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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Weinlage „Prinz Max“. Bis 1785, wo er sich mit einer hessischen Prinzessin vermählte, wohnte der lebensfrohe Prinz bald im „Zweibrücker Hof“ am Broglieplatz in Straßburg, bald hielt er in Rappoltsweiler Hof, dessen Schloßkeller gute Weine bargen. Schon damals lächelte dem Herrn im Königreich der Pfeifer von außen eine große Zukunft. Die baierischen Wittelsbacher waren bereits ausgestorben, der Kurfürst von der Pfalz und Maximilians eigner Bruder von Zweibrücken kinderlos. Als nun dem Prinzen 1786, in den Tagen, wo die Kunde von Friedrich’s des Großen Tod die Welt durchschütterte, ein Söhnlein, unser eben erwähnter Ludwig, geboren ward, da war der Jubel in Mannheim, München und Zweibrücken laut, am lautesten im Königreich der fahrenden Leute. Ludwig der Sechszehnte war Taufpathe und schenkte ein Oberstenpatent; die Grenadiere des Regiments d’Alsace gaben ein Wiegenkissen, das mit ihren zu diesem Behufe abrasirten Schnurrbärten gefüllt war, und noch heute kauft man im Elsaß die Bilderbogen, welche Kissen und Grenadiere darstellen.

Zur schönen Jahreszeit kam der kleine Erbgraf Ludwig mit seiner sanften Mutter öfter in die Hauptstadt des Pfeiferkönigreichs. Das Schloß daselbst bildete einen reizenden Aufenthalt, und mit dem Jahrestage der Pfeifer reiften stets die köstlichen Weintrauben. Da machte die Revolution auch dieser Herrlichkeit ein jähes Ende. Wie so manche Krone, fiel auch die harmlose des Pfeiferkönigs in den Staub mit dem bunten Flitterstaat des Musikantenreichs. Prinz Max floh mit Weib und Kind aus dem aufgewühlten Elsaß; in Rappoltsweiler wurde der Freiheitsbaum und die rothe Mütze aufgepflanzt, das herrschaftliche Beamtenthum verjagt, das Schloß zum Theil abgebrochen, zum andern Theil als Gewahrsam für unbeeidete Priester verwendet und dann als Nationaleigenthum verkauft, bis eine heute unter pfälzischer Leitung blühende Erziehungsanstalt im Schlosse des Prinzen Max einzog. Rappoltsweiler hatte keine Beziehungen mehr zu den Wittelsbachern.

Prinz Max hatte unterdeß eine werthvolle Königskrone eingetauscht, die von Baiern; Ludwig aber, der das Musikantenkönigthum eingebüßt hatte, ward dennoch ein Fürst im unvergänglichen Reiche der Kunst. Da er im Jahre 1805 wieder – als junger Kronprinz von Baiern – elsässischen Boden betrat, um am Hoflager der Kaiserin Josephine in Straßburg gezwungener Weise französische Triumphe mitzufeiern, sprach er das ihm von Napoleon nie vergessene Wort:

„Das sollte mir die theuerste Siegesfeier sein, wenn diese Stadt, in der ich geboren bin, wieder eine deutsche Stadt würde.“ – –

Während seines langjährigen Aufenthaltes in München hatte Schreiber dieser Zeilen nie eine Ahnung gehabt, daß sich der greise König Ludwig um ihn und sein Thun kümmere. Daß es geschah und wie es geschah, ist charakteristisch für ihn. Eines Sommertages im Jahre 1863 trat ein mir fremder Herr in die Redactionsstube meiner Wohnung, welche dem Wittelsbacher Palast gegenüberlag: Herr von Hüther, der Cabinetsrath des greisen Königs Ludwig, und zwar mit einem überraschenden Auftrag. Der König wünsche nämlich von mir, dem Dichter des Jungfriedel, die Festhymne zur Eröffnung der Befreiungshalle von Kehlheim am Jubiläum der Leipziger Schlacht. Nun ließ mir aber meine damalige angestrengte Redactionsthätigkeit weder Zeit noch Stimmung zum Dichten, und nur das liebenswürdige Zureden des Abgesandten überwand mein Sträuben. Das Lied sollte nach der Weise des Walhalla-Chores gesungen werden – eine unangenehme Beschränkung. Doch sollte darin weder von dem König selbst, noch von Baiern die Rede sein. Nur deutsch, deutsch sollte es sein, – das klang anregend aus königlichem Gemüth. Aber Monate vergingen; immer ängstlicher klang die Nachfrage von Salzburg her; „Was macht die Festhymne?“ Endlich, in der Nacht vor einer Erholungsfahrt in die Heimath, entstand das Lied, und ich trug es hinüber in den Wittelsbacher Palast. Während ich noch bei dem Herrn Cabinetsrath verweilte, trat der greise König, schon mit Tagesanbruch an der Arbeit, selbst ein und sprach seinen Dank leutseligst aus. Ich aber flog zur Eisenbahn, dem Rheine zu, wohin meine Lieben schon vorangezogen waren. Am 18. October wurde dann das Lied, unter Leitung meines verehrten Freundes Franz Lachner, von den Sängern des Donaugebietes vor der Einführung der Festgäste in die Befreiungshalle vorgetragen, drinnen König Ludwig’s: „Heil euch, tapfere Männer, muthige Krieger!“ und Arndt’s „Vaterlandslied“ gesungen.

Darf ich die Verse anführen? Als Zeugniß, wie ein deutscher Fürst 1863 dachte und wünschte, daß man denke, finde wenigstens der Schluß hier seinen Platz:

„Knüpfen wir beim Lob der Ahnen selbst der Eintracht festes Band,
Bleibt der Sieg bei deinen Fahnen, großes deutsches Vaterland.

Jugendfrisch wirst du erstarken in der alten Heldenkraft,
Und an unsern fernsten Marken flaggt dein Banner stolz vom Schaft.
Greift der Feind mit lecken Händen unsre Ehre frevelnd an –
Reißt die Waffen von den Wänden! Deutsche Jugend, stürm’ heran!

Und vor wildem Schlachtengrauen, Büchsenknall und Schwerterschlag
Sei verstummt in Deutschlands Gauen Redespiel und Festgelag!
Erst errungen, was im Westen, was im Norden es verlor:
Dann in heil’gen Siegesfesten jubeln wir zu Gott empor.

Ja, der Pulvernacht entsteigen wird ein Tag voll Siegesglanz,
Der das Vaterland wird zeigen mächtig, unversehrt und ganz.
Weltbeleuchtend, sonnenscheinig lodre der Begeist’rung Brand –
Deutschlands Völker jubeln einig: Heil dir, großes Vaterland!“

Nach sieben Jahren war Alles erfüllt, das Reich und das Elsaß wieder gewonnen. Der Fürst aber, der es am sehnlichsten erhofft, König Ludwig der Erste von Baiern, hatte es nicht mehr erlebt.

Im Elsaß erinnerte man sich seiner Landsmannschaft wohl und war stolz auf dieselbe. Als ich im Jahre 1856 nach Mühlhausen und über Straßburg zurück reiste, erkundigte man sich in den Kreisen der Stöber sowohl, wie in denen von Gustav Mühl und Schneegans am angelegentlichsten nach dem alten Könige, dem Künstlerfreund, dem elsasser Fürstensohn. In der That, der Erbgraf von Rappoltstein, der letzte Pfeiferprinz, hat dem Königreich der kunstreichen „varenden Lüt“ keine Unehre gemacht. Seine Fehler hatte er mit Vielen gemein; seine Tugenden gehörten ihm allein. Ludwig’s Name wird – trotz arger, unbegreiflicher Irrthümer – in der Entwickelungsgeschichte Deutschlands als einer der hellsten leuchten. Als Verdrossenheit und Verzweiflung an des Vaterlandes Zukunft so manche Kraft gelähmt, gab er der Volksseele einen Anhalt zur Erhebung: die deutsche Kunst. Noch leuchtet sie freundlich in unsere eiserne, rauhe Zeit und tröstet für manche trübe Erscheinung.

August Becker.



Alwine.
Der Wirklichkeit nacherzählt von Paul Wislicenus.
(Fortsetzung.)


Ich wußte nicht mehr, was ich von Alwine halten sollte. Den andern Tag saß sie auf einem der Feldstühle auf dem Hinterdeck; sie war schöner als je. Erst jetzt, wo ich ihr wieder fern stand, empfand ich so recht das Verführerische ihrer Schönheit. Ich sah sie lange unbemerkt an und weidete mich an ihrem Anblick. Aber ich sagte mir auch, warum sie so verführerisch schön war. Weil sie aus einem Gemisch von Zutrauen und abstoßendem Stolze zusammengesetzt war. Während ich sie unbemerkt durch mein Glas musterte, bedauerte ich sie, denn jetzt, da sie mich beleidigt hatte, war sie vollständig vereinsamt. Ich bekümmerte mich nicht mehr um sie. Allen auf sie bezüglichen Fragen wich ich aus, und alle Bemerkungen über sie beantwortete ich mit einem Achselzucken; ich konnte nicht anders handeln.

Es war am vierten Tage nach unserem Wortwechsel. Unter großen, schön gefärbten zerrissenen Wolken, die bei kühlem Winde am blauen Himmel über das finstere Meer hinzogen, tummelte sich auf den Schaumfurchen eine Menge großer Fische, von etwa Manneslänge, die einen eigenthümlich fesselnden Anblick darboten. Die schöne Nürnbergerin, an deren Schooße eben Charlie lehnte, erblickte die Heerde Tümmler zuerst.

„O sieh, Charlie, die Fische!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_363.jpg&oldid=- (Version vom 18.6.2019)