd, bei der ich mich erkundigte. Ich fragte nach der Frau Inspectorin und erfuhr, daß sie im Garten, im Lusthause sei. Eben hatte ich sie auf dem Wege dahin getroffen und ihr mein Anliegen mitgetheilt, als ihr Gemahl dazu kam, eine hochgewachsene, kernige Gestalt mit blondem Vollbart und intelligentem Blick. Erst etwas kühl und zugeknöpft – vielleicht hatte er mit früheren Besuchen verdrießliche Erfahrungen gemacht – wurde er rasch wärmer und mittheilsamer, als er gewahr wurde, daß mich nicht die gewöhnliche Touristerei hierher geführt hatte, und nach einigen Minuten hatte ich offenbar sein Vertrauen gewonnen.

Da es heute zu einer gründlichen Besichtigung des Hauses im Innern zu spät war, so wurde dieselbe auf den nächsten Tag verschoben, und zwar wollte Herr Kohnert selbst dabei mein Führer sein, da die Inspectorin Bellin, welche bisher den Besuchern des Gutes als Begleiterin gedient, bei ihren Jahren nicht recht mehr fort konnte. Für jetzt wurde nur ein flüchtiger Blick auf das Aeußere des Hauses und die Allee vor und neben ihm gethan. Jenes ist ein schmuckloses graugetünchtes Herrenhaus mit hohem, steilem Dach und zwei Stockwerken über dem Erdgeschoß, welches letztere ungewöhnlich dicke Mauern hat. Das Gebäude ist nicht viel tiefer, als es breit ist, sodaß es fast einen Würfel bildet. Man sieht ihm an, daß es seit Jahren selten Bewohner gehabt hat. Die sinkende Sonne und der Herbst, welcher die Stelle vor der Thür mit gelben Blättern bestreut hatte, verstärkten den melancholischen Eindruck, den das verlassene Haus machte. Ueber der schlichten Flügelthür desselben, nach deren Schwelle weder eine Freitreppe, noch eine Rampe führt, sind zwei steinerne Wappen, rechts das Bismarck’sche mit dem doppelten Dreiblatt, links das Katte’sche, worin eine Katze mit einer Maus, angebracht. Darunter liest man die Namen August von Bismarck und Dorothea Sophie Katten sowie die Jahreszahl 1700. Jene bezeichnen das Ehepaar, welches das Haus zuerst bewohnte; diese giebt die Zeit an, in der dasselbe, nachdem es im dreißigjährigen Kriege zerstört worden und dann wüst gelegen, wieder aufgebaut wurde.

Wir waren unter verschiedenen Gesprächen wieder an die drei großen alten Kastanienbäume gekommen, welche den Platz vor dem Eingange beschatten, als Kohnert mich auf ein viereckiges Loch in dem Stamme des dritten aufmerksam machte. „Hier kann ich Ihnen gleich etwas zeigen, wovon die Anderen nichts wissen,“ sagte er. „In dieses Loch haben die Bismarck’s ihre Kelter gesteckt, wenn sie ihren Wein machten.“

„Also Sie bauen hier auch Wein zum Trinken?“ fragte ich, halb verwundert und halb erschrocken, indem ich in dem Augenblicke nicht daran dachte, daß noch weit höher im Norden, im Posenschen sogar, Weinbau dieser Art verübt wird.

„Johannisbeerwein,“ erwiderte der Inspector.

Ich hatte – so unwissend sind wir Großstädter – davon

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_230.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)