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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

absetzt. Diese Untersuchungen haben ihn dann naturgemäß auf ein verwandtes kartographisches Feld geführt, auf die zweckmäßigste Darstellung der Seekarten. Seine Ideen hierüber führten ihn vor nunmehr 300 Jahren zu der weltberühmten Projection, die nach ihm Mercator’s Projection heißt.

Hochberühmt wurde besonders seine große Seekarte in dieser Projection vom Jahre 1569, also gerade zweihundert Jahre vor der Geburt Alexander von Humboldt’s. „Das Jahr 1569,“ sagt Breusing, „wird in der Geschichte der Geographie und der Schifffahrtskunde ein ewig denkwürdiges bleiben. Im Monat August desselben vollendete Mercator den Stich der großen Weltkarte zum Gebrauche der Seefahrer. Von ihr datirt die Reform der Kartographie; durch sie wird eine neue Epoche in der Steuermannskunst begründet.“

Seefahrer, Geographen, Historiker sind voll seines Lobes. „Mercator,“ sagt Ranke, „ist es, der die erste durchgreifende Verbesserung der Land- und Seekarten herbeiführte,“ und Peschel erklärt: „Die Geschichte kennt nur drei große darstellende Geographen, Ptolemäus und seine Reformatoren Mercator und De l’Isle.“

Mercator’s hohe wissenschaftliche Leistungen bestehen vor Allem in der Erfindung und Einführung neuer Netzentwürfe zur Uebertragung von Kugelflächen in die Ebene, also neuer Projectionsarten. Eine Klarlegung dieser seiner Projectionen erfordert eine mathematische, strengwissenschaftliche Behandlung. Es ist dies aber ein Thema, das weder allgemein zugänglich, noch interessant ist. Und wir mögen uns nicht schmeicheln, die Feinheiten des höheren Calcüls unseren Lesern in homöopathischer Verdünnung wie ein Wundertränkchen beibringen zu können.

Begnügen wir uns daher, uns mit Peschel’s Worten über „Mercator’s Projection“ zu verständigen.

Nach einem alten Stiche.

„Die Mercator-Projection,“ sagt Peschel, „ist ein walzenförmiger Entwurf. Die Erde wird nicht mehr als Kugel, sondern als Cylinder gedacht. Denkt man sich die Achse der Walze so lang wie den Drehungspol und ihren Durchmesser wie den Durchmesser der Erde, so erhalten wir durch Abrollen ein zu verjüngendes Rechteck, noch einmal so breit wie hoch, auf dem die Mittagskreise gleichabständige senkrechte, die Breitengrade gleichabständige wagrechte Linien bilden, durch deren Kreuzungen lauter Rechtecke abgeschnitten werden. Auf der Kugel sehen wir dagegen, daß die Abstände der Mittagskreise, die in der Nähe des Aequators fast genau den gleichwerthigen Abständen der Breitenkreise entsprechen, je mehr wir uns den Polen nähern, immer schmäler und am Pole selbst Null werden. Um nun beim Entwurfe in der Ebene den Gang dieses Gesetzes auszudrücken, behielt Mercator die gleichen Abstände für die Mittagskreise bei, verlängerte aber dafür die Abstände der Breitenkreise in entsprechender Weise und gab dadurch dem Bilde eine streng symmetrische Auflockerung von dem Aequator nach den Polen. Der einzige unvermeidliche Uebelstand dieses Entwurfes ist nur, daß er nicht gut über den 80. Breitegrad ausgedehnt werden kann, weil in größeren Polhöhen die Breitengrade zu rasch, jenseits von lat. 89 Grad aber in das Unendliche wachsen müssen. Die Vortheile dieses Entwurfes sind sonst gar nicht zu überschätzen, denn in allen zwischen zwei Breitenkreisen eingeschlossenen Vierecken bleiben die Verhältnisse richtig, nur daß der Maßstab sich mit jedem Breitenkreise ändert. Einzig auf einer Karte nach Mercator-Projection lassen sich die Himmelsrichtungen, in welchen irgend ein irdischer Punkt zu allen anderen irdischen Punkten liegt, streng einsehen, weil alle Himmelsrichtungen als gerade Linien durch das Bild laufen. Ohne Mercator-Projection war den Seeleuten eine strenge Ermittelung ihres Courses ebenso wenig wie eine schärfere Berechnung des zurückgelegten Weges, außer durch astronomische Ortsbestimmung, möglich. Für alle thermischen, für erdmagnetische, für pflanzen- oder thiergeographische, für Fluthbewegungs-, überhaupt für alle physikalischen Karten ist die Mercator-Projection unerläßlich; sie ist mit einem Worte der Stein der geographischen Weisheit geworden.“

Und Mercator war nicht blos praktischer Kartenzeichner, Geodät (Erdmesser), Kupferstecher und Mechaniker; er war auch Astronom, Mathematiker, Physiker, Geschichtsforscher, Chronolog. Die Erfindung der „Mercator-Projection“ für Seefahrtskarten hat indeß seine zahlreichen Arbeiten weit überstrahlt, denn sie hat Bedeutung für alle Zeit, für alle Welt. Und wie diese Projection nach ihm ihren Namen, so hat sich auch von ihm der Name „Atlas“ erhalten, den er zuerst für eine einheitliche Sammlung von Karten gebraucht hat.

Das in diesen Tagen zu Duisburg, wo Mercator vom Jahre

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_593.jpg&oldid=- (Version vom 1.9.2016)