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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


das durch den Schienenstrang jetzt ganz zugängige Koppenthal, das die Traun zwischen himmelansteigenden Felsenreihen rauschend und donnernd durchbricht. Hier ragt auch der 1985 Meter hohe Sarstein in die blaue Luft, von dessen Gipfel aus die volle Aussicht über das ganze Salzkammergut sich aufthut. In der Schlucht des Sarsteins zählten wir vierzehn Lawinenstürze, welche von seinen Gipfeln und hohen Wänden herab in die Traun stürzten; eine der letzteren übersprang sogar die Traun und deckte, Wald und Wild mit sich reißend, die Eisenbahn an sechszehn Fuß hoch zu, sodaß noch nach drei Monaten der Zug durch die geöffnete Kluft der Lawine fuhr.

Nun ruht das Dampfroß vor dem schönen Bahnhof in Aussee, dem in letzter Zeit oft und gern genannten Curort mit seiner äußerst lieblichen Lage und waldfrischen Umgebung. Die drei Arme der Traun, welche aus dem Alt-Aussee, Grundlsee und Oedensee hereinreichen, umschlugen den frischlebigen Markt, der im Sommer von vielen Fremden aus allen Gegenden für längere Zeit besucht wird. Vorzugsweise sind es die wundervollen Umgebungen, welche Aussee anziehend und unvergeßlich machen. Vor Allem wandere der Naturfreund durch schattiges Waldthal zum hochromantischen Alt-Aussee, in den die steile, castellähnliche Trisselwand senkrecht hinabfällt. Die Bergriesen in seiner Nähe, namentlich der Loser und Sandling, überschatten seine stillen Gewässer, welche den Eindruck einer wahrhaft poetischen, nicht eben herabstimmenden Melancholie machen. Heiterer und heller spiegelt der Grundlsee den blauen Azur eines wolkenfreien Himmels; seine Ufer sind üppig-grüne Wiesen und sanft aufsteigende Waldhöhen. Ein besonders schöner Menschenschlag haust an den Ufern des Grundlsees, aus welchem die ruhelose Tochter des Salzkammergutes, die grüne Traun, entspringt, von See zu See eilend, bis sie mit der ernstströmenden Donau sich verbindet.

Von Aussee ab, gegen die Wasserscheide der Traun und Enns hin, steigt nun der Schienenweg an den Orten Mühlreith, Pichel und Knoppen – dies weniger durch malerische Umgebung als durch seine Torfstecherei bemerkenswert – vorüber, gegen Kainisch und Mitterndorf, zwei Stationen, welche durch anziehende kleine Ausflüge nenneswürdig sind. Die nächste Station ist Klachau, wo die Salzkammergutbahn ihre höchste Höhe über dem Meere erreicht. Der Ort selbst bietet an und für sich nichts Interessantes als die mögliche Besteigung des 2346 Meter hohen Grimming, dessen fast senkrechter Abfall und zweigetheilter Gipfel eine großartigfesselnde Eindruck machen.

Von Klachau fort befahren wir die letzten, aber hochinteressanten Ausläufe der eigentlichen Salzkammergutbahn, welche in der Station Steinach-Irdning schließt, wenn auch auf den Schienen der Giselabahn die Waggons noch bis an den steierischen Knotenpunkt Salzthal rollen, von wo die Kronprinz-Rudolph-Bahn einerseits nach Leoben, Klagenfurt und Laibach, andererseits nach Admont und Steyer und bei St. Valentin in die Westbahn abzweigt.

Die letzte Strecke der Salzkammergutbahn entrollt ein überwältigendes Bild, wie sich dessen wenig deutsche Bahnen erfreuen dürften. Hinter Klachau öffnet sich ein reichbewachsenes schluchtähnliches, langgestrecktes Thal, durch welches der Wallerbach in schäumenden Cascaden der Ebene und der Enns zustürzt. Nach langem Bogen fährt der Zug in den die Pirggerwand durchziehenden 332 Meter langen Burgstaller-Tunnel, an dessen Ende uns plötzlich im verklärenden Sonnenglanze das weithingeschwungene, alpenumgürtete Ennsthal entgegenlacht; aus seiner Mitte steigt das castellähnliche Schloß Trautenfels auf einem hohen Hügel über der glitzenden Enns empor. Wahrlich ein herzerfreuender, geisterhebender, unvergeßlicher Anblick, werth, die Krone der endenden jungen Bahn zu sein! Noch zischt die eherne Schlange durch den 180 Meter langen Unterburger-Tunnel, in dessen Nähe, tief unten am Fuße des majestätischen Grimming, das Dorf Untergrimming zu versinken scheint. Dann fährt der Zug in den freundlichen Ruhepunkt der Gisela- und Salzkammergutbahn ein, indeß wir uns im Geiste – durch die Luftlinie – wieder nach Attnang versetzen, um die junge Bahn bis an den Inn zu durchfahren.

Von Attnang ab, der Kreuzungsstation nach Wien und Salzburg, führt der Schienenweg in bedeutender Steigung nach Maning-Wolfsegg; die Kohlenlager von Wolfsegg versorgen weitum das Land mit ergiebigster Ausbeute. Eine gute Viertelstunde vom Bahnhofe liegt hoch am Hausruck das weithin sichtbare Schloß Wolfsegg mit überraschender, großartiger Ausschau in’s Land und über die Alpenkette Oesterreichs, Steiermarks und Salzburgs. Von Wolfsegg fort, noch immer aufsteigend, führt die Bahn über das hübschgelegene Holzleithen am Abhange des Hausruck, durch den gewaltigen 706 Meter langen Hausruck-Tunnel an die Marken des Innviertels.

Von der Station Eberschwang aus erreicht man die landesfürstliche Stadt Ried, welche in neuester Zeit einen lebhafteren Aufschwung, aber für Naturfreunde leider keine Gegend aufzuweisen hat. Monotone Fläche, meist sandig, keine Berge und Alpen mehr sichtbar – das ist, kurz gesagt, der Charakter der Landschaft. Längs der Bahn erblicken wir, Ried verlassend, die um einen großen Lindenbaum erbaute Capelle Maria Aich, und bald darauf das alte, ungeheuerliche Schloß Aurolzmünster, welches, wie St. Martin mit seinem auffallend schönen Parke, dem Grafen Arco-Baley gehört. In der Nähe der Bahn liegen auch das berühmte Stift Reichersberg mit seinen großen Alterthumsschätzen und der schöne, hoch am Innufer gelegene Markt Obernberg. Ueber das einstmalige Augustiner-Stift (jetzt „höhere“ Sträflingsanstalt) Suben gelangen wir endlich nach der alten, historisch berühmten Grenzstadt Schärding am klippen- und scheerenreichen, raschhinbrausenden Inn, über den eine uralte Steinbrücke nach Baiern führt. – Und hier scheiden wir von dem Leser mit dem Wunsche, daß ihm vom Schicksal vergönnt sein möge, einmal die Herrlichkeiten der jungen Salzkammergutbahn, deren genialer Erbauer Freiherr von Schwarz sich in ihr ein neues Denkmal zu manchem alten geschaffen hat, aus eigener Anschauung kennen zu lernen.



Um hohen Preis.
Von E. Werner.
(Fortsetzung.)
Nachdruck verboten und Uebersetzungsrecht vorbehalten.

Max stand neben seinem Vater, dessen bleiches Antlitz und brennende Augen eine durchwachte Nacht verriethen und der sich vergebens bemühte, seine fieberhafte Erregung zu verbergen. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt, und durch seine Hand, die in der des Sohnes lag, flog bisweilen ein nervöses Zucken.

„Fassung, Papa!“ flüsterte Max ihm zu. „Deine Hand ist so unsicher; Du wirst kaum abdrücken können.“

„Sei ruhig! Ich werde es können,“ versetzte der Doctor, gleichfalls in gedämpftem Tone und mit einem Blicke auf die Waffen, welche soeben von den Secundanten geladen wurden.

„Oberst Wilten ist bereits aufmerksam geworden,“ sagte Max bedeutsam. „Soll er glauben, daß es die Furcht vor der Kugel ist, die Dich so erregt?“

Brunnow machte eine heftige Bewegung des Unwillens.

„Du hast Recht. Die Fremden könne ja nicht ahnen, was in mir wühlt. Sie sollen mich wenigstens nicht für einen Feigling halten.“

Er raffte sich zusammen, und es gelang ihm auch wirklich, ruhiger zu erscheinen, aber er vermied es, nach der Stelle zu blicken, wo der Freiherr stand. In seiner gewohnten stolzen Haltung, mit der kalten Festigkeit in den Zügen, schien Raven völlig unbewegt von dem Kommenden.

Der Nebel begann allmählich zu fallen; schon traten die Berggipfel und die höher gelegenen Ortschaften daraus hervor, und die Sonne mußte soeben aufgegangen sein, denn der ganze östliche Horizont schimmerte in rothem Lichte, wenn die Strahlen es auch noch nicht vermochten, sich durchzukämpfen. Die Stadt lag noch in einen weißen Dunstschleier gehüllt, aber das Schloß auf der Höhe war bereits sichtbar, zwar noch undeutlich, wie ein Nebelbild, aber es trat mit jeder Minute klarer und deutlicher durch den Nebel hervor. Dort träumte Gabriele ahnungslos und glücklich dem Morgen entgegen, und hier fiel indessen die blutige Entscheidung auch über ihr Schicksal.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_595.jpg&oldid=- (Version vom 1.9.2016)