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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


29. April 1840 der Pastor von St. Thekla bei Leipzig seine und seiner Eugenie Hand, und die Hand ihres Bruders Georg mit der Hand der geistvollen Lina Böhme zusammenfügte. Und über dem Häuschen, in dem Blum mit seiner jungen Frau allein wohnte, dem letzten einstöckigen Hause, das zur „kleinen Funkenburg“ an der Frankfurter Straße in Leipzig gehört, und über dem großen Garten, der sich daran schloß, stand nicht eine einzige trübe Wolke ein ganzes Jahr lang und länger. Hier erlebte Robert Blum im Juni 1841 und im September 1842 die ersten Vaterfreuden. Hier sah er seine „Herren Jungens“ mit dem Schäfer bis zum Thore ziehen, und hinter dem Hause auf der großen Wiese die Seiltänzer während der Messen anstaunen und zu den Aprikosenbäumen, die zu stark waren, um geschüttelt zu werden, sprechen: „Bitte, bitte!“ Hier wohnte er noch, als sein Name schon weit über das Weichbild der Stadt hinausgedrungen war.

Hans Blum.




Die „Allgemeine deutsche Unterstützungsgesellschaft“ in San Francisco.
Ihre Geschichte und ihre Feste.
Von Theodor Kirchhoff.

Die in San Francisco wohnhaften Deutschen bilden etwa ein Zehntheil der zur Zeit auf bereits über dreihunderttausend Köpfe angewachsenen Bevölkerung der californischen Handelsmetropole. Obgleich der Goldstaat unter seiner außerordentlich gemischten Bevölkerung kein Volkselement aufzuweisen vermag, das ihm treuer als seine deutschen Adoptivbürger zugethan ist, haben sich diese doch ihren Gemeinsinn und ihr deutsches Wesen im Allgemeinen bewahrt. Eine in der praktischen Schule des Weitgereistseins und des engeren Zusammenlebens mit fremden Nationalitäten erworbene kosmopolitische Lebensanschauung hat bei den im Goldlande lebenden Deutschen keineswegs der deutschen Gemüthlichkeit Abbruch gethan, welche vielmehr in zahlreichen geselligen Clubs, in Gesang-, Turn- und anderen Vereinen die heimathlichen Sitten und Vergnügungen auch an diese entlegene Küste verpflanzt hat. Besonders aber, wenn es sich so zu sagen um die Nationalehre handelt, tritt das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit bei den hiesigen Deutschen in den Vordergrund. Ich brauche nur die zur Zeit des deutsch-französischen Krieges und beim Empfange der „Hertha“ auch in diesen Blättern beschriebenen, in San Francisco stattgehabten Feste in Erinnerung zu bringen, um den Charakter der californischen Deutschen in dieser Beziehung zu kennzeichnen.

Unter denjenigen Institutionen, welche von allen hier wohnenden Deutschen als ihr nationales Gemeingut angesehen werden, nimmt die „Allgemeine deutsche Unterstützungsgesellschaft“ den ersten Platz ein. Während eines Vierteljahrhunderts hat sich diese Gesellschaft aus kleinen Anfängen zu einer von ihren Begründern ungeahnten Blüthe entfaltet und bildet ein Stück deutsch-amerikanischer Culturgeschichte, welche es wohl verdient, überall, wo Deutsche wohnen, bekannt zu werden.

Es war im Jahre 1852, als ein Häuflein wackerer Deutscher in San Francisco den Beschluß faßte, hier eine gegenseitige Unterstützungsgesellschaft zu gründen und sobald wie thunlich ein deutsches Hospital zu erbauen. Zu jener Zeit war es um die Krankenpflege im Goldlande schlecht bestellt; ein Familienleben existirte hier noch fast gar nicht, und wen das Unglück traf, in dieser von Abenteurern aus allen Zonen bewohnten wüsten Goldstadt, wo Jeder nur an sich und den eigenen Vortheil dachte, ernsthaft zu erkranken, der war fast unrettbar verloren.

Am 7. Januar 1854 wurde die „Allgemeine deutsche Unterstützungsgesellschaft“ in San Francisco definitiv organisirt. In erster Linie sollte dieselbe ihren eigenen nothleidenden Mitgliedern Hülfe gewähren, namentlich aber den Kranken Pflege geben, ferner neu Einwandernden, die hier keine Verwandte oder Bekannte vorfanden, mit Rath und That beistehen. Allen Deutschredenden ward es gleichmäßig möglich gemacht, an den Wohlthaten der Gesellschaft Theil zu nehmen. Diese Bestimmung ward wohl besonders deshalb getroffen, weil es zu damaliger Zeit eigentlich keine deutsche Nation gab und ein Elsasser, Lothringer oder Schweizer in Amerika gerade so gut als Deutscher gelten konnte, wie ein Hesse, Baier, Preuße oder Deutsch-Oesterreicher. Ein Beitrag von nur einem Dollar per Monat ward von jedem Mitgliede erhoben, und lebenslängliche Mitglieder konnten durch einmalige Zahlung von hundert Dollars der Gesellschaft beitreten. Kurz nach Annahme der Statuten, welche im Allgemeinen bis heute beibehalten worden sind, wurde eine öffentliche Sammlung veranstaltet, mit welcher der Fonds für ein zu erbauendes Hospital gelegt wurde. Mit so bescheidenem Anfange und einem Bestande von nur zweiundachtzig Mitgliedern hat sich die „Allgemeine deutsche Unterstützungsgesellschaft“ von San Francisco constituirt und weiter entwickelt. Ein Jahr nach ihrer Gründung zählte dieselbe bereits dreihundertachtundsechszig zahlende Mitglieder und besaß ein zum Bau eines Hospitals bestimmtes Grundcapital von fünftausendsechshunderteinundzwanzig Dollars; heute zählt sie mehr als zweitausendachthundert Mitglieder und besitzt ein neu erbautes Hospital, welches zu den schönsten in Amerika zählt und mit den der Gesellschaft gehörenden Grundstücken ein Capital von nahezu zweihunderttausend Dollars repräsentirt.

Das erste Krankenhaus der Gesellschaft wurde im Jahre 1856 eröffnet. Alle erkrankenden Mitglieder waren zur freien Aufnahme berechtigt, ebenso neu Einwandernde, die sich noch nicht sechs Monate im Lande befanden. Zahlende Kranke mußten – wie heute noch geschieht – drei Dollars per Tag entrichten. Die Räumlichkeiten des Krankenhauses zeigten sich aber bald als ungenügend. Auf einem bereits im folgenden Jahre an der Südseite der Brannanstraße erworbenen größeren Grundstück fand die Grundsteinlegung des ersten deutschen Hospitals in San Francisco statt. Ein allgemeines deutsches Volksfest, welches zwei Tage dauerte, beschloß die Feier. Nie zuvor hatten sich die Deutschen in San Francisco so einmüthig wie diesmal an einem Feste betheiligt, und alle Classen waren dabei vertreten.

Im Januar 1858 ward das Hauptgebäude des Hospitals vollendet und sofort bezogen. Später wurde dasselbe durch einen Flügel-Anbau vergrößert und seine Einrichtung mehr und mehr vervollkommnet. Zur Zeit der Eröffnung des ersten Hospitals zählte die Gesellschaft siebenhundertsechsundfünfzig Mitglieder und besaß ein Capital von reichlich fünfzehntausend Dollars. Während mehr als anderthalb Decennien entwickelte sich nun die Gesellschaft zu hoher Blüthe und ward mehr und mehr der Mittelpunkt deutschen Lebens in Californien. Für die Neueinwandernden war dieselbe eine nicht zu überschätzende Hülfe, und Mancher, der mittellos und ohne Rath und Beistand zu finden hier anlangte oder erkrankte, hat es ihr allein zu verdanken, daß er nicht im Elend unterging. Die alljährlich in Woodward’s Garten stattfindenden Maifeste der „Allgemeinen deutschen Unterstützungsgesellschaft“ waren echte deutsche Volksfeste. Keine anderen deutschen Feste in San Francisco fanden je eine so allgemeine Betheiligung wie diese. Bei den Maifesten fand sich Alles zusammen, was deutsch redete und deutsch fühlte; ob reich, ob in beschränkten Verhältnissen, Alle standen hier auf gleichem Fuße. Deutsche Fröhlichkeit und deutsche Gemüthlichkeit galten dabei als die allseitige Parole. Diese regelmäßig wiederkehrenden Maifeste waren nebenbei eine ansehnliche Einnahmequelle und brachten der Casse der Gesellschaft selten weniger als viertausend Dollars ein.

Aber wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Gesellschaft nach zweiundzwanzigjährigem glücklichem Bestehen am 28. August 1876 ein Schlag, der alles Errungene mit einem Male in Frage zu stellen schien. Ein verheerender Brand zerstörte zur Nachtzeit einundachtzig Häuser und legte gleichzeitig das deutsche Hospital in Asche. Kaum war man im Stande, bei dem mit rasender Schnelligkeit bei starkem Winde um sich greifenden Brande die im Hospital liegenden Kranken vom Feuertode zu retten, während das ganze Inventar, Mobiliar etc. des Gebäudes ein Raub der Flammen wurde.

An ein Aufgeben der Unterstützungsgesellschaft dachten die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_418.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2016)