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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


nach außen verlängerten Achse gedreht werden: das Schallblech wirkt dabei als Zunge hinter den halb geöffneten Lippen, und die Unvollkommenheiten der Aussprache würden bei der kleinen Puppe nur so natürlicher klingen. Wird die Walze rückwärts gedreht, so werden auch die Worte rückwärts gesprochen und zwar natürlich nicht blos der Reihenfolge, sondern auch der Buchstabenfolge nach. Eine der oben erwähnten sprechenden Uhren, welche des Morgens zum Frühaufstehen und später zu den Mahlzeiten und den Geschäften des Tages einlädt, ein mechanischer Saturnus gleichsam, der keine Stunde vorbeiläßt, ohne seine Mahnungen wegen der Flüchtigkeit der Zeit zu wiederholen, soll bereits auf der Pariser Weltausstellung seine Künste hersagen. Ich würde meinerseits eine Uhr vorziehen, die jede Stunde mit einem Liede oder Sprüchlein, wie weiland die ehrsamen Nachtwächter, begrüßte. In den größeren Städten wäre das zugleich eine Erinnerung an die vorzeitlichen Gewohnheiten, in denen der Wächter die Stunde verkünden mußte, weil nicht Jedermann eine Schlaguhr besaß. Leider bleibt aber zu besorgen, daß diese Uhren in Folge ihrer nicht Tag noch Nacht feiernden Geschwätzigkeit bald genug heiser und unverständlich werden möchten.

Eine andere praktische Anwendung des Phonographen, der bekanntlich aus dem Telephon hervorgegangen ist, führt uns zu seinem Ursprunge zurück, nämlich auf seine Verbindung mit dem Telephon zu dem Zwecke der gleichzeitigen Niederschrift der mündlichen Depeschen. Das Wort ist flüchtig und verschollen, ehe man seinen Inhalt genau verstanden hat; die telephonische Depesche bietet keine Sicherheit, so lange sie nicht automatisch von dem Empfangsapparate aufgezeichnet wird. Da nun die Schallplatte des Telephons und des Phonographen im Wesentlichen dasselbe Ding ist, so liegt nichts näher, als diese Platte ihr Werk ganz thun zu lassen und ihr den Griffel zu geben, mit welchem sie gleichzeitig in „eherne Tafeln“ gräbt, was sie spricht. Man ersieht hieraus, das Zinnblatt braucht schließlich gar nicht verschickt zu werden; man kann den Brief mit eigener Stimme gleich dorthin dictiren, wo er hingehen soll. Dabei mag es uns zu Gute kommen, daß Professor Hughes, der Erfinder des Mikrophons, an dem Telephon eine Verbesserung angebracht hat, welche, einfach in der Einschiebung einer kleine Inductionsrolle in die Leitung bestehend, den Schall am Empfangsorte so verstärkt, daß man nicht mehr das Ohr an das Telephon zu legen braucht, sondern den Schall in weitem Umkreise vernimmt. (Vergl. den jüngst von uns gebrachten Artikel „Die Offenbarungen eines präparirten Kohlenstückchens“ in Nr. 24. D. Red.)

Edison glaubt, daß durch diese kaum weiter zu vervollkommnende Methode die Telegraphie in Zukunft eine besondere Gestalt annehmen wird. Die Telegraphengesellschaft der Zukunft, meint er, wird einfach eine Geschäftsvereinigung sein, welche ein ungeheures System überall hin verbreiteter Drahtleitungen durch erfahrene Beamte in gutem Zustande erhält, um durch Ausschließungen und Verbindungen beliebige Strecken für bestimmte Zeit zweien Correspondeten zu vermiethen. Beide erscheinen persönlich oder in ihren Vertretern auf den Aemtern, und kein Dritter braucht zu wissen, was sie mit einander verhandelt haben und was Jeder von ihnen, in Zinn gegraben, in seiner Mappe nach Hause trägt. Diplomaten und große Geschäftshäuser werden den Anschluß der Hauptleitung nach ihrem Arbeitsraume führen lassen, und dann hat sich vollends kein Dritter in ihr Geheimnis zu mischen. Ein New-Yorker Opernunternehmer, welcher bereits sich von der Lucca und der Mallinger Spieldosen einsingen zu lassen beabsichtigt, hätte nicht mehr nöthig, die Dame aufzusuchen; dieselben könnten ihm aus der Ferne dienen, und die Examina und Doctorpromotionen können schriftlich und mündlich „in absentia“ vollführt werden.

Auf einem ganz verschiedenen Gebiete bewegt sich ein fernerer Ableger des Phonographen, das Aërophon, dessen Idee darin besteht, jedem beliebigen Blasinstrumente die Articulation der menschlichen Stimme zu verleihen. Denken wir uns eine Orgelpfeife oder ein großes Signalhorn, an dessen unterem Theile die Schallplatte eines Phonographen angebracht ist. Der Stift dieser Platte soll diesmal, statt zu schreiben, dazu dienen, ein Ventil, seine Schwingungen entsprechend, fortwährend zu öffnen und zu schließen, sodaß die tönende Luftsäule gleichsam den mächtigen Brustton hergiebt, aus dem eine Riesenstimme geformt wird. Was will Stentor, der fünfzig Griechen überschrie, was will selbst Ares, der, glaube ich, wie ihrer zehntausend brüllte, gegen eine mit so und so viel Pferdekraft brüllende Maschine ausrichten, gegen einen großen Dampfkessel, dem man gegeben hat, Gedanken auszudrücken, die er nicht empfindet!

Als Hauptzweck dieses Apparates würde die Verständigung auf der See, sei es von Schiffen untereinander, sei es mit Stationen und Leuchtthürmen, anzusehen sein, mit denen man sich bisher mittelst Flaggen unterhielt (vergl. Gartenlaube 1877 S. 162[WS 1]), wobei ein leichter Nebel alle Bemühungen zu Nichte machte. Das Aërophon trägt die menschliche Sprache beinahe so weit, wie die Seesignale erkennbar sind, nämlich vier bis sechs Seemeilen, und die Verständigung mit dieser monotonen Dampfstimme ist eine viel bequemere. Bekanntlich hatte man schon längst an gefährlichen Uferstellen, auf Leuchtthürmen und Rettungsstationen, sogenannte Dampfsirenen aufgestellt. Apparate, die keineswegs bestimmt sind, wie die Homerischen Sirenen, mit erschmeichelnder Stimme die Vorbeisegelnden zum Landen einzuladen, sondern die vielmehr mit einer das Wellengebrüll des tobenden Meeres überschreienden Stimme die Schiffer warnen, sich ihnen zu nähern. Diese Apparate enthalten eine Drehscheibe, deren um den Umfang vertheilte Oeffnungen den Strom einer Dampfpfeife je nach der Schnelligkeit der Umdrehung öfter oder minder oft unterbrechen und dadurch höhere oder tiefere Töne erzeugen. Während man sich hier bemühte, aus höheren und tieferen Tönen eine Art Seesprache combinatorisch zusammenzusetzen, spricht in dem Aërophon der Dampf selber, was ihm der schwache Mensch einbläst. Ja, man bedarf des Menschen nicht einmal, da für viele Zwecke ein Phonograph die Rolle des Souffleurs übernehmen kann. Man erzählt sich drüben bereits fürchterliche Dinge von dieser Erfindung. Jede Fabrik, die einen Dampfkessel besitzt, würde in kurzen Pausen ihr Fabrikat ausposaunen, ja einige Industrielle sollen bereits darum eingekommen sein, den Ruhm ihrer Firma durch Stadt und Land mittelst sämmtlicher Dampfpfeifen der Eisenbahn-Locomotiven verbreiten lassen zu dürfen. Wenn dann die Straßenverkäufer mit Sand, Obst, Kartoffeln und Milch sich ähnliche Apparate anschaffen, so kann das ein Höllenskandal werden, und das alte Sprüchwort müßte umgetauft werden in „Morgenstunde hat den Teufel im Munde“.



Um hohen Preis.
Von E. Werner.
(Fortsetzung folgt.)
Nachdruck verboten und Uebersetzungsrecht vorbehalten.

Als der Gouverneur aus dem Hause trat und im Begriff war in seinen dort wartenden Wagen zu steigen, bemerkte er den Polizeidirector, der soeben die Straße passirte und sich ihm jetzt näherte.

„Soeben wollte ich mich zu Ihnen begeben, Excellenz,“ sagte er, den Freiherrn begrüßend. „Ich glaubte Sie in dem Schlosse zu finden.“

„Ich fahre dorthin,“ erwiderte Raven auf den Wagen deutend. „Darf ich Sie bitten, mich zu begleiten?“

Der Polizeidirector nahm die Einladung an, und die beiden Herren stiegen in den Wagen, der den Weg nach dem Schlosse einschlug. Der Freiherr hörte zerstreut auf die Mittheilungen seines Begleiters. Der stolze Mann ertrug mit verbissenem Grimme diese erste Demüthigung, die ihm auferlegt wurde. Man hatte ihn bisher unumschränkt walten lassen und ihm eine Macht eingeräumt, wie sie kein Gouverneur vor ihm besaß, und jetzt, wo er dieser Macht mehr als je bedurfte, jetzt sah er sich auf einmal in all seinen Entschlüssen gehemmt und gebunden. Man entzog ihm den Beistand, auf den er sich stützte und, nachdem er einmal so weit gegangen war, stützen mußte; man ließ ihn absichtlich allein im Kampfe mit der rebellischen Stadt – Raven wußte sich dieses Symptom zu deuten.

Der Polizeidirector hatte einige Minuten lang von verschiedenen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1873 S. 162
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 466. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_466.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2019)