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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

und Entzücken, der stärkste wie der leiseste Ausdruck stand ihm zu Gebote. Schröder, der Hamburger Theaterdirector, der die Sprache fast aller bedeutenden Schauspieler bis zur Verwechselung nachzuahmen verstand, wagte es hinsichtlich Eckhof’s nicht, denn dazu, meinte er, müsse man erst Eckhof’s unnachahmliches Organ haben. Und mit jener Haltung, jenem Auge und diesem Organe verband er eine noch jetzt seltene Erregbarkeit des Gefühls, die in dem Feuer der Declamation und den aus den inneren Empfindungen mit Nothwendigkeit folgenden Geberden ihren Ausdruck fand. Seinen Zeitgenossen erschien die Wahrheit seines Vortrages, besonders wenn es sich um Verse handelte, und der Reichthum seiner Pantomimen unübertrefflich. Nach Nicolai’s Zeugniß wirkte sein Spiel auf die Zuschauer geradezu packend, erschütternd, hinreißend.

Die meiste Bewunderung verdiente und fand er in allen denjenigen Rollen, denen eine gewisse feierliche Würde innewohnt. Es war ihm hierzu reiche Gelegenheit geboten, da allmählich, namentlich von 1750 an, keine anderen als die damals besten Stücke des In- und Auslandes: eine „Miß Sara Sampson“, „Zayre“, ein „Cinna“, „Cid“, „Triumph der guten Frauen“ etc. auf der Schönemann’schen Bühne aufgeführt wurden. Aber auch feinkomische Charakterrollen, später namentlich in Moliere’schen und Goldoni’schen Stücken, wußte Eckhof mit Laune und gefälliger Wahrheit zu geben. Die „Gelernte Liebe“ von Rost, das erste deutsche Schäferspiel, welches Schönemann auf die Bühne brachte, wurde durch den Reiz und die Anmuth, womit Eckhof und Demoiselle Rudolphi ihre Rollen spielten, so sehr zum Lieblingsstücke des Publicums, daß jeder Theaterdichter sich nun auf das Schäferspielschreiben legte. Wie überaus frappant oft das Spiel Eckhof’s wirkte, davon noch ein drolliges Zeugniß. Als Eckhof einst in Lüneburg den Bauer in dem von ihm selbst übersetzten Lustspiele „Wucherer ein Edelmann“ spielte, richtete ein Bauer, der eben in der „Komödie“ war und die einfache und wahre liebe Natur in Eckhof’s Spiel sah, an seinen Nachbar die treuherzige Frage: „Wu in alle Welt hebben die Lüde den Buren hernahmen?“

Und wie er auf die Bühne für sich den Ton der Natur und Wahrheit einführte, so übte er in dieser Beziehung auch auf die Kunstgenossen den wesentlichsten Einfluß. Man verdankt ihm die Bildung vieler guter Schauspieler. An bestimmten Tagen der Woche pflegten die Mitglieder der Schönemann’schen Truppe zusammenzukommen, über ihre Kunst zu verhandeln und Regeln festzusetzen, die Jeder zu üben bestrebt war; daher die Harmonie im Ensemble, die ein Vorzug dieser Gesellschaft war. Zu Eckhof’s Schülerinnen gehörte namentlich die talentvolle jüngste Tochter des ehemaligen „Principals“ Johann Spiegelberg, welche wir oben unter den Mitgliedern der Schönemann’schen Truppe fanden. Sie spielte Soubrettenrollen und besonders vortrefflich diejenigen, welche ihr Eckhof einstudirt hatte. Im Jahre 1746 wurde sie seine Gattin.

An seiner literarischen und künstlerischen Ausbildung arbeitete er unablässig weiter, und er bethätigte diese auch durch schriftstellerische Arbeiten. Im Jahre 1753 schrieb er „Die Mutterschule“, ein Lustspiel nach dem Französischen, welcher Arbeit noch die Uebersetzungen der Lustspiele: „Der galante Laufer“, „Mensch auf gut Glück“, „Wucherer ein Edelmann“ u. a. m., sowie im Jahre 1763 das Originallustspiel „Die wüste Insel“ folgten. Neben seiner schauspielerischen und schriftstellerischen Thätigkeit zeichnete er sich ferner bei mehrfachen Gelegenheiten als talentvoller Redner aus. Bei aller Lebhaftigkeit des Geistes wußte er über sich Herrschaft zu üben; er war, durch Sittlichkeit und Anspruchslosigkeit vielen voranleuchtend, auch als Mensch hochgeachtet.

So hatte Eckhof, in wahrhaft seltener Treue, über siebenzehn Jahre der Schönemann’schen Gesellschaft als deren eigentlicher Träger angehört, als er im Jahre 1757 über Entlassung verdienter Mitglieder mit Schönemann in Zwist gerieth und seinen Abschied nahm. Er ging nach Danzig zu Franz Schuch, dem unstäten Principale, aber er blieb dort nur kurze Zeit. Als sich Schönemann genöthigt sah, noch in demselben Jahre in Hamburg seine Direction aufzugeben, eilte Eckhof zu der entlassenen Gesellschaft nach Hamburg zurück und ging mit ihr, von Hamburger Kaufleuten unterstützt, nach Kiel, wo sie Beifall und klingende Münze ernteten. Da es aber an einem guten Theater, an einer vollständigen Garderobe etc. fehlte, luden sie den Schauspieldirector Koch von Leipzig ein, ihr Führer zu werden. Er kam mit seiner Garderobe nach Lübeck und übernahm die Truppe. Bei ihm, bald in Lübeck, bald in Hamburg, blieb Eckhof bis 1764, wo er von Lübeck zur Ackermann’schen Gesellschaft nach Hamburg ging und bei dieser, wie nachher bei der sogenannten Hamburgischen Entreprise (Eröffnung der Bühne am 22. April 1767) bis 1769 mitwirkte. Dieses von kunstsinnigen Hamburger Kaufleuten in das Leben gerufene Unternehmen, bei welchem ein Lessing das Amt des Dramaturgen inne hatte, bezeichnet unstreitig eine der glänzendsten Epochen des deutschen Schauspiels; daß dies der Fall, war im Wesentlichen und vor Allem das Verdienst der bedeutendsten mitwirkenden Kraft, des genialen Eckhof.

„Es mag dieser Mann“ – schreibt Lessing über Eckhof – „eine Rolle machen, welche er will, man erkennt ihn in der kleinsten noch immer für den ersten Acteur, und bedauert, auch nicht zugleich alle übrigen Rollen von ihm sehen zu können. – – – Welcher Reichthum von malenden Gesten, durch die er allgemeinen Betrachtungen gleichsam Figur und Körper giebt und seine innersten Empfindungen in sichtbare Gegenstände verwandelt! Welcher fortreißende Ton der Ueberzeugung!“

So war selbst ein Lessing von Bewunderung, von Begeisterung über Eckhof’s Spiel erfüllt. So wurde in seiner Vaterstadt der arme Soldatensohn Eckhof – nur seiner Kunst lebend und Tag für Tag mehr und mehr als Musterbild, als Lehrer der Bühnenkünstler anerkannt – der Neubegründer, der Vater der deutschen Schauspielkunst.

Jene Anerkennung war ihm der Lohn für sein unermüdliches Streben, und zugleich der Trost bei dem schweren häuslichen Kummer, den er zu tragen hatte. Seine Gattin war schon seit 1765 so leidend geworden, daß sie dem Theater völlig entsagen mußte, und diese Krankheit wurde zu dauerndem Blödsinn. Liebevoll pflegte er die Arme, und nur die Kunst ließ ihn auf Augenblicke das Leid und die Entsagungen vergessen, welche sein Leben sorgenvoll verdüsterten.

Im Jahre 1769 endete das Hamburger Unternehmen. Ackermann übernahm die Gesellschaft wieder, zu derselben Zeit aber erhielt Abel Seyler das Patent als königlicher Hofschauspieler zu Hannover, und Eckhof und mehrere andere Mitglieder der Ackermann’schen Truppe schlossen sich ihm an. Diese Seyler-Eckhof’sche Gesellschaft, die erste, die (in der Person von Michaelis) einen eigenen Theaterdichter und (in der Person Schweitzer’s) einen vortrefflichen Componisten und Musikdirector hatte, war mit ihren vorzüglichen Schauspiel- und Gesangkräften zu ihrer Zeit unstreitig die beste Bühnengesellschaft in ganz Deutschland. Nachdem sie abwechselnd in Hannover, Lüneburg, Celle, Lübeck, Hamburg, Hildesheim und Wetzlar gespielt hatte, wurde sie im Jahre 1771 von der kunstsinnigen Herzogin Anna Amalia von Weimar nach ihrer Residenzstadt an der Ilm berufen, um auf dem fürstlichen Schloßtheater Vorstellungen zu geben. Am 7. October 1771 eröffnete Seyler im Weimarischen Schlosse seine Vorstellungen mit der „Eugenie“ und spielte dort unter allgemeinster Anerkennung bis zum Mai 1774. Die höchste Zierde seiner Bühne war und blieb der nun auf der Höhe seiner künstlerischen Ausbildung stehende, durch ganz Deutschland und darüber hinaus berühmte Eckhof.

Als Glanzrolle des im Tragischen wie im Komischen gleich starken Künstlers galt jetzt allgemein die des Odoardo in „Emilia Galotti“.

Nicolai sah ihn im Mai 1773 in dieser Rolle zu Weimar, und noch nach dreißig Jahren erinnerte er sich „sehr lebhaft der wunderbaren Wirkung dieses Spiels und des unbeschreiblichen Eindrucks, welchen Eckhof’s Vorstellung des Odoardo auf ihn gemacht hatte“. Auf Nicolai’s Bitte versprach damals Eckhof, auf seinem Zimmer ihm und dem Märchendichter Musäus einige Scenen aus einem Trauerspiele und einem Lustspiele zu lesen. Sie fanden den guten Eckhof in Schlafrock und Nachtmütze, unter welcher seine nicht ganz kurz abgeschnittenen Haare, so wie er sie unter der Perrücke trug, etwas struppig herabhingen, und sein hageres, kummervolles Gesicht machte den Contrast noch auffallender, wenn man sich hier den großen berühmten Schauspieler vorstellen sollte, nach Lessing den einzigen Mann in seiner Art. Bei seiner Vorlesung des Monologs Medon’s aus Cronegk’s Trauerspiele „Codrus“ glaubte man aber den edlen jungen Prinzen selbst zu hören und sah Brille, Nachtmütze und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_392.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)