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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Jagor, Liebenow, Siemens und Andere mehr zu nennen. Die Gesellschaft ist nach außen hin beim Publicum sehr beliebt und populär, wozu nicht wenig die in den öffentlichen Blättern erscheinenden Berichte beitragen, namentlich aber diejenigen der „Vossischen Zeitung“, deren einer Besitzer, Stadtgerichtsrath Lessing, seit achtzehn Jahren treues Mitglied der Gesellschaft ist. Aus dem Schooße der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ist die „Carl-Ritter-Stiftung“ zur Unterstützung von Reisenden, und durch die unermüdliche Thätigkeit des für alle geographischen und ethnographischen Forschungen begeisterten Bastian die „Afrikanische Gesellschaft“ hervorgegangen.

Nicht unwesentlich zur Ausdehnung der Gesellschaft hat die auf den ersten Blick unbedeutend und einflußlos erscheinende Sitte, pietätvoll durch volle fünfzig Jahre an dem ersten Sonnabend jeden Monats als Sitzungstag festzuhalten, beigetragen. Dieser Abend war und ist der feststehende Punkt, nach dem sich Jeder bis auf den heutigen Tag noch richtet. Man weiß, wo man am ersten Sonnabend im Monat seine Freunde trifft, und richtet sich darnach ein. Werthvolle Beziehungen werden an solchem Abende in der die Dauer der eigentlichen Sitzung oft um das Doppelte übertreffenden Nachsitzung der „kleinen Geographie“ angeknüpft und vieljährige liebe Bekanntschaften oft einzig und allein in diesen Sitzungen unterhalten und gefördert.

Es giebt kaum ein wechselvolleres Bild, als eine solche Gesammtsitzung, die Abends um sieben Uhr gegenwärtig im großen Saale des Architektenhauses zu Berlin beginnt. Während die vordere Reihe der Stühle und die Mitte des Saales sich mit den zuerst erscheinenden Mitgliedern füllen, stehen andere Angekommene gruppenweise in den Seitengängen oder vorn, wo die gewöhnlich zeitig erscheinenden Herren des Vorstandes sich befinden. Begrüßungen, Vorstellungen, Verabredungen, Bestellungen, Abmachungen vereinigen sich zu lebhaftem Tone der Unterhaltung; man bestellt sich Plätze für den Abendtisch beim Castellan, und der Saal füllt sich allmählich vollständig, bis die Glocke des Präsidenten das Zeichen zum Beginn der Sitzung giebt. Nach geschäftlichen Mittheilungen folgen die Vorträge, oft einer, oft zwei und drei im Laufe des Abends; spätestens um halb zehn wird die Sitzung als solche geschlossen. Die Redner haben es nicht leicht, denn es ist ihre Aufgabe, von einem nicht zu hohen Katheder herab sich dieser sehr zahlreichen Versammlung verständlich zu machen. Nach Schluß der Sitzung erhebt sich Alles von den Plätzen, während die bereitstehende Bedienung einen Theil der Stühle hinausschafft und die Speisetafeln aufschlägt. Es ist ein buntes Gewirr, das dann etwa eine Viertelstunde lang dauert, bis sich endlich die Gruppen und kleineren Gesellschaften vereinigen und ihre Plätze einnehmen. An der Vorstandstafel bemerkt man neben Richthofen gewöhnlich einen ausgezeichneten Gast des Abends, während vielleicht Bastian, der vielerfahrene, in allen Welttheilen heimische Reisende, einem anderen Gaste benachbart sitzt. Die übrigen Vorstandsmitglieder, mit Gästen, Freunden und hervorragenden Mitgliedern, wie Virchow, Förster, Jagor, Reiß und Andern, vereint, sitzen gleichfalls am „Vorstandstische“. Die sonstigen Tafeln enthalten meist einzelne Gruppen; so schaart des Astronomen Tietjens kräftig untersetzte Gestalt mit dem freundlich-wohlwollenden Antlitze um sich eine Anzahl von Solchen, die aus Beruf oder Neigung ein ähnliches Streben haben; des blondhaarigen Botanikers und Afrikareisenden Prof. Ascherson Fraction umfaßt die zur Göttin Flora Schwörenden; daneben findet man besondere medicinische Kreise, kleine Cirkel der Verlagshändler, hervorragender Militärs, der Marine-Officiere, Afrikareisender, wie Güßfeldt, Falkenstein, Hildebrandt, Fritsch, Gruppen von Directoren, Lehrern etc. Die gemeinsame, bescheidene Tafel dauert etwa eine Stunde, nur bei besonderen Gelegenheiten durch einen Toast unterbrochen.

Nachher begiebt sich ein großer Theil der Anwesenden noch in das zur ebenen Erde gelegene Restaurant des Architektenhauses und nimmt hier beim Glase Bier zur Nachsitzung Platz. Hier findet nun der weitere geistige Austausch statt; in lebhaftem Gespräch wird die Unterhaltung der Tafel bei Einzelnen fortgesetzt oder eine neue angeknüpft. Da man sicherlich darauf rechnen kann, daß man hier selbst um Mitternacht noch einen Kreis von Männern antrifft, die bei der Fülle dessen, was unsere wissenschaftlichen Beziehungen der Gegenwart mit sich bringen, immer noch in angenehmster Unterhaltung begriffen sind, so kommt nicht selten noch in spätester Abendstunde ein Nachschub von Freunden und Mitgliedern an, sei es aus Privatgesellschaften, sei es selbst aus der Soirée des Reichskanzlers. Aber schließlich endet denn auch diese Sitzung der „kleinen Geographie“ und mit ihr der wechselvolle Abend, welcher fast fünf Stunden lang dieses interessante Zusammensein andauern sieht. Wäre es möglich, alle die Erzählungen und Mittheilungen des einen Abends wiederzugeben, man würde Bände voll des kostbarsten Materials aus allen fünf Welttheilen und oft erst ein richtiges Bild von Land und Volk in ferner Gegend erhalten. Ein großer Theil dieser Männer, namentlich aber alle Reisende der Gesellschaft haben kaum eine Region der Erdoberfläche unbesucht gelassen. Sind dann liebe Gäste aus nah und fern in dem Kreise, aus Mittel-, Süd- oder Norddeutschland oder aus weit entlegenen Erdttheilen, so werden sie mit einer Feinheit und Liebenswürdigkeit empfangen, welche ein ausschließliches Eigenthum der guten Gesellschaft sind. Von den heimischen Mitgliedern aber rechnet der größte Theil die Sitzungen der „Geographischen Gesellschaft“ zu den liebsten Abendgenüssen.

Schon darum ist denn auch der Kreis Derjenigen, welche unmittelbar aus vollster Seele und Anhänglichkeit das fünfzigjährige Jubiläum der Gesellschaft begehen, ein sehr großer, er wird aber sicherlich bald wesentlich wachsen und zunehmen wegen der unbedingten Sympathien, die ihm nicht nur in der Hauptstadt selbst, sondern aus allen Theilen Deutschlands, aus allen Ländern Europas, ja aus allen Weltteilen entgegengetragen werden.

A. Woldt.




Die Aufhebung der Klöster in Mexico.
Ein Blick in die kirchlichen Zustände jenseits des Oceans.


Verkauf der Kirchengüter – und Aufhebung der Klöster! Kein staatliches oder politisches Ereigniß hat wohl je in der Republik von Mexico größeres Aufsehen erregt, als dieses Gesetz, welches Juarez im Jahre 1861, kurz nach seiner Eroberung von Mexico erließ. Es lief wie ein Feuerbrand durch alle Parteien des Landes.

Benito Juarez, der als armer Indianerknabe in den Straßen Orangen verkaufte, hat sich zu einer so bedeutsamen geistigen Höhe emporgeschwungen, daß man von ihm keck behaupten kann: er hat von allen Präsidenten, welche bis zu der unglücklichen Kaiserkatastrophe das Staatsruder der Republik geführt, am entschiedensten gehandelt und am durchgreifendsten der Sache des Fortschritts genützt. Der Druck, welchen die größtentheils ungebildeten Priester auf das Volk ausübten, war geradezu lähmend für dasselbe, denn sie hatten sich nach und nach nicht nur eine Herrschaft über die Kirche angemaßt, die selbst über jedes katholische Recht hinausgriff, sie hatten auch in weltlicher Hinsicht, wie dies ja überall ihr planmäßiges Bestreben ist, für ihren steigenden Reichthum gesorgt und mindestens die halbe Republik in ihrem Besitz. Das Einkommen der Kirche war um die volle Hälfte größer, als die Gesammteinnahme des ganzen Staates. Alle die unglückseligen Verhältnisse, an denen das Land krankte, diese fortwährenden Regierungswechsel, waren größtentheils das Machwerk der Kirche, und das aufathmende Volk segnete die Hand des unerschrockenen Benito Juarez, welche zuerst den Muth hatte, den Strang so fest um den Hals des herrschsüchtigen Clerus zu ziehen, daß er stille halten mußte. Das gesammte Ausland blickte mit Spannung auf den kühnen Reformator.

Zuerst erschien das Gesetz: „Verkauf der Kirchengüter“, und es schleuderte seine Funken mit einer so aufregenden Heftigkeit in die Geschäftswelt, wie in das Priesterheer, daß fast wochenlang von nichts Anderem gesprochen wurde. Die vielen schönen Häuser in der Hauptstadt selbst (es waren über zweitausend!),

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_297.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)