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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Abwechselung, haben aber doch durch die fast durchweg gleich eingehaltene Höhe und sonstigen Merkmale wieder mancherlei Gleichartiges. Die Straßen sind durchweg sieben bis acht Klaftern (vierzehn bis sechszehn Meter) breit, haben zu beiden Seiten einen mit vortrefflichem Neuschateler Asphalt (bituminöser Kalkstein) belegten Bürgersteig (Trottoir), Wasserabläufe, unterirdische Unrathscanäle, Gasbeleuchtung, Wasserleitung aus der bekannten Hochquellenleitung, Alleen zu beiden Seiten der Straßen, kurz, es ist den Anforderungen der Annehmlichkeit ebenso Rechnung getragen, wie jenen, welche Reinlichkeit und Gesundheitspflege bezwecken. Hierzu gehört auch die Anlage der Gärten und Vorgärten, in denen die Häuser hineingestellt erscheinen, sodaß jedes Haus mindestens von drei Seiten Licht, Luft und Sonne hat und sich dadurch vortheilhaft von den Häusern in der Stadt unterscheidet. Die Häuser sind nach gleichen Principien gebaut, wie erwähnt, meistens gleich hoch, mit Souterrain, Hochparterre, erstem Stockwerke und Mansarden, und bei allem Comfort doch höchst einfach und solid erbaut. Wer auf diesem Terrain bauen läßt, muß sich den hier geltenden Grundsätzen anbequemen, wozu auch die Bestimmung gehört, daß nach vollendetem Baue weder ein Zubau noch Umbau gestattet wird, durch welchen die Aussicht oder das Licht benommen werden könnte. Ebenso dürfen in diesen Häusern weder lärmende, feuergefährliche, noch auch üblen Geruch verbreitende Gewerbe betrieben werden, eine Bestimmung, die darnach angethan ist, den Aufenthalt in den Cottages angenehm zu gestalten.

In allem ist die fürsorgliche Aufsicht des Vereinsausschusses sichtbar, welcher, unter der Leitung des Oberbaurathes Heinrich Ritter von Ferstel, des genialen Erbauers der alten Weltausstellungsbesuchern in bester Erinnerung stehenden Votivkirche, seine Geschäfte besorgt. Mit besonderem Geschick aber ist die schwierige Aufgabe gelöst worden, die mitunter knapp bemessenen Mittel des Vereins mit den Anforderungen in Einklang zu bringen, welche Schönheit, Eleganz und Zweckmäßigkeit an die einzelnen Bauten stellten. Architekt Karl Bockowski hat hier mitunter Ueberraschendes mit kleinen Mitteln zu leisten verstanden, sodaß manche Cottage schon mehr der prunkhaften Villa gleicht. Zu den sehenswerteren Bauten gehören die Cottage Ferstel, die Villa des Hofschauspielers Hartmann und jene des Leipziger Theaterdirectors Dr. Förster (obere, linke und rechte Ecke der Randzeichnung). Eine Specialität der Cottage-Anlage sind die vielen Aussichtsthürme, wie dies auch die Zeichnung kund giebt, und welche mancher sonst einfachen Cottage ein ganz stattliches Aussehen verleihen.

Ein solcher, ganz unvermuthet reizender Punkt ist die auf unserem Mittelbilde beflaggt gezeichnete Aussichtswarte, von welcher man nicht nur die ganze Cottage-Anlage wie auf einem Präsentirteller übersieht, sondern auch die große „Wiener Stadt“ sammt der herrlichen Umgebung: Leopoldsberg, Bisamberg, Marchfeld, Kahlenberg, Hermanns- und Tulbingerkogel, Sophienalpe, Heuberg, Satzberg, Galitzynberg, Aninger- und den Schneeberg.

Die Baukünstler, die das Alles so schön und dabei so praktisch hergestellt haben, tragen freilich keine Schuld daran, daß die Zeitverhältnisse den Verein verhindern, seinem ursprünglichen Zwecke voll und ganz zu entsprechen. Die „sogenannten kleinen Leute“, für welche doch in erster Linie der Verein in’s Leben gerufen wurde, können längst hier nicht mehr mitthun, denn das billigste Familienhaus des Cottagevereins stellt sich auf rund zehntausend Gulden und die jährlichen Kosten dafür betragen in runder Summe nahe an tausendfünfhundert Gulden. Für die „sogenannten kleinen Leute“ ist das zu viel; für das Geld könnten sie ja auch im Centrum der Stadt eine recht angenehme Wohnung haben, und dabei würden sie noch die Kosten sparen, die ihnen bei dem Aufenthalte in den Cottage-Anlagen durch die täglich doch mindestens zweimalige Benutzung von Stellwagen oder Pferdeeisenbahn erwächst.

Wenn es sich nun also auch herausstellt, daß der Verein seinen ursprünglichen Zwecke doch nicht zu entsprechen vermag, wenn es sich auch als unmöglich erwiesen hat, in Wien für den Mittelstand Wohnhäuser mit Gärten zu schaffen, so muß das selbstlose Wirken des Cottagevereins doch in hohem Grade anerkannt werden. Er hat Wien um einen reizenden Stadttheil bereichert; er hat siebenzig von freundlichen Gärten umgebene Familienhäuser geschaffen, die ja für Wien einen Fortschritt bedeuten, wenn sie auch vor der Hand den „kleinen Leuten“ noch nicht zu Gute kommen können, und er hat endlich die große Frage der Wohnungsreform in Wien, wenn auch nicht gelöst, so doch in Fluß gebracht. Eine Baugesellschaft, die Wien mit einem so schönen Schmucke bedacht hat, die siebenzig Bauten vollendet hat, ohne dabei einen selbstsüchtigen, materiellen Vortheil zu suchen, verdient die ungeschmälerte Hochachtung, und diese sei ihr auch gerne gezollt!




Am Grabe Ernst Keil’s.

O winterlicher Frühlingstag,
Verschneit sind alle Blüthen;
Das erste Veilchen birgt am Hag
Sich vor der Stürme Wüthen;
Nur hier hat liebend sich vereint
Der Blumen ganze Fülle;
Ein duftumwehter Sommer scheint
Des frischen Hügels Hülle.

Und bleibt verhängt der Sonne Licht,
Das ihren Kindern leuchtet,
So fehlen doch die Tropfen nicht
Des Thau’s, der sie befeuchtet;
Es blickt kein Auge thränenleer,
Zum Troste für die meinen.
Ist ihm das Herz zum Brechen schwer,
Dann darf der Mann auch weinen.

O Gott, wie klingt es dumpf und hohl
Aus meinem Mund hernieder,
Für Dich das letzte Lebewohl,
Du Vater meiner Lieder!
Stets hab’ ich freudig offenbart
Mein Hassen und mein Lieben,
O, wäre ewig doch erspart
Mir dieses Lied geblieben!

Ernst Keil nun über zwanzig Jahr’
Steh’ ich bei Deinen Fahnen,
Und kämpfend sind wir immerdar
Geschritten gleiche Bahnen.
Nie hab’ ich auf dem schwanksten Steg
Mich rückwärts umgesehen,
Denn immer war’s der rechte Weg,
Sah ich voran Dich gehen.

Dich, eines deutschen Mannes Bild
In edelster Vollendung.
Voll heil’gen Ernstes, stark und mild,
Erfüllt von seiner Sendung –
So hast Du aus des Kerkers Nacht,
Wie eine Offenbarung,
Einst Deines Lebens Werk gebracht:
Des Deutschen Geistes Nahrung.

Der stets Dein tiefstes Herz bewegt,
An’s Vaterland der Glaube,
Mit treuem Sinn hat ihn gepflegt
Die deutsche „Gartenlaube“.
Und ihr, die unser Schirm und Hort,
Die unser letztes Lieben,
Der Freiheit bist in That und Wort
Ergeben Du geblieben.

Fahr’ wohl! Noch ist dem Schmerz verwehrt,
In Ruhe sich zu fassen.
Es darf in dieser Zeit vom Schwert
Der Mann die Hand nicht lassen.
Du bist am Ziel; einst sind auch wir
Erlöst vom Kampfgetriebe;
Ach, blieb’ uns Allen dann, wie Dir,
Zuletzt so viele Liebe!

Albert Traeger.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_234.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)