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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Herzog Ernst August, hatte im Jahre 1733 den Platz hinter diesem Garten den Bürgern zur Herrichtung eines Schießhauses geschenkt. Noch jetzt ist der untere Theil des letzteren im Hofe der Hofgärtnerei zu sehen. Der dazu gehörige Garten dehnte sich in der Richtung nach der Ilm zu bis zu einer Schießmauer aus. Um die Verbindung der neuen Parkanlagen mit dem welschen Garten und somit die einheitliche Neugestaltung des Ganzen zu ermöglichen, gaben die Schützen ihren Garten im Jahre 1785 dem Herzoge unentgeltlich zurück. Karl August ließ die Schießmauer unter Benutzung von Bautrümmern des niedergebrannten Schlosses in die Ruine einer alten verfallenen Burg umwandeln. Mit halbem Portale, verwitterten Simswerke, altem Wappen und versunkenen Gewölben bietet sich in der That das täuschende Bild einer mittelalterlicher Burgruine dar – im Schmucke blühender Kastanien eine der schönsten Partien des ganzen Parkes.

Mit der allmählichen Umgestaltung des welschen Gartens zu englischer Parkanlage mußte, als nicht passend zum Ganzen, auch die Schnecke weichen. Mehrmals war vom Publicum Fürbitte für dieses liebgewonnene Werk eingelegt worden, und der Herzog hatte dem Gesuche stets williges Ohr geliehen, endlich aber wurde das alte, ohnehin baufällig werdende Werk entfernt. Dafür erhielt dieser Theil des Parkes einen besonderen Schmuck in einem neuen schönen Baue. An die Stelle eines dort befindlichen ökonomischen Gebäudes trat eine alte gothische Capelle, der Rittertempel (so genannt wegen der Ritterstatuen auf den vier Dachecken), ein den Sommervergnügungen des Hofes bestimmter Gartensaal. Herzogin Louise liebte es, hier inmitten lieblich grünender und blühender Natur Theegesellschaften zu geben. Aber auch dieser Rittertempel wurde später in das jetzige sogenannte Tempelherrnhaus oder den Salon umgebaut, ein mit den grau verwitterten Ritterstatuen geziertes, von Kletterrosen umranktes Gebäude mit hohen gothischen Fenstern, das in seinem Saale jetzt die schöne Hertel’sche Statue „Poesie“ bewahrt. Unweit dieses „Salons“ war es, wo einst der Nestor der deutschen Kupferstecher, der jetzt dreiundneunzigjährige wackere Meister Schwerdtgeburth, den Großherzog Karl August allein nur in Begleitung seiner beiden großen Hunde, den Weg daher kommen sah, in ein nahes Bosquet trat und, selbst ungesehen, diese Scene mit Künstleraugen sich einprägte, um dann, nach Hause zurückgekehrt, das Bild zu entwerfen, welches vom alten Herrn, wie ihn das Volk in seiner Erinnerung hat, die treuste, wahrste Darstellung ist und für alle Zeit bleiben wird.

So hatte sich unter Goethe’s Leitung der weimarische Park auf an sich ungünstigem Terrain zu reiner, schöner englischer Parkanlage gestaltet. Der Herzog aber überließ den Park in edler Liberalität den Bürgern zur freien Benutzung, und so wurde derselbe als freie Promenade die höchste Zierde Weimars.

Hundert Jahre sind seit dem Louisenfeste verflossen[1]. Wohl sind die damals gepflanzten Bäumchen nun zu alten Bäumen geworden, mancher der Bäume aus damaliger Zeit und leider auch einzelne der von Goethe bewunderten Eschen sind gefallen, andere Baum- und Gebüschanlagen – zum Theil nach dem Rathe des Fürsten Pückler-Muskau – sind entstanden, und dagegen die kleinen Wasserfälle und das fürstliche Badehaus an der Ilm nebst der Fähre längst verschwunden; im Wesentlichen aber ist der Charakter des Parkes im Ganzen und in seinen Einzelheiten noch der alte. Mag man im Stern oder am Römischen Hause weilen, oder mag man von der Bank aus, die man zu Ehren unseres großen Dichters „Schiller-Bank“ genannt hat, der schönen Ausicht auf die sich schlängelnde Ilm und deren Ufer sich hingeben – überall werden die Erinnerungen an jene große Zeit vor hundert Jahren wachgerufen. Will man aber den ganzen vollen poetischen Reiz des Parkes genießen, so muß man an einem Frühlingsabende, beim Dufte des Flieders und dem süßen Gesange der Nachtigallen ihn durchwandeln. Der Mondschein schimmert aus Goethe’s Gartenhause jenseits der Ilm, huscht durch das Gebüsch und läßt das Borkenhüttchen in gespenstischem Lichte schimmern. Man glaubt aus dem kleinen Kloster weiße Gestalten nach dem Louisenplatze ziehen zu sehen; es rauschen die alten Bäume; es rauscht der Fluß. Alte trauliche Geschichten erzählen sie uns, von einem jungen Fürsten und einem genialen Dichter, welche in inniger Freundschaft hier gelebt und die Parkdichtungen geschaffen haben. – Möge ihre Schöpfung in frischer Schönheit ewig fortbestehen und so wie unser Herz auch das Herz und Gemüth der künftigen Geschlechter erheben und erquicken!


Zur Geschichte des Strumpfes.

Eine Skizze von Fr. Uwinger.

Auch der Strumpf hat seine Geschichte. Bücher sind freilich nicht darüber geschrieben worden, und Gelehrte haben weder Zeit noch Mühe darauf verwandt; trotzdem gebührt ihr vom sittlichen, culturhistorischen und künstlerischen Standpunkt aus eine nicht zu unterschätzende Stelle. Nur bescheiden sieht sie aus den Aufzeichnungen alter und neuer Zeit hervor, führt uns aber an einer Reihe höchst interessanter Culturmomente vorüber, die in Kürze hier berührt werden sollen. Für die zart besaiteten Gemüther will ich von vornherein bemerken, daß ich keine Toilettengeheimnisse verrathen werde, auch nicht gesonnen bin, mich in eine Polemik über die Strumpfkoketterie einzulassen.

Der Strumpf, dieses jedem civilisirten Menschen jetzt unentbehrliche Kleidungsstück, ist ein Kind der Neuzeit. Das classische Alterthum und der größte Theil des Mittelalters kannten ihn nicht. Seine Mutter war ein langes, von den Hüften bis zum Fuß reichendes Beinkleid, welches große Aehnlichkeit mit dem jetzt von uns getragenen hatte. Dieses Beinkleid ist urdeutsch, wie schon sein Name andeutet: „Hose“ (chausse). Die Römer fanden es bei uns, doch blieb es für sie stets ein Gräuel und ein Merkmal der Barbarei. Das älteste deutsche Beinkleid-Document haben sie uns trotzdem erhalten: auf der trajanischen und antoninischen Säule sehen wir unsere Ahnen – in Beinkleidern.

Anfänglich war das Beinkleid weit, formte sich indeß im Laufe des Mittelaltars derart um, daß es allmählich immer enger wurde und zuletzt, in einem Stück gearbeitet, Fuß, Bein und Schenkel bedeckte. Es machte hierin viele Phasen durch, behielt aber diesen Hauptcharakter ständig bei. Erst gegen Mitte des sechszehnten Jahrhunderts sollte mit ihm eine bedeutende Aenderung vor sich gehen. Die Mode hatte ihm damals eine sehr unbequeme Form gegeben. Vom Knie aufwärts war es bauschig, zerschlitzt und zerrissen, niederwärts dagegen immer noch eng anschließend. Vornehmlich den Soldaten machte die Tracht unbeholfen; denn das An- und Auskleiden war zeitraubend und eine Reparatur desselben im Felde schwierig auszuführen. Die deutschen Landsknechte sollen die ersten gewesen sein, die mit aller Macht gegen die Mode geeifert haben.

Der Name des Chirurgen, der zuerst die nun folgende Operation vornahm, ist uns nicht aufbewahrt, wir wissen nur so viel, daß plötzlich das bis dahin ganze Beinkleid mit kühner Hand am Knie durchschnitten wurde. Auf diese Weise tritt uns das haut–de–chausse, das eigentliche Beinkleid, und das bas-de-chausse, oder schlechtweg bas entgegen – der Strumpf war geboren.

Diese Modeänderung wurde sehr bald als äußerst praktisch erkannt, und mit Ausnahme Spaniens, wo noch lange das tricotförmige anschließende Beinkleid üblich blieb, sehen wir dieselbe sich schnell von Deutschland aus über die übrigen civilisirten Länder verbreiten.

Man fertigte den Strumpf anfangs aus Wolle oder Baumwolle. Gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts muß indeß schon Seide dazu verwandt worden sein: sonst könnte der französische Sittenschilderer Brantome nicht erzählen, daß er viele Liebhaber gekannt, die, wenn sie sich neue seidene Strümpfe gekauft, ihre Schönen ersucht hätten, sie erst acht bis zehn Tage anzulegen, wonach sie die also eingeweihten mit großer Befriedigung getragen.

Das neue Kleidungsstück fand fast gleichzeitig bei den Frauen Eingang; sie kannten bis dahin nichts Aehnliches. Farbige Seide oder filet de Florence war bei ihnen als Stoff am meisten beliebt. Obwohl das Stricken nicht unbekannt war, wurden doch

  1. Zu dieser Säcularfeier läßt der Photograph Schwier in Weimar eine Sammlung von Photographien als „Erinnerung an den Goethe-Park“ erscheinen, welche wir unseren Lesern warm empfehlen. D. Red
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_454.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)