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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Deutschen in San Francisco jedoch keinen Augenblick. Nachdem die plötzlich heimathlos gewordenen Kranken in anderen Hospitälern der Stadt und in den Privatfamilien ein Unterkommen gefunden hatten, wobei sich namentlich das hiesige französische Hospital durch das freie Oeffnen seiner Räumlichkeiten rühmlichst auszeichnete, wurde sofort zur Beschaffung der Mittel für einen Neubau geschritten. Eine am 1. September (vier Tage nach dem Brande) stattfindende deutsche Massenversammlung erklärte einmüthig den Wiederaufbau eines Hospitals als deutsche Ehrensache, und es wurde beschlossen, ohne Verzug eine Sammlung zu veranstalten, um sofort einen neuen Capitalfonds zu beschaffen. In den ersten zwei Tagen waren fünfundvierzigtausend Dollars Gold an freiwilligen Beiträgen eingezahlt, gewiß ein sprechender Beweis von der oft bewährten Opferfreudigkeit der Deutschen in San Francisco.

Durch den so überaus günstigen Erfolg der Sammlungen ermuthigt, erstand die Gesellschaft ein prächtiges Grundstück an der vierzehnten Straße für siebenzigtausend Dollars und beschloß, dort ein neues Hospital für hunderttausend Dollars zu erbauen. Das fehlende Geld wurde vorläufig hypothekarisch aufgenommen und mit dem Neubau begonnen, sobald man sich über den Plan dazu geeinigt hatte. Das in vorzüglichem Styl errichtete und mit allen Erfordernissen der gegenwärtigen Krankenpflege versehene neue deutsche Hospital liegt in einem in dieser baumarmen Gegend nicht genug zu schätzenden natürlichen Wäldchen, an einem vor den rauhen Seewinden geschützten Abhang im westlichen Theile des Stadtgebietes.

Lange jedoch, bevor der Bau vollendet war (die Grundsteinlegung fand am 29. Juli 1877, die Einweihung am 22. Februar dieses Jahres, an Washington’s Geburtstag, statt), stellte es sich heraus, daß es unumgänglich nothwendig sei, einen weiteren Capitalfonds zu beschaffen, um die Gesellschaft der ewigen finanziellen Plackereien zu entheben. Zwanzigtausend Dollars war das Deficit, das gedeckt werden sollte, und unsere deutschen Frauen und Jungfrauen beschlossen, diesen Betrag herbeizuschaffen. Eine solche Summe bei den gegenwärtigen auch im Goldlande miserablen Zeiten und nach den bereits gebrachten Opfern den Taschen der hiesigen Deutschen für ein Wohlthätigkeitsunternehmen zu entlocken, hätte gewiß manchem noch so gewiegten Finanzmann Kopfschmerzen gemacht. Anders dachten unsere wackeren Damen. – Schon einmal hatten sie, zur Zeit des deutsch-französischen Krieges, durch eine sogenannte „Fair“ (eine Art Damen-Bazar) fast Unglaubliches geleistet und damit in drei Tagen einen für die deutschen Verwundeten verwendeten Betrag von dreißigtausend Dollars erzielt, und dieses treffliche Arrangement sollte jetzt in etwas veränderter Weise eine Wiederholung finden.

Nach dem Heranziehen entsprechender männlicher Kräfte wurde zunächst die nöthige Anzahl von Comités ernannt und dann die Stadt in Districte eingetheilt, um Contributionen von Geld und später in der „Fair“ zu verwerthenden Gegenständen zusammenzubringen. Der Eifer, mit dem die Damen, welche ohne Ausnahme den höheren Gesellschaftsclassen angehörten, das heiklige Amt von Requisitionspatrouillen im Frieden angenommen hatten und wochenlang jedes Haus, wo Deutsche wohnten, und jede deutsche Geschäftsfirma in der Stadt heimsuchten, war über alles Lob erhaben. Wehe dem egoistischen Junggesellen, dem hartgesottenen Minenspeculanten, dem Groß- und Kleinhändler oder anderen hartherzigen Geldmenschen, dem eine solche holde Patrouille in’s Haus oder in’s Comptoir gerückt kam! Hier half keine Unverfrorenheit oder der in ähnlichen Lagen beliebte Ausweg, „daß der Principal nicht zu Hause sei“. Die unnahbarsten Subjecte sahen sich bald zur Capitulation gezwungen und waren schließlich froh, durch ein schriftliches Abkommen für eine Lieferung den Feind auf manierliche Weise wieder los zu werden. Als Beisteuer wurde Alles und Jedes mit Dank entgegengenommen – Schmucksachen, Bijouterie, Hausgeräth, Uhren und Juwelen, Getränke und Cigarren, Blumen, Bilder, Stickereien, Spielzeug, tutti frutti oder Sonstwas; kurzum, alles Mögliche, was sich bei dem projectirten Feste in Geld umsetzen ließ: – eine förmliche Jahrmarktsbescheerung!

Jeden Abend wurden in den Räumen des „San Francisco-“ und des „Deutschen-Vereins“ Versammlungen abgehalten, Berathungen gepflogen und die Rapporte der verschiedenen Comités entgegengenommen. Unsere hochgeschätzte Landsmännin Frau Doctorin Bryant, welche bei der oben erwähnten „Fair“ zur Zeit des deutsch-französischen Krieges die Oberleitung rühmlichst geführt hatte, mußte auf allgemeines Verlangen bei dieser Gelegenheit ihren zweiten Termin als Präsidentin abhalten. Die parlamentarischen Regeln wurden bei den Versammlungen auf das Strengste gewahrt, und es kam allmählich Ordnung in die Vorbereitungen zum Feste, welches in der geräumigen Halle des „Wintergartens“ abgehalten werden sollte. Die verschiedenen Gesang- und Turnvereine und wer sonst Genie, Talent und sociales Geschick besaß, wurden herangezogen, um ihr Licht auf dem Bazar leuchten zu lassen. Am Abende des 26. Februar fand die ceremonielle Eröffnung der „Fair“ unter dem Beisein der obersten Stadtbehörden und der regsten Betheiligung des Deutschthums statt. Der City Mayor selbst bewillkommnete seine deutschen Mitbürger in einer herzlichen Rede und wünschte ihnen alles Glück zu diesem schönen Unternehmen.

Während einer Woche wiederholte sich nun an jedem Abende das interessante Leben in jenen festlichen Räumen. Um dem Leser einen Begriff davon zu geben, wie es dort zuging, bitte ich ihn, mich an einem Abende nach der „Fair“ zu begleiten, wo ich ihm als kundiger Cicerone dienen will.

Fürwahr! ein herrlicher Anblick, diese von tausend Gaslichtern strahlende, mit Blumen, Flaggen, Guirlanden, farbigen Bändern, Inschriften und buntem Zierrath geschmückte Halle, in welcher Schaaren von fröhlichen Menschen sich drängen, Jeder in der Absicht, so viel in seinen Kräften steht, auf den Altar der Nächstenliebe niederzulegen. Die Mitte des Festraumes verschönern drei reich ausgestattete Pavillons, von denen der eine einen prächtigen Blumentempel darstellt, in dem Californien seine farbigen Gaben mit verschwenderischer Hand ausgebreitet hat. Eine Anzahl hübsch costümirter Damen bietet dort Bouquets zu extravaganten Preisen feil, welche sich ein deutscher Gärtner schwerlich träumen lassen möchte. Rings an den Wänden reiht sich ein allerliebst decorirter Verkaufsstand an den andern, wo die lebensfrohen Händlerinnen ihrer Arbeit mit einem Eifer obliegen, der jeden Anwesenden förmlich elektrisirt. Sinnreiche Inschriften sind über den Verkaufsbuden angebracht. Hier lesen wir z. B.

„Halb nur hilft dem Armen die tägliche Gabe des Reichen,
Hilf ihm, daß er sich selbst helfe, so hilfst Du ihm ganz.“

Nur wenige Schritte haben wir in das Festgewühl gethan, da werden wir bereits von einem allerliebst gekleideten Blumenmädchen, das wie alle hier freiwillig Dienst thuenden jungen Damen ein weißes Häubchen keck auf dem Haupte trägt, angeredet. Sie verziert unsere Knopflöcher je mit einem Sträußchen und bittet sich dafür ungenirt ein Aequivalent in Halbdollarstücken aus, die wir mit Vergnügen in ihr Körbchen legen. Von jetzt an müssen wir jeden Augenblick an unsere Börsen appelliren, denn solchen liebenswürdigen Verkäuferinnen, wie sie uns hier auf Schritt und Tritt begegnen, können wir unmöglich widerstehen. Ein Glück ist es, daß wir unsere Taschen, ehe wir nach der Fair spazierten, mit einem respectablen Vorrath von Halbdollarstücken füllten, denn hier scheint das Geld absolut gar keinen Werth zu haben.

Eine allen Deutschen in San Francisco wohlbekannte Stentorstimme von einem beliebten Mimen veranlaßte uns, nach der Seite der Halle zu promeniren, wo die Inschrift „Raritätencabinet“ über einem geschlossenen Vorhang mit großen Lettern in die Augen fällt. „Nur immer herein, meine Herren! – Nur fünfzehn Cents Entrée zu diesem Museum!“ ruft der Mime mit bereits heiser gewordener Stimme, während seine Assistentinnen die Zögernden gewandt bei der Hand nehmen. Nach entrichtetem Obolus erhalten wir Zutritt in’s Museum, wo unser verehrter Freund, Herr Schünemann-Pok, der beredte Sprecher der „freien deutschen Gemeinde“, seine Erklärungen der hier zur Schau gestellten „Alterthümer“ mit dem köstlichsten Humor zu würzen versteht.

Wir setzen in der offenen Halle unsere Promenade fort, wobei wir jeden Augenblick die Bekanntschaft von neuen charmanten Händlerinnen machen, ohne dazu irgendwie conventioneller Einführung zu bedürfen. Bei einem sogenannten „Fischteich“ angeln wir, für nur fünfzig Cents den Wurf, über eine Calicowand und fangen die sonderbarsten Seethiere in Gestalt von Strümpfen, Bonbonschachteln, Riechfläschchen etc.

Vor der Bühne fällt uns das dort ausgestellte, mit grünem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_419.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)