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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


11. Februar 1778 der Geist in Hamlet. Mit dem Rufe: „Gedenke mein!“ sank er hinab. Er erkrankte schwer; suchte dann in Remstädt Ruhe und Erholung, mußte aber wegen zunehmender Krankheit wieder nach Gotha ziehen. Reichard sah die Flamme seines Genius erlöschen, wie das Licht einer Lampe abstirbt. Er war Zeuge der großen Geistesschwäche, die in den letzten Tagen den Kranken beherrschte. In Sorge um sein unglückliches Weib (welche ihn noch zwölf Jahre überlebte, ohne aus ihrem Irrsinn zu erwachen) und beschäftigt mit seiner Lieblingsidee, eine allgemeine Pensions-Anstalt für alte Schauspieler zu gründen, schied der große Künstler am 16. Juni 1778 aus dem Leben. Er starb so arm, daß die Freimaurerloge die Kosten der Beerdigung ihres Redners tragen mußte. Feierlich war das Begräbniß, ergreifend die Trauerfeier, welche das Hoftheater auf schwarz behangener Bühne veranstaltete. Im Jahre 1782 ließ ein Unbekannter (es war Reichard) auf die Ruhestätte Eckhof’s einen Stein mit der einfach großen Aufschrift: „Hier ruht Eckhof“ legen.

„Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze,“ lautet der oft citirte und für die darstellenden Künstler so trostlose Spruch. O nein, er trifft beim Meister Eckhof nimmer zu. „Gedenke mein!“ war sein letztes Wort auf der Bühne; hundert Jahre sind seit seinem Tode verstrichen, und das Vaterland gedenkt noch sein, gedenkt des Mannes, der, als der eigentliche Schöpfer der deutschen Bühnenkunst, ihr erst Natur und Wahrheit gegeben, ihr Werth und Ansehen verliehen, der den Grund gelegt hat, auf welchem ein Schröder, ein Iffland weiter bauen und ein Goethe-Schiller-Theater entstehen konnte; das Vaterland wird sein gedenken, so lang es noch ein deutsches Theater giebt. In Dankbarkeit legt es an der hundertjährigen Gedächtnißfeier auf das Grab des Altmeisters den Lorbeerkranz.

R. K.



Die Offenbarungen eines präparirten Kohlenstückchens.

Wenn man in früheren Zeiten den außergewöhnlichen Scharfsinn oder die Schlauheit eines Menschen besonders hervorheben wollte, so pflegte man wohl zu sagen „der hört das Gras wachsen.“ Bis jetzt ist das, so weit bekannt, noch Niemandem gelungen, obwohl der spanische Jesuit und Botaniker Cavanilles vor bald hundert Jahren bereits die Idee, das Gras wachsen zu sehen, mit dem besten Erfolge verwirklicht hat. Es giebt nämlich Gräser, die es mit ihrem Wachsthume sehr eilig haben, wie z. B. das Bambusgras, dessen Schößlinge ihre zwölf bis sechszehn Centimeter in einem Tage emporschießen. Indem nun Cavanilles das Fadenkreuz eines stark vergrößernden Fernrohres auf die Spitze eines solchen Schößlings einstellte, konnte er dieselbe beständig wie den Secundenzeiger einer Taschenuhr vorrücken sehen. Ebenso ließ sich mit den Augen ganz wohl das schnelle Wachsthum des Blüthenschaftes der amerikanischen Aloë oder Agave verfolgen. Sollten etwa die Saftströme, die dieses Wachsthum vermitteln, einiges Geräusch verursachen, so haben wir die beste Aussicht, künftig auch zu hören, wie das Gras wächst, denn der amerikanische Physiker Professor David Eduard Hughes, der Erfinder des Buchstabendrucktelegraphen, hat vor wenigen Wochen eine Vorrichtung erfunden, mit deren Hülfe man die leisesten Geräusche vernimmt, z. B. wenn eine Fliege in Entfernung von zehn Meilen auf dem Apparate herumtrampelt oder sich die Beinchen putzt und dergleichen. Diese hochwichtige Entdeckung verspricht dem menschlichen Ohre die bisher in Schweigen versunkene Welt des Kleinsten zu eröffnen, wie solche durch das Mikroskop dem Auge erschlossen worden ist, weshalb ein entsprechender Name: „Mikrophon“ für dieses Ohrmikroskop – wenn man so sagen dürfte – passend erschien.

Gleich dem Phonographen, über den wir neulich (Nr. 10 dieses Jahrgangs) den Lesern der „Gartenlaube“ berichtet haben, ist auch dieser neue Triumph der Naturwissenschaft aus der Telephon-Erfindung hervorgewachsen, sodaß man hier recht klar sieht, daß der Segen der guten That nicht weniger fruchtbar ist, als der Fluch der bösen. Nur mittelst des Telephones war es möglich, diese Entdeckung zu machen, und in der That bildet ein solches den Horchapparat der von dem Mikrophon in elektrische Ströme übersetzten leisesten Töne. Schon früher (Jahrgang 1877, Seite 798[WS 1]) haben wir von der außerordentlichen Empfindlichkeit des Telephons berichtet, und es wird zweckmäßig für das Verständniß des Nachfolgenden sein, wenn wir auf diesen Punkt zunächst noch etwas näher eingehen. Es wurde dort erwähnt, daß man die Telephonleitung nicht mit derjenigen gewöhnlicher Telegraphen auf denselben Stangen befestigen dürfe, weil man sonst in den Telephonen die aus kurzen oder längeren Strömen (= Punkten und Strichen) bestehenden Depeschen der Parallelleitungen mit hört. Jene Ströme erzeugen nämlich in den Parallel-Drähten durch sogenannte Induction in ihrer Folge genau entsprechende Nebenströme, und obwohl diese letzteren um so schwächer aussfallen, je weiter der Telephondraht von dem Telegraphendraht entfernt läuft, zeigen sie sich für dieses höchst empfindliche Instrument doch stark genug, um die ganze Depesche mit hören zu lassen, selbst wenn der Telephondraht zwei bis drei Fuß von dem Telegraphendraht entfernt verläuft. Man ersieht hieraus, daß, im Interesse der Geheimhaltung amtlicher Depeschen, in keinem Falle die Anbringung einer privaten Zwecken dienenden Telephonleitung an denselben Stangen gestattet werden darf.

Aber die Empfindlichkeit des Telephones geht noch viel weiter. In der französischen Stadt Clermont hatte man einerseits das Observatorium mit dem fünfzehn Kilometer entfernten Gipfel des Puy de Dôme und andererseits die dortige Artillerie-Schule mit dem vierzehn Kilometer entfernten Schießplatze telephonisch verbunden, und beide Leitungen wurden eine Strecke hindurch von denselben Stangen getragen. Obwohl nun beim Telephoniren viel schwächere Ströme Verwendung finden, als beim Telegraphiren, und obwohl beide Leitungen auf der Strecke ihres gemeinschaftlichen Weges circa drei Fuß von einander entfernt lagen, konnte man, wenn vom Gipfel des Puy de Dôme nach dem Observatorium gesprochen wurde, in der Artillerie-Schule, bei sonstiger Stille, jedes Wort verstehen, ja die Stimme des Sprechenden erkennen, und zwar in sieben verschiedenen Telephonen zugleich.

Diese fast unglaubliche Empfindlichkeit des Telephons für die allerschwächsten elektrischen Ströme und ihre Schwankungen hatte die englischen Physiker Forbes und Tait vor mehreren Monaten veranlaßt, dasselbe als ein Mittel zu empfehlen, elektrische Ströme zu entdecken, welche mittelst der empfindlichsten Meßwerkzeuge der Physiker nicht mehr erkannt werden können. Man hat nur nöthig, die vermutheten, sich jeder sonstigen Wahrnehmung entziehenden Ströme in ganz schneller Unterbrechung, z. B. durch die Rauhigkeiten einer bewegten Feile, in den Draht des Telephons zu leiten, um dieses sogleich zu einem ihr Dasein verrathenden Erklingen zu bringen. Natürlich müssen rhythmische Veränderungen des Widerstandes, den ein elektrischer Strom in seiner Leitung erfährt, denselben Erfolg hervorbringen, und dies ist der Punkt, an welchen die Beobachtungen und Entdeckungen von Hughes anknüpften.

Vor wenigen Jahren haben wir mit Erstaunen erfahren, daß das Licht die Fähigkeit einzelner Stoffe, den elektrischen Strom fortzuleiten, beeinflußt, daß eine Selen-Schicht in dem Augenblicke, in welchem ein Sonnenstrahl darüber hingleitet, den elektrischen Strom leichter durchläßt, als vorher und nachher. (Siehe „Gartenlaube“ 1876. S. 780.). Mittelst des hier zunächst nur als Stromprüfer in Anwendung gebrachten Telephons entdeckte nun Professor Hughes, daß die Tonschwingungen ebenfalls und zwar auf sehr verschiedene Körper derartig einwirken, daß ihr Leitungswiderstand mit jeder Schwingung verändert wird. Diese Beobachtung war schon von rein wissenschaftlicher Seite, wegen des darin sichtbaren Zusammenhanges der einzelnen Naturkräfte unter einander, so interessant, daß der Entdecker sie mit aller Sorgfalt verfolgte. Er verfuhr dabei so, daß der auf seine elektrische Schallempfindlichkeit zu untersuchende Körper in den Draht eines in einem anderen Raume befindlichen Telephons eingefügt wurde, während durch diesen Draht ein beständiger elektrischer Strom circulirte. Je deutlicher die Töne, welche Hughes auf den zu untersuchenden Körper wirken ließ, im fernen Telephone wieder erklangen, je vollkommener der Körper, mit anderen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jahrgang 1876
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_394.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)