Seite:Die Gartenlaube (1878) 242.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Arm des Oberst Wilten, der soeben kam, um sie gleichfalls nach dem Tanzsaal zu führen.

Inzwischen schritt der Freiherr durch die anderen Säle, wo die übrige Gesellschaft sich meist in lebhafter Unterhaltung befand. Raven trat zu den einzelnen Gruppen, indem er hier am Gespräch theilnahm, dort nur wenige flüchtige Bemerkungen hinwarf und am dritten Orte wenige Artigkeiten austauschte. Auch mit dem Bürgermeister sprach er in verbindlicher Weise, ohne den schwebenden Conflict auch nur mit einem Worte zu erwähnen. Er war zuvorkommend gegen Einzelne, herablassend gegen Andere, höflich mit Allen, aber mit keinem Einzigen vertraulich. Sein Benehmen zeigte nur die Ruhe und Sicherheit eines Mannes, der gewohnt ist, den ersten Platz einzunehmen, und sich von vornherein über seine Umgebung stellt. Und die Umgebung war es längst gewohnt, ihm diese Stellung unbedingt einzuräumen.

„Man sollte meinen, wir wären bei unserem Landesherrn selbst zu Gaste, nicht bei seinem Vertreter,“ sagte der Bürgermeister zum Polizeidirector, als er mit diesem zusammentraf. „Die Airs, die sich Excellenz bei solchen Gelegenheiten zu geben liebt, sind wirklich bewundernswürdig, aber sie passen besser für einen Souverain, als für den Gouverneur einer Provinz. Sind Sie auch schon mit einer allergnädigsten Anrede und huldreichen Entlassung beehrt worden?“

Der Gefragte lächelte in seiner verbindlichen Weise, ohne die Bitterkeit bemerken zu wollen. „Ich bin wirklich überrascht, Sie hier zu sehen,“ entgegnete er. „Bei der schroffen Stellung, die Sie und die übrigen Herren von der Stadt jetzt dem Gouverneur gegenüber einnehmen, fürchtete ich, daß Sie die Annahme der Einladung verweigern würden.“

„Können wir das?“ fragte der Bürgermeister mit unterdrückter Heftigkeit. „Das Fest gilt dem Landesherrn; unser Fernbleiben wäre eine Demonstration, die in gehässigster Weise gedeutet und ausgebeutet werden könnte, und wir möchten gerade nach dieser Seite hin am wenigsten verletzen. Der Freiherr weiß es so gut wie wir, daß nur diese Rücksicht unser Erscheinen veranlaßt. Zu seinen Festen wären wir schwerlich gekommen.“

„Sie sollten den Conflict Ihrerseits nicht auch noch auf die Spitze treiben,“ mahnte der Andere. „Sie kennen ja den Freiherrn von Raven; von ihm ist keine Nachgiebigkeit zu erwarten.“

„Von uns noch weniger! Wir halten fest an unseren Rechten, und es wird sich ja zeigen, ob ein Gouverneur, der in solcher Weise uns gegenübersteht, sich auf die Dauer behaupten kann.“

„Er wird sich behaupten,“ sagte der Polizeidirector mit Bestimmtheit. „Hoffen Sie nichts in dieser Beziehung! Noch ist sein Einfluß an maßgebender Stelle ein unumschränkter.“

Der Bürgermeister stutzte und warf einen forschenden Blick auf den Sprechenden. „Sie scheinen das sehr genau zu wissen. Freilich, Sie kamen ja aus der Residenz zu uns und haben dort jedenfalls Freunde und Verbindungen.“

„Durchaus nicht,“ lehnte der Director in kühlem Tone ab. „Ich meine nur, das Auftreten des Freiherrn zeigt zur Genüge, wie sicher er sich in seiner Stellung fühlt, und wie allmächtig sein Einfluß in gewissen Kreisen ist. Sie thäten besser, es nicht zum offenen Bruche zwischen ihm und der Stadt kommen zu lassen; noch wird eine Katastrophe ja zu vermeiden sein.“

Damit ging er. Der Bürgermeister schaute ihm ärgerlich nach. „Jawohl,“ murmelte er, „die Katastrophe soll um jeden Preis vermieden werden, damit es dem Herrn Polizeidirector möglich ist, die schöne Neutralität zu bewahren, die er so offenbar zur Schau trägt. Er hat es wirklich fertig gebracht, zugleich der gehorsame Diener des Freiherrn zu sein und in der ganzen Stadt für den liebenswürdigen, maßvollen Vermittler zu gelten, der nur gezwungen seinem Chef gehorcht. Da ist mir ein offener Gegner wie Raven noch lieber; ihm gegenüber weiß man doch wenigstens, woran man ist, aber diese Neutralen, die es mit beiden Parteien halten und es mit keiner ehrlich meinen – ich traue ihnen nun einmal nicht.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein gemüthliches Negervölkchen.

Südafrika ist für den Europäer in gewissem Sinne noch immer ein Land der Wunder, mindestens ein Land des Seltsamen und Fremdartigen, und die nicht gerade reichhaltige Literatur über dieses der modernen Cultur noch ziemlich verschlossene Weltgebiet hat in weiteren Leserkreisen bisher kaum Eingang gefunden. Es dürfte daher nicht uninteressant sein, an der Hand eines viel erfahrenen Reisenden[1] Einblick zu thun in einen der eigenthümlichsten Staaten des afrikanischen Erdtheils. Thaba-Nchu ist es, wohin uns unser Gewährsmann führt, die Haupt- und Residenzstadt des Königs Moroka, des Beherrschers der Barolongs. Das von etwa achtundzwanzigtausend Negerunterthanen bewohnte und nur wenige Meilen umfassende Ländchen dieses patriarchalisch waltenden Potentaten liegt wie eine Insel mitten im Oranje-Freistaate, ist aber politisch und administrativ von demselben durchaus unabhängig und nur durch ein Schutz- und Trutzbündniß mit ihm verbunden. Es bietet in seinen seltenen Naturschönheiten und den eigenartigen Lebensgewohnheiten seiner schwarzen Bewohner gar manches Fesselnde und Ungewöhnliche.

„Als die Sonne sich neigte,“ sagt unser Autor gelegentlich seiner Schilderung des Barolong-Landes, ließ ich ausspannen, mein Zelt aufschlagen und ein leckeres Abendessen kochen. Die weite grüne Fläche ringsherum war über und über mit wohlriechenden Kräutern und Sträuchern bedeckt, sodaß man hätte vermeinen können, etwa in einer Apotheke zu sein; so sehr war die ganze Atmosphäre mit stark riechenden, übriges höchst angenehmen Düften angefüllt.

Bei einem Spaziergange nach dem Abendessen ergötzte ich mich an der merkwürdigen Nachtmusik, welche zahllose Frösche von eigenthümlicher Art anstimmten. Ihr Quaken imitirte unglaublich genau das tactgeregelte Castagnettengeklapper andalusischer Tänzerinnen.

Am andern Morgen ging es weiter vorwärts. Die spärlich hier und da erscheinenden kleinen Farmhäuser nahmen nun gar bald ein Ende, und das Grenzwachthaus des Maroka’schen Landes wurde passirt, dem ich natürlich meinen Besuch abstattete, nicht etwa um meinen Reisepaß mit dem Stempel der betschuanischen Duodezmonarchie versehen zu lassen, sondern um Milch und Eier zu kaufen, die mir mit der größten Bereitwilligkeit verabfolgt wurden. Der Grenzwächter war ein langer schmächtiger Neger von intelligentem Gesichtsausdrucke. An den weißgetünchten Wänden seines Lehmhauses waren verschiedene Flinten und eine Guitarre aufgehangen, und nackte, fette, quabbelige Kinder mit weit hervorspringenden Bäuche krabbelten auf dem Fußboden herum und beobachteten mich mit großen verwunderten Augen.

Das Land blieb fortwährend wunderschön grün, denn es war ja Sommerszeit, die Zeit der Regen. Der hohe schwarze Bergstock, von dem Thaba-Nchu seinen Namen hat, und die man schon von Bloemfontein aus sehr deutlich wie eine Mauer am östlichen Horizont aufragen sieht, rückte immer näher und näher und zeigte sich als eine immer bedeutendere, großartige Gebirgsmasse. Am dritten Tage wurden auf den Hügeln zu den Seiten des Weges erst kleinere, dann immer größere und dichtere Ansammlungen von heuschoberähnlichen Negerhütten sichtbar, bis endlich eine unabsehbare Menge von solchen, dicht hingesäet über mehrere Hügelreihen, mir die Ankunft in der großen Negerstadt Thaba-Nchu verkündete.

Ich fuhr bis in die Mitte eines weiten Wiesenplatzes, in dessen Nähe einige europäisch gebaute Häuser standen, und ließ hier ausspannen und mein Zelt aufschlagen, auf dessen Spitze ich demonstrativ meine schwarz-weiß-rothe Flagge wehen ließ, die wohl noch niemals in diesem ignorirten Weltwinkel erschienen

  1. Wir entnehmen die nachfolgenden Schilderungen dem höchst fesselnden Buche „Vier Jahre in Afrika“ von Ernst von Weber, welches in diesen Tagen bei F. A. Brockhaus in Leipzig erscheinen wird. Autor und Verleger haben uns die Benutzung der Aushängebogen freundlichst gestattet.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_242.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2019)