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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


wollte. Er kam wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Wagen an, der einen Umweg machen mußte.

Am Nixenbrunnen verweilte der Freiherr einige Minuten lang. Was war aus dem mondbeglänzten Eden von gestern Abend geworden! Die Morgennebel hielten alles dicht umzogen. Der Rasen schimmerte weiß unter der Reifdecke, die sich darauf gelagert hatte, die mächtigen Linden, mit ihrem spärlichen Laub, standen dunkel und unheimlich in dem feuchten Dunst, und die fallenden Blätter deckten welk und naß den Boden. Der Nixenbrunnen rauschte noch, aber seine Wasserstrahlen waren jetzt nur ein trüber und farbloser Regen, der sich über graue, halbverwitterte Steinfiguren ergoß, und sein Nieseln klang so unsagbar traurig. Das verklärende Licht, das die ganze Umgebung in seinen Glanz getaucht hatte, war geschwunden, und nur die Wirklichkeit blieb zurück – der Herbst in seiner ganzen trostlosen Oede.

Raven zog den Mantel fester um die Schultern, der Morgenwind strich eisig an ihm vorüber. Er wandte sich nach der Mauerbrüstung, wo sich sonst die weite Landschaft öffnete. Gestern lag das Thal dort, so zauberhaft schön im duftigen Schleier der Mondnacht; heute war alles erfüllt von unruhig wogenden Nebelmassen. Nur einzelne Thürme der Stadt tauchten undeutlich daraus hervor; das Thal, die Berge und die Ferne waren völlig verhüllt. Der Blick des Freiherrn streifte über die Stadt hin, die er so lange beherrscht hatte, und verlor sich dann in jenem gährenden Nebelmeer. Was mochte sich dahinter bergen? Ein goldener Sonnentag oder düsteres Nebelgrauen?

Noch ein letzter Blick flog hinaus zu den Mauern des Schlosses, aber er blieb nicht dort haften. Gabrielens Zimmer lagen nach der anderen Seite hinaus, man konnte von hier aus ihre Fenster nicht sehen. Raven öffnete die Mauerpforte und trat in’s Freie. Er kam fast gleichzeitig mit dem Wagen unten an; in der nächsten Minute saß er an der Seite des Oberst Wilten und bald lag die Stadt hinter ihnen.

Die Fahrt ging rasch vorwärts, an dampfenden Wiesen vorüber, an dem brausenden Flusse entlang, dem Gebirge zu. Nach einer halben Stunde war das Ziel erreicht, die Waldungen, welche hier begannen. Der Freiherr und sein Begleiter verließen den Wagen und gingen zu Fuß weiter nach dem Orte der Zusammenkunft, der in ewiger Entfernung am Rande des Waldes lag. Die Gegenpartei war schon dort eingetroffen, Doctor Brunnow, mit seinem Secundanten und seinem Sohne, welcher der Verabredung gemäß den ärztlichen Beistand leisten sollte. Die Herren grüßten sich schweigend, nur die beiden Secundanten hatten eine kurze Besprechung mit einander und schritten dann sofort zu den Vorbereitungen.

(Fortsetzung folgt.)



     In der Rast.
     Ein Gruß aus den Bergen zum Sedantage.
     (Oberbairische Mundart.)


So schön, wie heunt, war’s dengerscht[1] nie im Schlag,[2]
So frisch und kühl, koa Wölkei umadum.[3]
Es geht der Bergwind in die F(e)ichten drin;
Am Wendelstoa’ is d’ Sunna scho’ herobn,

5
Und drunt im Kahr sie(c)ht ma’ a grüne Alm.


Da hat a Holzknecht g’arbeit’t in dem Schlag,
An Brustfleck off’[4] und d’ Hacken in der Hö(c)h,
Daß’s weithin hallert[5] bei an jeden Stroach.
All’s is voll Bleaml no’(ch) und lautern Thau;

10
Jetzt klopft a Specht; jetzt schlagt a Drossel droben;

A Re(c)h kimmt ’raus – und na is wieder staad …
Und nix mehr hörst, als wie die Scheiter krachen.
Seit viere fruah scho’ is der Holzknecht auf;
Jetzt rast’t er aus und setzt si(ch) auf an Stoa’

15
Und wie’s so still is, alles umadum,

Wird’s ihm ganz seltsam auf amal im G’müth.

Heunt san’s acht Jahr; heunt an dem nämli’n Tag.
Da is er draußten g’standen, draußt im Feld,
Bei Sedan hoaßt man’s. – Hunderttausendweis

20
War’n da Soldaten, alles schwarz vor Leut’.

Da hat er’s g’hört, wie's g’schrien und g’achezt[6] habn,
Wie s’ g’sungen habn auf d’ Nacht bei ihre Feuer;
Da hat er’s g’seh(g)n, wie s’ tausend-tausendweis
Die Todten trag’n, und Fahnenwerk und G’schütz

25
Mit weiße Roß’ – und an Franzosenkaiser

Ganz z’sammabrochen … wie der fortg’führt wird.

Der Holzknecht sitzt in seine Bloama[7] drin;
Er kann’s nit glaubn; es is, als hätt’s ihm ’traamt[8].
Er lupft an Aermel von sein Hem(e)d auf

30
Und sie(c)ht sein Schuß – den hat er dorten kriegt.

Sein spitzig’s Hütl mit ’n Gamsbart drauf.
Dös thuat er abi – er war aa dabei.
Luus[9] – drunten läut’s. Jetzt wandeln’s[10] scho’ im Dorf.
Er hat as Beten und as Kirchengehn

35
Wohl oft versaumt, heunt aber kimmt’s ihn an;

Es war koa Vaterunser nit, wie sunst,
Und dengerscht g’spürt er’s, dengerscht woaß er’s g’wiß:
So hat er nie in koaner Kirch’ no(ch) bet’.
Und all’s, wie’s g’west is, kimmt da drinna für:[11]

40
Er sie(e)ht die hunderttausend Leut im Feld,

Es hat der oane nit den andern kennt,
Und is do(ch) oaner für den andern g’storb’n.
Weit is ihr Sprach’ und Heimath auseinand,
Und do(ch) habn’s g’wißt – mir alle g’hören z’samm’!

45
Acht Jahr san’s heut – es waar’ ihm wohl der Tag

Um Geld und Gut, um Haus und Hof nit feil.

As Läuten drunt, es is scho’ lang vorbei.
Er setzt sei Hütl mit’n Gamsbart auf
Und nimmt sei’ Hacken und geht an sein Baam.[12]

50
Es rauscht der Bergwind in die F(e)ichten drin;

Es klopft der Specht; es schlagt a Drossel droben;
All’s is voll Bloama und voll lautern Thau – –
So schön, wie heunt, war’s nie no(ch) in sein’ Schlag.

     Tegernsee, 1878.
 Carl Stieler.





Für die Hinterlassenen der verunglückten Seeleute vom „Großen Kurfürsten“

gingen ferner ein: A. K. in St. M. 9; Gesangverein „Germania“ zu Estebrügge im Alten Lande M. 10; Lieutenant de Ridder in Mons, Belgien, 5 Franken = M. 4.4; G. L. in Cöln M. 10; Albert Braun in Rheda (Westfalen), gesammelt bei einem gemüthlichen Zusammensein eines Scatclubs M. 12; Ertrag einer Sammlung durch H. Steinrück und E. Kümmell in Cosbach M. 184.70; Ertrag eines Concertes des Musikcorps zu Stadt Ilm M. 20.80; zur Versöhnung zwischen Wildbach, Rare und Schlörb in Grünberg (Hessen) M. 10; Damenkränzchen in Hausach in Baden M. 10; einige Beamte der Güterexpedition in Karlsruhe M. 4.20; W. Voelter in Poix 15 Franken = M. 12.10; Dilettanten des „Krieger-Männer-Turnvereins“ und der „Societät“ durch A. H. Raabe M. 220.65; Glaß Irion in Solowska 2 Rubel = M. 4.20; aus der Casse des „Mittwochsclub“ in Dannenberg M. 20; „Liedertafel“ in Sonneberg M. 12; O. H. in Cüstrin-Neustadt M. 5; aus der Badehütte in Zabern i. E. M. 35.40; Ertrag eines Concertes der Gymnas.-Capelle in Burgsteinhof M. 207.60; von einem Briefmarkenhändler, der zu wohlthätigen Zwecken gebrauchte Briefmarken kauft (Adresse bei der Redaction) M. 5; Alb. Steffen in Charlottenburg M. 3; F. G. R. in Gerdauen M. 5; „Verzeihung“ M. 10; Gottespfennige aus Ottensen M. 10; Johann Louis Fisteden M. 1; in Frauensee gesammelt durch Herrn Stadtrath Julius Francke aus Leipzig M. 45; Sammlung der Redaction des „Waldenburger Wochenblattes“ M. 30.50; F. S. M. 2; gesammelt bei einer Abendunterhaltung in Rheinzabern M. 6.60; Ertrag einer Theatervorstellung der Realschüler in Aschersleben, durch Director Dr. Hüser M. 180; E. Filk in Hirschberg M. 3; Jakob Wegener aus Bruchenbrücken M. 3; Lehrercollegium, Schüler und Schülerinnen höherer Lehranstalt in Greiz M. 115; E. in Gothenburg M. 5; freiwillige Gaben aus Florsheim in Rheinhessen M. 50; gesammelt in der Postrestauration in Klingenthal M. 16.46; Sammlung von Moskaus Deutschen, durch G. Völcker M. 1200; Leser der „Gartenlaube“ in Norden M. 3; K. Both in Szvèg-Ardó M. 1.75; Dr. G. in Bromberg M. 5; Ertrag eines Concerts in Allendorf an der Werra durch Buchdruckereibesitzer Herrmann M. 77.80; Reinertrag eines Dilettantenconcerts in Buchweiler durch Steuerempfänger Grünthal M. 100; Nachlese zur Sammlung in Heidelberg durch Buchhändler G. Koester M. 39.50; Erlös für die Aquarelle „Feldblumenstrauß“ (siehe Nr. 33) M. 12.

Die Redaction.
  1. doch.
  2. Holzschlag, der ausgelichtet wird.
  3. ringsum.
  4. mit offener Brust.
  5. hallt.
  6. wehrufen (die Verwundeten).
  7. Blumen.
  8. geträumt.
  9. horch.
  10. die Wandlung in der Messe feiern.
  11. kommt in seiner Andacht, in seinem Gebete vor.
  12. zu dem Baum zurück, den er eben fällt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_584.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2017)